Der TSV 1860 München und der Aufstieg in die 2. Bundesliga. Es ist ein Thema, dass man quasi als Dauerbrenner über die Saison bezeichnen kann. Mit Michael KöllnerMichael Köllner war vom 9. November 2019 bis zum 31. Januar... ist der Aufstieg auch durchaus möglich. Dabei sollten die Löwen vor allem eines tun: sich aus dem Käfig von Zwängen befreien. Ein Kommentar.
Der TSV 1860 muss unbedingt aufsteigen. “Gegen Magdeburg zum Siegen verdammt”, schreibt die Abendzeitung zum Beispiel. Und der einstige Löwen-Trainer Karsten Wettberg wird in der tz München mit den Worten “Nächstes Jahr ist ein Aufstieg Pflicht” zitiert. Die Erwartungshaltung ist groß. Und manchmal klingt es so, als würde der TSV 1860 München komplett untergehen, wenn man nicht aufsteigt. Entweder heuer oder spätestens nächstes Jahr. Vielleicht ist das genau das Problem der Löwen. Dass die Erwartungshaltung zu groß ist. Die Erwartung ist immer irgendwie größer als die Voraussetzungen und Begebenheiten.
Nein, bescheiden ist man bei den Löwen nicht. Weil man ja Traditionsverein ist. Weil man ja mal ganz oben war. Deutscher Meister war man und Gründungsmitglied der Bundesliga sind die Löwen ebenfalls. Und deshalb wird alles groß oder eben klein geredet. Die Löwen stets himmelhochjauchzend oder zu Tode betrübt. Wer heute noch in den höchsten Tönen gelobt wird, auf den tritt man zwei Tage später gerne auch wieder verbal ein. Weil eben immer nur der Erfolg zählt. Und die Löwen unbedingt aufsteigen müssen.
Modalverben in der deutschen Sprache
Was sind Modalverben? Es gibt insgesamt sechs davon. Dürfen, sollen, können, müssen, wollen und mögen. Es sind Hilfsverben, die immer in Kombination mit Vollverben auftreten und ihren Inhalt damit verändern. “Wir Löwen steigen auf” ist ein Satz ohne Modalverb. Mit Modalverb kann man den Satz nun ändern in “wir müssen aufsteigen” oder “Sechzig kann aufsteigen”. Oder eben in “wir wollen aufsteigen”.
Modalverben und ihr Effekt
Ein wesentlicher Faktor für Erfolg und Leistung ist in der Sprache zu finden. Sprache hat eine enorme psychologische Auswirkung. Mit Sprache sind wir aufgewachsen. Vor allem eben mit Modalverben. Jens Fleischhut, Lehrbeauftragter für Neuropädagogik am Institut für Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin, ist in einem mehrjährigen Forschungsprojekt der Frage nachgegangen, wie sich das unbewusste Aktivieren von Gefühlen durch Sprachmuster zur Entwicklungs- und Lernförderung nutzen lässt. Der Effekt von positiven Sprachmustern ist dabei enorm, hat der Wissenschaftler festgestellt.
Frühzeitig sind die Löwen “krachend gescheitert”. Einige Zeit später stellt sich plötzlich heraus, dass es doch noch eine Chance gibt, aufzusteigen. Entsprechend ändern sich die Schlagzeilen. Und ja, die Spieler lassen sich davon beeindrucken und beeinflussen. Es ist eine ständige Achterbahnfahrt. Die wenig hilfreich ist, um dauerhaft Leistung zu bringen. Profi hin oder her. Wie oft hören die Spieler, dass sie aufsteigen müssen? Wie oft sagen sie sich, dass sie aufsteigen wollen?
“Muss ich” oder “will ich”?
Die Spieler des TSV 1860 München müssen sich am Ende tatsächlich vor allem eines fragen: wer spricht denn nun? Ich selbst? Dann muss ich zwangsläufig mein inneres Sprachmuster überdenken. Aus einem “ich muss aufsteigen” wird dann ein “ich will aufsteigen”. Damit nehmen die Spieler das Heft selbst in die Hand. Losgelöst vom äußeren Druck. Den Erfolg selbstverantwortlich in die Hand nehmen, statt sich durch negative Modalverben treiben zu lassen, das sollte das Ziel sein.
Auch wir Fans können einen positiven Effekt mit befeuern. In dem wir aufsteigen wollen und nicht immer davon reden, dass wir aufsteigen müssen. Dabei geht es gar nicht darum, den Druck komplett rauszunehmen. Auch Wollen kann Druck erzeugen – positiven Druck. Es geht auch nicht darum, den Aufstieg aus den Augen zu verlieren. Es geht darum, eben wirklich zu wollen – als Fans, als Funktionäre, als TrainerÜbersicht aller Trainer der ersten Mannschaft des TSV 1860 ... und als Spieler. Ob es dann am Ende mit dem Aufstieg klappt? Das kann man nicht sagen. Weil es viele Faktoren gibt. Aber der positive Effekt ist nicht zu unterschätzen. Und den müssen wir nutzen. Moment, nein. Den wollen wir nutzen.
Titelbild: IMAGO / Ulrich Wagner