Ein Kommentar
Präsident Robert Reisinger schottet sich ab. Ein Interview mit dem BR für die Sendung Blickpunkt Sport hat er abgesagt. Das wird von manchen Seiten kritisiert. Doch politisch gesehen ist es eine folgerichtige und vor allem wichtige Entscheidung gewesen. Es ist die einzige Möglichkeit, dem Dauerwahlkampf 1860 bis zur Verkündung der Kandidaten für das zukünftige Präsidium zu entfliehen. Einen Wahlkampf gibt es ja satzungsgemäß eigentlich nicht, sondern ein Bewerbungsverfahren.
Bremsfaktor für Sachpolitik
Seit Sommer 2017 ist Reisinger Präsident des TSV 1860 München. Es gibt wichtige aktuelle Themen, die angepackt werden müssen. Der Verein benötigt dringend eine Halle. Die Gemeinnützigkeit muss geklärt werden. Die Stadionfrage ist zentrales Thema. Im Mittelpunkt bei 1860 steht scheinbar jedoch etwas völlig anderes: Es ist Dauerwahlkampf. In der Politik weiß man, dass dies zu einer Lähmung politischer Reformbereitschaft führen kann. „Wahlkampf statt Sachpolitik“ ist ein Bremsfaktor in allen politischen Bereichen.

Entwicklung sichtbar
Kein Jahr verging seit der Wahl von Robert Reisinger zum Präsidenten des TSV München von 1860 als bereits das Team Profifußball ihn quasi in den ersten Wahlkampf zwang. Zwar wurde dieser vor allem auf dem Rücken der Verwaltungsratskandidaten ausgetragen, eine sachpolitische und vor allem dem Verein dienliche Konsolidierung wurde jedoch sicherlich stark ausgebremst. Die politischen Störfeuer waren deutlich sichtbar. Reisinger ließ sich zumindest nach außen hin kaum etwas anmerken. Es gab Gespräche mit der Stadt München im Hinblick auf die Hallensituation. Verschiedene Modelle wurden diskutiert. Fortschritte gab es zudem im Bereich des Behindertensports. Auch im Hinblick auf das Grünwalder Stadion gab es Gespräche mit Architekten. Relativ zügig kam es schließlich sogar zu einer Machbarkeitsstudie durch die Stadt München. Zügig? Nun ja, die Fans sind ungeduldig. Aber für die Stadt München ist das durchaus eine sehr rasche Entwicklung. Sicherlich auch, weil man unter Druck steht und weiß, dass eine schnelle Entscheidung wichtig ist. Eines ist klar: Die Stadt lehnt sich nicht weit aus dem Fenster, aber man spürt, dass die Thematik für sie wichtig ist und der Verein ihr am Herzen liegt.
Bereits zweiter „Wahlkampf“
Fast wäre Robert Reisinger in den nächsten „Wahlkampf“ gestürzt. Saki Stimoniaris hat frühzeitig auf sehr populistische Weise zu verstehen gebracht: Er ist mit der Vereinspolitik nicht zufrieden. Dass er das alleine schon aufgrund seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat von HAM International nicht sein kann, ist eine logische Konsequenz seiner aktuellen Rolle. Denn es sollte jedem klar sein, dass der Gesellschafter aus Abu Dhabi vor allem eines möchte: die KGaA für weitere Darlehen offenhalten. Im Hinblick auf die Gründe dahinter kann man spekulieren. Aber Stimoniaris tritt eben als Fürsprecher von HAM International auf. Seine Bewerbung für das Amt des Präsidenten hat er medienwirksam kommuniziert. Und er hat damit sehr frühzeitig einen Wahlkampf begonnen, der eigentlich der Sache nicht dienlich ist. Es ist im Endeffekt eher ein „Bewerbungskampf“. Die Wahrheit ist jedoch, dass im Verein die Sachpolitik wieder durch Wahlkampf verdrängt wird. Es sei denn, man lässt sich nicht darauf ein. Genau das tut Robert Reisinger. Es ist jedoch gut möglich, dass er sich nach der Bekanntgabe einer möglichen Kandidatur äußert. Das sollte er zumindest tun. Bis zur Mitgliederversammlung erwarten viele klare Aussagen. Eben zur Gemeinnützigkeit, zur Hallensituation und auch zum Fortschritt im Hinblick auf das Stadion.
Satzungsänderung wäre sinnvoll
Mehr Sachpolitik. Gut wäre im Hinblick auf diese Thematik eine klare Satzungsänderung. Die Wahl des Verwaltungsrates und des Präsidiums müsste ins gleiche Jahr fallen. Um auch tatsächlich eine dreijährige Amtsperiode zu ermöglichen. Und um einen Dauerwahlkampf zu verhindern. Auch für einen erneuten Antrag, mehrere Kandidaten in die Präsidiumswahl zu schicken, sollte man offen sein.
Aufsichtsrat am Sonntag
Am Sonntag soll es eine Aufsichtsratssitzung geben. Als Fan und als Mitglied kann man sich nur wünschen, dass man auf sachlicher Ebene die Wünsche und Bedingungen der beiden Gesellschafter austauscht und Lösungen findet, die beiden Parteien möglichst gerecht werden. Kompromisse sind sicherlich auf beiden Seiten notwendig. In einigen Punkten wird es jedoch auch klare Grenzen geben. Aus Sicht des e.V. ist es die Nichtannahme von Genussscheinen oder Darlehen. Die Absichten des Präsidiums sind ohnehin aktuell klar. Man möchte einen Konsolidierungskurs. Der Verein soll gesunden. Man wünscht sich, dass man die U21 und U19 in den Verein zurückgliedert. Um rund eine Million Euro als zusätzliches Budget für die Profis zu haben. Mit Spannung erwartet man die kommende Aufsichtsratssitzung. Die Fans und Mitglieder erwarten Ergebnisse.