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Welchen Einfluss hat der Aufsichtsrat der Profifußball-KGaA?

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Der Profifußball beim TSV 1860 München ist ein komplexes Konstrukt, das zwei wesentliche Gefahren mit sich bringt. Zum einen verstehen viele nicht, wer nun was zu sagen hat, oder wie Entscheidungen getroffen werden können, zum anderen versteckt sich mancher genau hinter dieser Unsicherheit.

Auch in der Saison 2016/17 galt in der Profifußball-KGaA der Löwen natürlich die 50+1-Regel. Allerdings hatten die Mitglieder einen Präsidenten gewählt, der zwar als haftender Komplementär auftrat und gegenüber der Geschäftsführung weisungsbefugt war, der aber alle Wünsche von Hasan Ismaik erfüllte und damit die KGaA des TSV 1860 in enormen Ausmaß verschuldete. Zu dieser Zeit hatte Ismaik als Kommanditaktionär und als Aufsichtsratsvorsitzender wesentlichen Einfluss.

Was uns dabei interessiert, ist die Frage, wieviel Einfluss hat HAM International bzw. der Aufsichtsrat damals und heute?

Weisungsbefugnis der Geschäftsführungs GmbH

Die Geschäftsführer werden durch den paritätisch besetzten Beirat der Geschäftsführungs-GmbH berufen. Kommt es im Beirat zu einem Patt, kann die Gesellschafterversammlung der GF-GmbH über 50+1 anstelle des Beirates treten (dies war z.B. bei Scharold der Fall, nicht aber bei Gorenzel und später Pfeifer).

Auch in der Saison 2016/17 war dies der Fall. Zwar präsentierte Hasan Ismaik “seinen” Geschäftsführer Anthony Power. Tatsächlich eingesetzt werden musste er allerdings von Peter Casalette. Letztendlich konnte Ismaik die KGaA nur so überschulden, weil Casalette es stets unterzeichnete.

Der haftende Komplementär ist und bleibt die Geschäftsführungs GmbH. Wir hatten dies auch bereits im Artikel “Das komplexe Konstrukt der TSV München von 1860 GmbH & Co KGaA – TSV 1860 München” dargestellt. Dort hatten wir zudem klargestellt, dass diese Weisungsbefugnis Grenzen hat. Und zwar immer dann, wenn mehr Geld benötigt wird, als vorhanden ist. Dann müssen die Kommanditaktionäre eingebunden werden.

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Unerfüllbare Forderungen

Im Mai 2017 stellte Hasan Ismaik gegenüber Ian Ayre (damaliger Geschäftsführer) und Peter Casalette (damaliger Präsident) teils unerfüllbare Forderungen um die Lizenz für die Saison 2017/18 sicherzustellen. Die Nichterfüllbarkeit einiger Punkte stellte dabei nicht nur Ian Ayre und Peter Casalette vor eine kaum überwindbare Herausforderung, sondern führte später auch zum Schwarzen Freitag. Als Ian Ayre feststellte, dass so die Lizenzauflagen weder für die 2. Bundesliga noch für die 3. Liga erfüllt werden konnten, verließ er relativ rasch die Löwen. Peter Casalette macht sich direkt nach der Relegation aus dem Staub.

Die Finanzierungszusage für die Saison 2017/18 machte Ismaik von der Erfüllung verschiedener Bedingungen abhängig. Zum einen wollte er eine Änderung der Satzung der KGaA und der GmbH, er wollte einen Nachweis für die gesicherte Gemeinnützigkeit des e.V., die Rückübertragung aller Marken und Rechte, die der e.V. hat, sowie die vollständige Offenlegung sämtlicher Einnahmen aus dem Merchandising des e.V. und der Fußballabteilung, eine Neuverhandlung des Servicevertrages zwischen der KGaA und dem e.V., sowie die Übertragung der gesamten Jugendabteilung auf die KGaA. Gerade die Satzungsänderungen brachten Konfliktpotential mit der 50+1-Regelung und mussten mit DFL / DFB abgestimmt werden. In der vorhandenen Zeit bis zur Lizenzvergabe war dies kaum machbar.

Die Forderungen von Ismaik kamen am 24. Mai 2017. Bis zum 2. Juni mussten sie nicht nur mit den Verbänden abgestimmt und erfüllt werden, sondern auch die anschließende Zahlung erfolgen. Also innerhalb von neun Tagen. Und das mitten während der Relegation. Nachdem Casalette verschwunden war und verbrannte Erde hinterließ, hatte man sogar nur noch drei Tage.

Der schwarze Freitag

Der Geschäftsführer Ian Ayre weg. Präsident Peter Casalette weg. Glücklicherweise stellten sich die beiden Vize-Präsidenten Heinz Schmidt und Hans Sitzberger der Situation. Man habe versucht eine “rechtlich wasserdichte Lösung” zu erwirken, erklärte Schmidt am Schwarzen Freitag. Es fehlten rund 11 Millionen. Ismaik wollte nicht zahlen.

Noch einmal zur Erinnerung: bis dahin war es Ayre und Casalette nicht einmal gelungen, sich mit Ismaik für die Lizenz in der 2. Bundesliga zu einigen. Hätte man die Relegation gewonnen und wäre in der zweiten Liga geblieben, wäre die Lizenzfrage immer noch nicht geklärt gewesen. Der Stichtag 2. Juni, der später dann zum Schwarzen Freitag wurde, war schon viel länger bekannt. Über den Abstieg hatte man sich, trotz bevorstehender Relegation, kaum Gedanken gemacht. Und die Forderungen waren teilweise eben auch einfach nicht umsetzbar. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Anthony Power als Geschäftsführer die Lizenzen für die 1. Bundesliga, 2. Bundesliga und 3. Liga einreichte. Und zwar mit dem Wissen, dass für die Saison 2017/18 die entsprechenden finanziellen Mittel fehlten. Weil man in der Saison 2016/17 großzügig Verträge schloss ohne die entsprechenden finanziellen Mittel zu haben.

Die oftmals dargestellte Version, dass Vereinsverantwortliche die Löwen einfach “absaufen” lassen haben, ist im Grunde nicht richtig. Hätten Ayre und Casalette die Lizenzierung für 2. Bundesliga und 3. Liga schon vorab wasserdicht gemacht, hätte es den Schwarzen Freitag vermutlich nie gegeben.

Einfluss des Aufsichtsrates

In der KGaA gibt es einen Aufsichtsrat. Der hat bei einem solchen Konstrukt in der Regel lediglich die Aufgaben der Kontrolle, Überwachung und Beratung der Geschäftsführung. Auf Wunsch von Hasan Ismaik gehen seine Aufgaben allerdings deutlich darüber hinaus. Saki Stimoniaris, Yahya Ismaik und Andrew Livingston sind nicht nur Aufsichtsräte, sondern vertreten auch Ismaik als Gesellschafter. Eigentlich, so müsste man annehmen, müsste die Gesellschafterversammlung der Kommanditaktionäre aus Präsidium (als gewählte Vertreter des e.V.) sowie Hasan Ismaik bestehen. Einen direkten Dialog möchte Ismaik allerdings nicht.

Jährliche Finanz- und Investitionsplanungen unter Berücksichtigung der geplanten Spielerein- und Verkäufe bedürfen der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrates. Genauso wie Rechtsgeschäfte der Gesellschaft, die den Rahmen der jährlichen Finanz- und Investitionsplanung überschreiten. Die Budgetplanung für die kommende Saison ist also wesentlich von HAM International abhängig. Und zwar unabhängig davon, ob man nun von vom Gesellschafter direkt Geld annimmt oder nicht. HAM International leistet eine Bürgschaft. Und aufgrund dieser Bürgschaft müssen Mehreinnahmen, in welcher Form auch immer, im Aufsichtsrat und mit HAM International abgestimmt werden. So wenig Einfluss, wie der Aufsichtsratsvorsitzende Saki Stimoniaris in einem Interview zuletzt angedeutet hatte, hat der Aufsichtsrat und HAM International also nicht. Die Budgetplanung ist sehr wohl abhängig von deren Zustimmung. Entsprechend muss man auch dafür Verantwortung übernehmen.

Auch der Erwerb, die Belastung oder Veräußerung von Grundstücken, sowie die Errichtung von Gebäuden erfordert die vorherige Zustimmung des Aufsichtsrates. Ein gutes Beispiel ist das geplante Hallenprojekt. Die TSV München von 1860 GmbH & Co KGaA muss eine Sporthalle bauen, das ist im Erbpachtvertrag zu geregelt. Finanziell stemmen kann es die KGaA allerdings nicht. Deshalb hat der TSV 1860 e.V. angeboten, den Hallenbau zu übernehmen. HAM International blockiert das Projekt im Aufsichtsrat.

Geschäfte von “grundlegender Bedeutung”, insbesondere Rechtsgeschäfte der Gesellschaft, die den Rahmen der jährlichen Finanz- und Investitionsplanung überschreiten, bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrates.

Operatives Geschäft

Keinen Einfluss hat der Aufsichtsrat auf das operative Geschäft. Hier hat die GeschäftsführungsGmbH direkten Einfluss, sie ist gegenüber der Geschäftsführung weisungsbefugt. Heißt: das Präsidium kann im Namen des e.V. den Geschäftsführern Weisungen erteilen. Das ist jedoch äußerst selten der Fall. Weil man hierfür ja die Geschäftsführung hat, die entsprechend auch die Kompetenz besitzt. Wer glaubt, dass der e.V. der Geschäftsführung die Anweisung erteilt hat, dass Köllner zu entlassen ist, der täuscht sich gewaltig. Es würde auch schlichtweg keinen Sinn machen. Köllner wurde alleine aus sportlichen Gründen durch Pfeifer und Gorenzel entlassen. Warum dauerte das dann so lange, bis man einen Nachfolger hatte? Der Grund ist relativ simpel. Für den einen oder anderen Kandidaten wäre im Budget noch Geld vorhanden gewesen. Die Geschäftsführung trug dem Aufsichtsrat jedoch verschiedene Optionen vor. Auch Optionen, bei denen man die “jährliche Finanz- und Investitionsplanungen” verändern hätte müssen. Das war im Endeffekt ein “guter Wille”, den man da zeigte. Der aber die ganze Sache verzögerte.

Gesellschaftertaktik statt Sachpolitik

Blockieren HAM International oder der TSV München von 1860 e.V. verschiedene Themenbereiche? Das wollen wir abschließend gar nicht beantworten. In der Öffentlichkeit zeigt sich jedoch das Bild, dass bestimmte Themen einfach “versanden”. Es werden Themen angesprochen und dann nicht mehr explizit weiter verfolgt. Es gibt wohl für einzelne Themen keine federführende Verantwortlichen, die am Ball bleiben und die Gesellschafter immer wieder an ihre Verantwortung erinnern. Aktuell muss der TSV 1860 München immer und immer wieder von außen daran erinnert werden, dass es offene Themen gibt. Sei es durch den DFB (zum Beispiel, wenn es um die Lizenz geht), sei es durch Fanorganisationen (zum Beispiel Stadionfrage) oder durch Stadt oder Medien.

Vieles wird praktisch ausgesessen. Egal ob Turnhalle, Stadion oder Budgetplanung. Und wenn es dann wieder thematisiert wird? Dann gibt es viele Häuptlinge, die glauben etwas sagen zu müssen, und zu wenige Indianer, die sachorientiert die Themen angehen. Immer wieder setzt sich jemand in Szene und nutzt dabei die Unsicherheit der Öffentlichkeit im Hinblick auf das komplexe Konstrukt. Solange niemand wirklich weiß, wer nun tatsächlich Verantwortung hat, so lange wird grundsätzlich immer Verunsicherung bei den Fans herrschen. Und so lange sind sie vor allem eines: manipulierbar. Ständig versuchen die Gesellschafter taktisch die Öffentlichkeit für sich zu gewinnen, statt für die Projekte. Das wirkliche Potential der Löwen nutzt kaum jemand.

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