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Wie ein Löwenfan mit einer Sitzschale aus dem Grünwalder Stadion einen Architekturfoto-Preis gewann

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2013 gab die Stadt München den Fans die Möglichkeit, die orangenen Sitzschalen aus den 70er Jahren selbst abzuschrauben und mit nach Hause zu nehmen. Der Münchner Architekt Dirk Härle setzte sich unter Anderem mit einem Bild einer solchen Sitzschale aus dem Grünwalder Stadion beim Europäischen Architekturfotografie-Preis 2019 durch.

Architekt Dirk Härle / Bild 1 (c) Stephan Rumpf / Bild 2 (c) Dirk Härle mit Selbstauslöser

Interview mit Dirk Härle

Dirk du hast mit vier Fotos gewonnen, zwei davon haben mit dem TSV 1860 München zu tun. Erzähle doch mal.

Die Sitzschale habe ich mal geschenkt bekommen. Ich sammle so manches vom geilsten Klub der Welt. Die Schale hat übrigens die Sitznummer 66 – das Jahr der Meisterschaft.

Irgendwie wollte ich sie schon immer fotografisch in Szene setzen und hab Sie mal auf einen Ausflug in meine Nordmünchner Heimat mitgenommen. Den Baum habe ich zufällig entdeckt und gleich genutzt. Mir gefällt der Kontrast zwischen den Materialien und Farben.

(er grinst) Ach ja, dass nebenan die Roten spielen und das Bild auch Fragen zu Stadionstandorten aufwirft, dämmerte mir erst später.

(c) Dirk Härle

Die Fröttmaninger Heide, in der du deine Sitzschale platziert hast, liegt in der Nähe der Allianz Arena – macht ein Stadion auf der grünen Wiese Sinn?

Ich bin ein Fan von Fußballkultur und ich finde das Grünwalder Stadion mitten in der Stadt super attraktiv. Man kann da zu Fuß hingehen. Die ganze Straße ist dann blau, das ist toll. Giesing lebt. Es tut dem Viertel gut, dass Sechzig dort wieder spielt. Und das Ganze hat nicht diesen kommerziellen Stempel. Nostalgie spielt auch eine Rolle, man knüpft dort wieder an eigene Erlebnisse aus der Vergangenheit an – ich war in den Achtzigerjahren oft im Grünwalder Stadion. Ich war auch ein paar Mal in der Allianz Arena, aber das hat mir nicht getaugt. Seit die Löwen wieder in Giesing spielen, habe ich eine Dauerkarte in der Westkurve.

Hast du die Sitzschale noch?

Ja, die habe ich in der Garage, wo wir manchmal auch Spiele anschauen.

Und das zweite Bild?

Das ist ein Löwenfan mit Kutte – von hinten – im Grünwalder Stadion. Er steht vor einem Gitter und im Hintergrund sieht man die angrenzenden Wohnhäuser an der Grünwalder Straße. Stadien sind Architekturen, die Spaß bereiten. Als Architekt muss ich jetzt natürlich noch anmerken, dass Kleidung eigentlich auch eine Fassade ist und hier wird das sogar in der Konstruktion recht deutlich.

Kennst du den Mann?

Nein, und ich habe leider bis heute nicht mit ihm gesprochen. Vielleicht weiß er gar nicht, dass ich mit ihm einen Preis gewonnen habe. Vielleicht liest er, oder jemand der ihn kennt, den Artikel und meldet sich bei mir.

(c) Dirk Härle

Woher kommt Deine Liebe zu 1860?

Ich bin in Pasing geboren und in Lohhof aufgewachsen. In den Achtzigerjahren war dort jeder Löwefan. Es gab die Kneipe „Radis Treff“ von Petar Radenković  der 1964 DFB-Pokalsieger, 1965 Endspielteilnahme am Europapokal der Pokalsieger und 1966 Deutscher Meister wurde. Dann war da auch die Punkband Lustfinger, die zum Beispiel das Lied “Löwenmut” spielt. 1981 bin ich zum ersten Mal mit Freunden im Grünwalder Stadion gewesen, Sechzig gewann 4:0 gegen Fortuna Köln – mit Wohlers und Strack. Und Zander im Tor.

Du bist beruflich Architekt, das Fotografieren ist dein Hobby?

Ja, beim Fotografieren kann man schnell seinen Gestaltungsdrang ausleben. Das ist ein Ausgleich zur Architektur, wo sich die Arbeit ja hinzieht, wenn wir Wohn- und Kommunalgebäude planen. Allerdings wäre ein Stadionumbau, vorzugsweise in Giesing, auch mal eine spannende Aufgabe. Oder mal bei einem Spiel im Innenraum mit der Kamera unterwegs sein dürfen…

Die Bilder haben auf den ersten Blick nicht viel mit Architektur zu tun. Was war denn die Begründung der Jury?

Der Wettbewerb, den die Bundesstiftung Baukultur und das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt ausgeschrieben haben, hatte das weit gefasste Motto “Joyful Architecture”. Die Architektur stand da für mich nicht gleich im Vordergrund. Die Jury schreibt in ihrer Begründung: “Dirk Härles Bildserie zeigt das Besondere in scheinbar unspektakulären Situationen. Ist es das farbige Element im blassen Umfeld, der menschliche Gestaltungswille im reizlosen Ambiente oder der Fremdkörper in der Szene? Am Ende ist es die schmunzelnde Erkenntnis, dass es von allem etwas ist. Freudvoll sind fraglos nicht die Architekturelemente, sondern die gezeigten Szenen für denjenigen Betrachter, der mit Gelassenheit und Humor auf unsere Umwelt schaut.”

Was ist auf den anderen beiden Bildern zu sehen?

Eine Strahlungsmessstation von 1966, sie steht etwas abseits auf der Zugspitze. Grins* das Jahr der Meisterschaft. In Architektenkreisen ist dieses Gebäude kaum bekannt, obwohl es so prominent liegt und so besonders ist.

Das vierte Bild ist dann eine grüne Krone auf einem Garagendach vor einer Spenglerei, vermutlich ein Meisterstück. Den Maßstabssprung finde ich hier interessant.

Übrigens, meine vier Fotos wurden in einer Ausstellung im Frankfurter Architekturmuseum gezeigt. Danach ging die Ausstellung samt dem Löwenfan auf Wanderschaft.

Danke dir für diesen interessanten Einblick

Ich habe zu danken. Hoffentlich sieht man sich demnächst im Stadion.

Titelbild: (c) Dirk Härle, Grünwalder Stadion

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