Der TSV 1860 München möchte heuer aufsteigen. Dabei setzt man auf ein neues Sechzig. Wie viel hat das Sechzig von heute noch mit dem von 2017 gemeinsam? Ein Kommentar.
“Fan-Fest – Köllner verspricht den Aufstieg“, titelte die tz München im Juli diesen Jahres. “Werden im nächsten Jahr im Mai etwas ganz Großes feiern“, so wird Köllner von liga3-online.de zitiert. Die anwesenden Fans jubelten. Feierten die große Präsentation der Mannschaft. Vor allem Michael KöllnerMichael Köllner war vom 9. November 2019 bis zum 31. Januar... schob sich dabei in den Mittelpunkt.
Köllner hat seinen runderneuerten Kader bekommen
Bereits einen Monat vorher hatte er angekündigt mit “harter Arbeit” den runderneuerten Kader “zum großen Saisonziel Aufstieg” zu führen. “Wir haben hungrige Spieler gesucht, belastbare Spieler. Wir haben Spieler verpflichtet, die am Ende zur DNA der Löwen passen. Er selbst habe an der Kaderplanung aktiv mitgewirkt. Alles habe funktioniert. “Aufstiegsfavorit ohne wenn und aber”, titelte BR24 und schreibt: “Ein bisschen erinnert bei den Löwen derzeit alles etwas an das FC Bayern -´Mia-san-mia´ – nur eben in blau.” Kein anderer 1860-Trainer durfte wohl je so viel mitreden bei Neuverpflichtungen, schreibt der BR in diesem Artikel weiter. Köllner habe seine eigene Zukunft im Verein an die Bedingungen geknüpft, den Kader nach seinen Vorstellungen umbauen zu dürfen. Günther GorenzelGünther Gorenzel ist ein aus Österreich kommender Fußball... scheint ebenfalls zufrieden: “Die meisten von ihnen hätten auch in der 2. Liga unterschreiben können.”
Der “Hype” war ausgelöst. Die siegessicheren Löwen, die nun in jedes Spiel gewinnen, waren geboren. Und viele ließen sich von dieser Begeisterung treiben. Versuchte man auch nur annähernd etwas mehr Bescheidenheit einzufordern, wurde man rasch unterbrochen. In die Ecke derjenigen gestellt, die nicht aufsteigen wollen. Schon seltsam, wie viele diese immense Sehnsucht nach ganz großen Zielen haben. Ist im Grunde ja auch mit der Stadiondiskussion nichts anderes. Viel zu viel wird darüber gesprochen, ob man nun im Grünwalder Stadion auch Bundesliga spielen kann, oder nicht.
Begeisterung 2022 vs. Begeisterung 2017
Die “Begeisterung 2022”, hat die “Begeisterung 2017” nun fast vollständig abgelöst. Wir erinnern uns. Nach dem Abstieg aus der 2. Bundesliga in die Regionalliga haben die Löwen wieder zu sich gefunden. Sie haben ihre Wurzeln wiedergefunden, GiesingStadtteil rechts der Isar und südöstlicher Teil der bayeri... wiederbelebt. Bodenständig, authentisch. Mit regionalen Sponsoren. Doch Stück für Stück wollte man mehr. GeschäftsführerÜbersicht über alle Geschäftsführer (Kaufmännisch und S... Marc-Nicolai PfeiferMarc-Nicolai Pfeifer wurde am 19. Dezember 1980 in Ludwigsbu... brachte Augsburg Airways, einen Charter Broker für Privatflüge, als Sponsor. Mit Bierschneider holte er die dicken SUVs als Firmenfahrzeuge. Zur eigentlich gut durchdachten bürgerlichen Sechzger Wiesn lud Pfeifer Verena Kerth, die Ex-Freundin von Bayern Vorstand Oliver Kahn, ein. “Ihr habt den Knall immer noch nicht gehört!!!” ließen die Ultras verkünden und forderten: “Geschäftsführung und Marketing ab ins Dschungelcamp.” Die Hoffnung, dass man aus dem tiefen Fall in die Regionalliga etwas gelernt hat und der Hype 2017 ein neues Sechzig schafft, die schwand.
Die große Ankündigung nun endlich aufzusteigen, machte es nicht besser. Auch nicht die Lobeshymnen in Richtung Anthony PowerAnthony war von 23.11.2016 bis 31.03.2017 Geschäftsführer ..., der sich ja bekanntermaßen ohnehin zu dem Zeitpunkt mehr mit Marketingstreitereien und Stadionbannern auseinandersetzte. Oder die Zurechtweisung von Fanportalen. Und auch aktuell brachte die BILD-Zeitung eine Thematik ans Licht. Die Löwen fahren im Winter in ein Luxus-Hotel in die Türkei, das wohl fast doppelt so viel kostet wie vergangene Saison. Präsident Robert ReisingerRobert Reisinger, geboren 15.01.1964 ist Präsident des TSV ... hat dies bereits kritisiert. Gespart wird bei den Löwen in jedem Fall nicht.
Entscheidungen auf sportlicher Ebene
Nun hat man drei Spiele hintereinander verloren. Unabhängig davon, dass das die Löwen aktuell auf den 5. Platz zurückwirft, waren einige Spiele nicht wirklich wie versprochen. Hungrige, belastbare Spieler hat man gesucht und gefunden. In den letzten Spielen waren sie aber nicht zu sehen. Mittlerweile hört man von den Rängen “Wir wollen euch kämpfen sehn!” Natürlich muss man sich nun hinterfragen. Köllner muss sich fragen, ob er eine Vertragsverlängerung über 2023 hinaus tatsächlich anstrebt. Ob er überhaupt aktuell weiter machen will. Er muss sich fragen, ob er die Löwen wieder auf Erfolgskurs bringen kann. Und ob die Mannschaft auch erreicht. Und die Geschäftsführung muss sich fragen, ob sie ihm dies dann auch abnimmt und weiter das Vertrauen in ihn setzt. Das sind keine einfachen Prozesse. Aber man muss sie, losgelöst von der Meinung der Fans und auch der Presse, angehen.
Helmut Kohl wäre stolz auf manche Protagonisten
Aber viel wichtiger ist, dass die Löwen das brüchige Gehäuse rund um den Profifußball angehen. Wenn es sportlich läuft, dann werden viele Fragen nicht gestellt oder gar verdrängt. Aber machen wir uns nichts vor. Ja, die Löwen wollen aufsteigen. Aber so viele Themen sind ungeklärt. Sie müssen jetzt angegangen werden. Manchmal hat man das Gefühl, man will den Aufstieg erzwingen und dann hoffen, dass sich das eine oder andere von selber löst. Oder man selbst dann vom Boot abspringen kann, als gefeierter Aufstiegsheld. Helmut Kohl wäre stolz auf so manchen Protagonisten – das “Aussitzen” scheint bei manchen Themen gut zu funktionieren.
Gutsherrenart an der Grünwalder Straße 114?
Mir persönlich ist es überhaupt nicht so wichtig, ob man nun aufsteigt oder nicht. Natürlich würde ich mich freuen, wenn es heuer klappt. Aber vor allem wünsche ich mir, dass man Perspektiven schafft. In allen Bereichen. Vom Nachwuchsleistungszentrum bis zu den Profis. Und vor allem sollte man sich vielleicht mal überlegen, ob der Geist von 2017 nicht wieder mehr in den Vordergrund gerückt werden sollte. Es ist durchaus die Frage, ob man dicke SUVs, Privatflüge und teure Trainingslager benötigt, während die Fans ihr mühsam erspartes Geld bei Spendenaktionen und Veranstaltungen in das Nachwuchsleistungszentrum stecken. Oder auf Rückzahlungen während Corona verzichteten. Ein bisschen hat das schon was von Mittelalter, wo die Gutsherren ihren Bauern jeden müden Kreuzeraus dem Hemd schüttelnden, um noch besseren Wein trinken zu können. Überall legen die Fans Hand an. Oder greifen in die eigene Tasche. So mancher Funktionär lässt sich dafür feiern. Diese Gutsherrenart spiegelt nicht den Geist von 2017 wieder.
Also vielleicht sollte man sich mal wieder auf die Grundtugenden konzentrieren. Auf den Boden der Tatsachen kommen und Sacharbeit leisten. Auf allen Ebenen. Dann schafft man zum einen die Rahmenbedingungen, egal für welche Liga. Und vielleicht auch den Aufstieg.
Titelbild: IMAGO / Ulrich Wagner