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Was fehlt den Löwen? Ein Kommentar zur aktuellen Lage

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Der TSV 1860 München tritt in vielen Bereichen auf der Stelle. Aus meiner persönlichen Sicht hat das vor allem mit einer Tatsache zu tun: die Löwen wollen nicht polarisieren, sondern medial bei schwierigen Themen möglichst unter dem Radar fliegen. Man hat die Samthandschuhe ausgepackt und streichelt den Giesinger Frieden, als wäre er die heilige Bibel. “Störfaktoren” wie Kritik versucht man auszublenden oder einzudämmen, statt ihnen zu begegnen und sich zu stellen. Ein Kommentar zur aktuellen Lage.

“Vom Winde verweht” so titelt der TSV 1860 München seinen eigenen Sportbericht nach dem Spiel des TSV 1860 München gegen Waldhof Mannheim. Zumindest das Budget für den Kader des TSV und für den Film dürfte in etwa gleich sein. Das Ergebnis ist es nicht. Und hinter dem Faktor “Wind” darf man sich ohnehin nicht verstecken. Tut man aber irgendwie. Weil, es klingt romantisch. Vor allem die inviduellen Fehler in der ersten Halbzeit waren jedoch der Grund für das Endergebnis. Eine positive Serie, wie jüngst angekündigt, gibt es momentan noch nicht. Die Leistung gegen Waldhof war ein Schlag ins Gesicht. Vor allem für diejenigen, die trotz wehendem Wind auf den Rängen die Mannschaft anfeuerten. Und sich tierisch darüber ärgerten, dass man einer derart arroganten Mannschaft wie Waldhof Mannheim die Bühne überließ.

Es muss etwas geschehen. Und zwar auf vielen Ebenen. Man muss vor allem eines: die Samthandschuhe ausziehen. Auf den Tisch hauen und Klartext sprechen. Aber irgendwie hat man das Gefühl, dass die Löwen vor allem eines nicht haben: Alpha-Tiere. Zwar wirkt es nach außen so, als gäbe es viele Häuptlinge und wenig Indianer, weil jeder sich immer als großes Ganzes des TSV 1860 München sieht. Inklusive Mediatoren oder sonst irgendwelchen eigentlich Außenstehenden. Aber im Endeffekt ist jeder eben nur ein Indianer. Und duckt sich, wenn es mal einen medialen Pfeilhagel gibt.

Auf dem Platz zum Beispiel. Eine Hierarchie ist dort nicht zu erkennen. Als sich Keanu Staude den Ball nimmt und sich am Elfmeterpunkt zurecht legt, sind alle auf den Rängen verwundert. Warum er? Nun, die Antwort ist vielleicht einfacher als gedacht. Nicht weil er “Verantwortung übernommen” hat, so wie Michael Köllner später in der Pressekonferenz erklärt, sondern weil es irgendwie keine Hierachie gibt. Und weil nicht klar ist: Wer hat denn nun Verantwortung und in welchem Bereich? Ein Gruppe benötigt starke Bezugspersonen. Führungsspieler, Trainer oder Betreuer und Manager. Bei den Löwen, so scheint es, besteht eine Diskrepanz im Hinblick auf die Wahrnehmung wo sich welcher Spieler in der Mannschaftshierarchie befindet. Vor allem muss man sich dabei fragen, wo Sascha Mölders ist? Er ist der erfahrenste und älteste Spieler. Um ihn ist es allerdings ruhig geworden. Medial ist stattdessen wohl Richard Neudecker in den Vordergrund gerückt. Er sprach vor dem Spiel gegen Waldhof von einer “wegweisenden Woche” und er war es, der in der VIP-Alm den Spieltag ausklingen ließ. “Wir haben die erste Halbzeit komplett verpennt, wir haben miserabel gespielt”, so meint Richie kritisch. Es sieht so aus, als würde er den Häuptling spielen. Machen wir uns nichts vor, er ist ein netter Kerl. Aber ob ihm die Alpha-Rolle liegt?

Den Löwen fehlt es an Führung. Und an polarisierenden Charaktern. Ja, mir ist bewusst, dass viele Fans eigentlich die Schnauze voll haben von polarisierenden Einzelpersonen. Weil das oft schief ging bei den Löwen. Aber es sind eben einzelne individuelle Charaktere wie Boris Becker im Tennis, Franziska van Almsick im Schwimmen oder Magdalena Neuner im Biathlon, die Medienvertreter bedienten und das Verhältnis zwischen Medien, Wirtschaft, Sport und Pubilikum stabilisierten. Vergangenes Jahr war es Sascha Mölders, der zumindest ein wenig diese medienbedienende Rolle übernahm. Was nachher sogar in einem eigenen Merchandising sichtbar wurde, aber danach die eigentliche Rolle vermissen ließ. Oder auch Michael Köllner, der scherzend und mahnend ein gewisses Enterainment bot. Mittlerweile wirkt er frustriert, nachdenklich, entschuldigend, erklärend.

Man versteckt man sich hinter einem scheinbar entwicklungsorientierten Fußball-Klub, der sich nur schleppend entwickelt. Einige Fans verlieren dabei das Interesse. Sponsoren kommen aktuell zwar immer noch dazu, weil die Ruhe vermeintlich gut tut, aber auch das hat seine Grenzen, wenn es nicht vorwärts geht. Die Medien hauen auf die Löwen ohnehin nicht mehr drauf.

Auch in der Geschäftsführung der KGaA gibt es nicht so wirklich eine klare Ordnung, so scheint es nach außen. Bringt man mal von außen Kritik an, dann spricht man seitens der Verantwortlichen immer nur vom Team. Vom Gemeinsam. Dass man das intern im “kleinen Team” besprechen muss und sich dann meldet. Macht man oft dann nicht. Der Teamgedanke ist ja schön und gut. Aber bei den Löwen benötigt es vor allem Entscheider. Man kann über alles reden, am Ende muss stets jemand eine Entscheidung treffen und gegebenenfalls dafür auch die Verantwortung übernehmen. Stattdessen sind die Löwen bemüht, nicht nur das immer wiederkehrende “Gemeinsam” zu unterstreichen, sondern auch die Medien dahingehend zu lenken. Bitte ja nicht über den Gesellschafter berichten, bitte bloß nicht erwähnen, dass man eigentlich überhaupt keinen direkten Kontakt zu Hasan Ismaik hat. Muss das jetzt sein, dass ihr erwähnt, wie wenig Spenden aus der Weihnachtstrikot-Aktion herauskommen? Man will ja den Giesinger Frieden nicht gefährden. Und vor allem denjenigen nicht, mit dem man aktuell keinen direkten Kontakt hat. Derjenige, der übrigens aktuell herzlich wenig Samthandschuhe anhat, wenn er bei seinen politischen Aktivitäten im arabischen Raum kritisiert wird. Da schreibt er unter Kommentare auch gerne mal, dass seine Kritiker irregeführte naive Lügner sind. Und das ist noch harmlos.

Dass wieder bis zum Jahresende Darlehen umgewandelt werden müssen, dass man Entscheidungen im Hinblick auf die Erbpacht treffen muss, ja das wird dann einfach eben nicht thematisiert. Jüngst meinte ein Mediator der Löwen zu mir, er hätte die Print-Medien im Griff und die würden einsehen, dass es nur gemeinsam geht und man nicht ständig einen einzelnen Gesellschafter thematisieren muss. Ich dachte erst, dass sei ein Witz. Ich kenne keine Zeitung die sich da auch nur annähernd etwas vorschreiben lässt. Nun ja, vielleicht haben die Print-Medien einfach auch das Interesse ein Stück weit verloren. Es geht eben nichts vorwärts. Und die Löwen polarisieren nicht – sondern bieten hie und da mal einen Sack Reis an, der an der Grünwalder Straße umfällt.

Wir Fans wollen vor allem eines. Einen leidenschaftlichen Fußball. Ganz egal ist es mir natürlich nicht, ob man nun 2:0 gewinnt oder mit der gleichen Leidenschaft und dem gleichen Herzblut “nur” ein Unentschieden raus holt. Aber ich will Kampfgeist sehen. Und das muss eben im gesamten Profifußball-Klub gelebt und erarbeitet werden.

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