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Munich, Germany: November 9, 1923 The public square in Munich which was the center of the Bavarian Royalist revolt last night which appears to have failed. The Beer Hall Putsch was led by Von Ludendorff and Hitler. Underwood Archives / The Image Works PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY xUnderwoodxArchives 9-Ger10

Vor 100 Jahren – der TSV 1860 München in der Saison 1923 / 24

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Die Saison 2023/24 hat bereits begonnen. An diesem Wochenende findet allerdings kein Spiel statt. Wir werfen deshalb einen interessanten Blick auf die Saison 1923/24. Also genau 100 Jahre vor der aktuellen Drittliga-Saison der Löwen. Politisch war zu der Zeit eine hochgradig gefährliche Stimmung in München. Vor allem der Hitlerputsch am 8. und 9. November prägte die damalige Zeit. Wir blicken allerdings davon losgelöst auf das Fußballjahr der Löwen.

Die neue Bezirksliga

Die Saison 1923/24 begann mit einer Neuerung, denn mit ihr wurde im süddeutschen Raum die Bezirksliga eingeführt. Noch in der Vorsaison stellten die Kreisligen die höchste Spielklasse dar. Von den jeweils 8 Teilnehmern der 10 Kreisligen qualifizierten sich jeweils die 4 Ersten für die 5 neuen Bezirksligen. 1860 gelang die Qualifikation für die Bezirksliga Bayern als Tabellenzweiter der Kreisliga Südbayern 1922/23 scheinbar souverän. Dennoch war dann der Klassenerhalt 1923/24 keine Selbstverständlichkeit. Einerseits war der Niveauunterschied der südbayerischen Vertreter relativ gering, andererseits bildete man ausgerechnet zusammen mit der Kreisliga Nordbayern die neue Bezirksliga. Die Nordbayerische Kreisliga galt als sehr spielstark, war da doch nicht nur der Deutsche Meister der Saisons 1919/20 und 1920/21, der 1. FC Nürnberg, ansässig, sondern auch die SpVgg Fürth, die just in der Vorsaison Süddeutscher Meister geworden war. Mit diesen beiden Vereinen sowie dem FC Bayern galt die Bezirksliga Bayern als die Stärkste der Bezirksligen im süddeutschen Raum. 1860 wurde in der Liga als kämpferische, aber spielerisch limitierte Mannschaft angesehen, die in anderen Bezirksligen vermutlich zu den Favoriten gezählt hätte.

Die ersten Spiele

Somit überraschte der Fehlstart von 1860 in die Saison wenig, die ersten beiden Spiele beim MTV Fürth und zu Hause gegen den FC Nürnberg gingen mit jeweils 0:1 verloren.  Die ersten Tore und der erste Sieg für 1860 waren also im dritten Spiel der Saison fällig, ausgerechnet im Derby gegen den FC Bayern München. Das Spiel fand vor ca. 10.000 Zuschauern am Teutoniaplatz statt. Es muss erwähnt werden, dass es sich um ein Doppelspiel handelte, d.h. direkt davor gewann Wacker gegen den MTV Fürth mit 1:0.

In einem intensiven Spiel schoss Franz Piehler nach knapp einer halben Stunde das erste Tor der Saison für 1860 im Nachschuss zur Führung, die allerdings kaum 10 Minuten später zum Halbzeitstand egalisiert wurde. Nach der Pause ging es Schlag auf Schlag. Es dauerte gerade mal 5 Minuten, da hatte der FCB das Spiel gedreht. Sie konnten sich aber nicht lange an der Führung erfreuen, den Joszef Karoly glich in der 59. Minute für 1860 aus und Karl Faubel brachte 1860 in der 66. Minute erneut in Führung. Nur drei Minuten später war die Führung allerdings schon wieder Vergangenheit und es stand 3:3 unentschieden. Auf der Anzeigetafel wurde das Geschehen anschließend etwas ruhiger, auf dem Platz jedoch nicht. Zunächst zirkelte der FCB einen Fernschuss an die Latte, später verschoss 1860 in Person von Karl Faubel einen Elfmeter. Erst kurz vor Ende kam es zur Entscheidung, als Franz Piehler mit seinem zweiten Tor des Tages den 4:3 Entstand für 1860 erzielte.

franz piehler tsv 1860 1
Franz Piehler, TSV 1860 München

Die nächsten beiden Spiele, zu Hause gegen den Nürnberger FV und auswärts bei der SpVgg Fürth endeten jeweils 1:1 unentschieden. Das Spiel gegen den NFV sahen über 5.000 Zuschauer an der Grünwalder Straße. In dem ereignisarmen Spiel egalisierte Joszef Karoly die Führung der Nürnberger und Torhüter Max Kob quälte sich, sichtlich angeschlagen wegen einer Verletzung aus dem Derby, durch das Spiel. Die Bewertung des zweiten Spiels bei der SpVgg Fürth stellte die ewig junge Frage, ob das Glas eher halb voll oder halb leer war. Einerseits kamen die Fürther gerade von einer anstrengenden Freundschaftsspielreise aus Spanien zurück, auf der sich zudem einige Spieler verletzt hatten. Andererseits waren die Fürther klar favorisiert und 1860 dominierte das Spiel insbesondere in der ersten Hälfte klar. So verschoss Heinz Rumpf einen Elfmeter kurz nach der Fürther Führung und ein weiterer Elfmeter hätte für 1860 gegeben werden müssen.

max kob tsv 1860IMAGO / Otto Krschakc
Torwart Max Kob

Derby gegen Wacker München

Als nächstes stand wieder ein Derby an. Diesmal ging es gegen Wacker München. Das Unentschieden in Fürth und der Sieg gegen den FCB hatten gewisse Erwartungen geweckt, die sich nach dem Spiel gegen Wacker auch auf der Tabelle widerspiegeln sollten. Aber Wacker war 1860 wohl in allen Belangen überlegen. Das 2:1 war recht schmeichelhaft, wenngleich 1860 in den Schlussminuten noch zu einem glücklichen Unentschieden hätte gelangen können.

Das Spiel gegen Wacker schien die Frage „Quo vadis, 1860?“ auf bittere Weise beantwortet zu haben. Da kam der nächste Gegner wohl gerade recht, die Schwaben aus Augsburg, die in der laufenden Liga noch nicht einen Punkt erringen konnten und damit abgeschlagen am Ende der Tabelle rangierten. Doch das Spiel sollte kein Selbstläufer werden, denn die Augsburger gingen direkt in Führung. Der Ausgleich von 1860 durch Karl Faubel wurde noch in der gleichen Minute gekontert. Der nächste Ausgleich durch Franz Piehler allerdings hatte nicht nur Bestand, 1860 konnte die Partie durch Hermann Harlander und Karl Faubel zum 4:2 drehen. Zumindest erzielten die Augsburger noch vor der Pause den Anschlusstreffer. Die zweite Hälfte bot weniger Tore, dafür umso mehr an Spannung, denn in der 71. Minute glich Augsburg zum 4:4 aus. Per Elfmeter brachte Hermann Harlander 1860 erneut in Führung, die diesmal Bestand hatte.

Blick auf die Tabelle

Das war das 7. Ligaspiel von 1860 in der damaligen Saison. Damit hatte 1860 die Hälfte seiner Spiele absolviert und ein Blick auf die Tabelle verrät, wie unheimlich wichtig dieser Sieg war.

PlatzVereinSpieleSUNPunkteTore
1FCN761013:118:1
2FV Nürnberg62317:511:8
 SpVgg Fürth62317:57:7
4Wacker53026:47:7
5FCB63036:618:17
6186072236:812:13
7MTV Fürth72145:99:16
8Schwaben Augsburg60060:129:22
Tabelle Bezirksliga Bayern 1923/24, Stand 01.11.1923

Am Anfang und am Ende der Tabelle schien jeweils bereits Klarheit zu herrschen. Der FCN thronte mit nur einem Minuspunkt und nur einem Gegentor an der Spitze der Tabelle und war damit designierter Bezirksligameister. Dieser Platz erlaubte die Teilnahme an der Süddeutschen Meisterschaft, für die die SpVgg Fürth als Süddeutscher Meister des Vorjahres bereits qualifiziert war. Umgekehrt konnte Schwaben Augsburg noch nicht einen Punkt erringen und war somit vermeintlich der erste von zwei Absteigern. Zwischen Rang 2 und Rang 7 schien noch alles möglich zu sein, die Vereine trennten nur zwei Pluspunkte. Durch den Sieg gegen Schwaben Augsburg überholte 1860 den MTV Fürth und kletterte auf den 6. Rang, verließ also die Abstiegszone. Zwar hatte Sechzig die gleiche Zahl an Pluspunkten wie der FCB und Wacker, und auch auf den Zweiten der Tabelle fehlte nur ein Punkt, allerdings hatte Sechzig auch bereits mehr Spiele absolviert als die meisten der Konkurrenten. Eine Leistungssteigerung in der 2. Saisonhälfte war also stark anzuraten.

Die zweite Saisonhälfte

Die zweite Saisonhälfte begann für Sechzig mit einem Duell gegen die Rothosen. Wie das Hinspiel sollte auch dieses Spiel torreich werden. Zunächst ging der FCB in Führung, dann drehten Joszef Karoly und Karl Faubel die Partie. Durch einen Elfmeter in der letzten Minute der ersten Halbzeit glich der FCB aus. In der zweiten Halbzeit brachte Karl Faubel 1860 erneut in Führung, die aber 10 Minuten vor Abpfiff zum Endstand ausgeglichen wurde. Da drei Tage später die MTV die Mannschaft von Fürth Wacker deutlich besiegte, stürzte Wacker vom 4. Platz auf einen Abstiegsplatz. Davor rangierten 4 Vereine, u. a. 1860 mit nur einem Pluspunkt mehr bei unterschiedlicher Anzahl von Spielen auf den Plätzen 3 bis 6.

karl faubel tsv 1860IMAGO / Otto Krschakc
Karl Faubel, TSV 1860 München

Drei Wochen später hatte Sechzig den MTV Fürth zu Gast, die vorher, während 1860 spielfrei hatte, zwei Partien absolvierten, gegen den FCN und die SpVgg Fürth, die sie beide mit 1:4 verloren. Somit waren Sechzig und der MTV weiterhin Pluspunktegleich, jedoch hatte der MTV ein paar Spiele mehr absolviert. Allerdings handelte es sich bei diesen beiden Spielen um Partien gegen die beiden besten Mannschaften der Liga. Man konnte es drehen und wenden wie man wollte, die Partie war von höchster Bedeutung. Franz Piehler schoss 1860 in der ersten Halbzeit in Führung, Maierthaler erhöhte in der zweiten Halbzeit. Den Fürthern war nur noch der Anschlusstreffer vergönnt, wodurch Sechzig dieses „4-Punkte-Spiel“ für sich entscheiden konnte.

Eine Woche später gastierten die anderen Fürther, die Spielvereinigung, an der Grünwalder Straße. Erneut schossen Maierthaler und Piehler die Tore für Sechzig, nur in anderer Reihenfolge. Da Fürth torlos blieb, war die Überraschung geschafft. Bei einer so engen Tabellensituation wirkten sich zwei Siege in Folge direkt stark aus. Der TSV sprang auf den 4. Tabellenplatz. Inzwischen hatte man 4 Pluspunkte mehr auf dem Konto als Wacker München, die bei nur einem Spiel weniger auf dem ersten Abstiegsplatz standen. Dazwischen rangierte außerdem der MTV Fürth, der weniger Pluspunkte als Sechzig bei mehr Spielen verzeichnet hatte. Die Situation entspannte sich also deutlich.

So deutlich, dass man ein klein wenig nach oben schielte. Mit 7:1 Punkten aus den letzten vier Spielen reiste 1860 nach Nürnberg zum klaren Tabellenführer, der allerdings kürzlich eher am Schwächeln war. Aus den letzten drei Spielen holte der FCN nicht nur lediglich 1:5 Punkte, sondern verlor am Wochenende davor sogar mit 2:4 gegen das abgeschlagene Tabellenschlusslicht Schwaben Augsburg. Wer bei dieser Ausgangslage ein hochklassiges Spiel erwartet oder erhofft hatte, wurde enttäuscht. Stattdessen entwickelte sich eine äußerst chancenarme Partie, die der FCN durch ein Weitschusstor mit 1:0 für sich entscheiden konnte.

Das letzte Ligaspiel

Das letzte Ligaspiel der Saison von Sechzig fand an der Grünwalder Str. gegen Schwaben Augsburg statt. Zur Erinnerung, das Hinspiel endete knapp 5:4 für die Löwen, obwohl die Augsburger zu diesem Zeitpunkt nach fünf Partien punktlos am Tabellenende standen. An der Tabellenplatzierung hatte sich seither nichts geändert, aber die Augsburger konnten in der Zwischenzeit immerhin 6 Punkte sammeln und dabei, wie oben bereits geschrieben, unter anderem den Tabellenführer besiegen. Dennoch war der Augsburger Abstieg seit dem vorherigen Wochenende besiegelt, denn sie verloren gegen den MTV Fürth. Es sollte eine Ironie der Fussballgeschichte werden, dass Schwaben Augsburg ihren letzten Punktgewinn der Bezirksligasaison ausgerechnet beim Sieg gegen den späteren Deutschen Meister FCN erringen konnten. D. h. Sechzig gewann das Spiel durch ein Eigentor sowie durch zwei Treffer von Piehler.

Zeitgleich besiegte der FCN die SpVgg Fürth und sorgte damit für die nächste Entscheidung der Saison, denn die Nürnberger waren damit nicht mehr von der Spitze zu verdrängen. Damit war der FCN, genauso wie die SpVgg Fürth, als Süddeutscher Meister des Vorjahres für die Süddeutsche Meisterschaft qualifiziert.

Die restliche Bezirksligasaison tröpfelte so dahin. In den kommenden Monaten wurde maximal ein Spiel pro Wochenende angesetzt. 1860 hatte sein nächstes Spiel erst im März. Vor dem Derby gegen Wacker waren die Löwen noch nicht gerettet, ein Punkt aus den zwei noch ausstehenden Spielen fehlte zum rettenden Ufer. 1860 beherrschte das Spiel und ging verdient durch Joseph Grimm in Führung. Obwohl feldüberlegen, verpassten sie es, einen zweiten Treffer nachzulegen und so glich Wacker in der 2. Halbzeit aus. Das Unentschieden sicherte 1860 endgültig den Klassenerhalt. Für Wacker war es eigentlich zu wenig, denn sie schwebten weiterhin in akuter Abstiegsgefahr.

Das letzte Spiel war damit aus Löwensicht nicht mehr ganz so wichtig. Das heißt aber nicht, dass es nichts mehr zu erreichen gäbe. Bei einem Sieg gegen den Nürnberger FV und einem günstigen Verlauf der anderen Spiele wäre Tabellenplatz zwei erreichbar. Um sich vor den Rothosen zu platzieren hätte der Sieg im Abschlussspiel gereicht. Für die Nürnberger ging es noch um den Klassenerhalt, den sie in ihrem letzten Spiel klar machen konnten. Beim 2:1-Sieg des NFV schoss Ratter in seinem einzigen Spiel der Saison das Tor für 1860. Mit dem Spiel war die Ligasaison fast beendet. Bis auf zwei Spiele, die eine eigene, erzählenswerte Geschichte haben.

PlatzVereinSpieleSUNPunkteTore
1FCN1492320:827:8
2SpVgg Fürth1263315:926:16
3FCB1471615:1336:31
 FV Nürnberg1455415:1321:21
518601454514:1424:21
6MTV Fürth1461713:1523:31
7Wacker1242610:1417:24
8Schwaben Augsburg1422106:2224:46
Tabelle Bezirksliga Bayern 1923/24, Stand 16.03.1924

Das Fernduell Wacker gegen MTV Fürth um den Abstieg

Zum Abschluss der Saison kam es zu einer sehr erwähnenswerten Kuriosität. Anfang Februar 1924 war die Bezirksligameisterschaft – zumindest an der Spitze – entschieden. Deshalb begann die nächste Runde, die Süddeutsche Meisterschaft, für die sich der FCN und die SpVgg Fürth qualifiziert hatten. Die fehlenden Spiele wurden peu à peu bis in den März hinein abgearbeitet. Mit Ausnahme von zwei Spielen, den beiden Spielen zwischen Wacker München und der SpVgg Fürth. Es war nicht von vorneherein geplant, diese Spiele ans Ende der Saison zu legen. Frühere Ansetzungen mussten z.B. witterungsbeding abgesagt werden. Für Fürth ging es bei diesen Spielen um nichts mehr, im Gegenteil, der Fokus lag auf den anderen Wettbewerben. Für Wacker und für den MTV Fürth als Zuschauer hingegen ging es um den Klassenerhalt. Wacker musste in den beiden Spielen gegen die favorisierte SpVgg drei Punkte auf die MTV aufholen, um sich in ein Entscheidungsspiel zu retten.

Die SpVgg Fürth bestritt zunächst die Süddeutsche Meisterschaft und beide nahmen an dem im Januar begonnenen Süddeutschen Pokal teil. Anschließend wurden die beiden fehlenden Spiele terminiert. Man einigte sich darauf, die beiden Spiele an zwei aufeinanderfolgenden Tagen Ende Mai in München zu absolvieren. Überraschenderweise konnte Wacker beide Spiele gewinnen, das erste Spiel mit 2:0, das zweite mit 2:1. Somit konnte Wacker sogar die Klasse direkt halten die MTV Fürth rutschte auf den Abstiegsplatz.

Damit endete die Geschichte aber nicht, im Gegenteil, es fing im Prinzip gerade erst an, denn der MTV wollte das Ergebnis so nicht hinnehmen. Obwohl damals gar nicht so unüblich, wurde dem Protest des MTV stattgegeben, dass beide Spiele in München stattfanden. Deshalb wurde das zweite der beiden Spiele annulliert und sollte in Fürth wiederholt werden. Dieses Spiel hat aber nie stattgefunden. In den Quellen wird das einerseits mit dem mangelnden Interesse der SpVgg an dem Spiel, andererseits mit der „bösartigen Haltung der MTV-Anhänger“, die ein Spiel auf dem Fürther Platz unmöglich machen würden, begründet.

Zwei Monate nach den beiden Spielen, auf dem Verbandstag am 26.07.1924 in Aschaffenburg, einigte man sich auf die Austragung eines Entscheidungsspieles zwischen Wacker und MTV auf neutralem Platze. Zunächst sollte das Spiel am 10.08.1924 in Stuttgart stattfinden. Aufgrund der Jubiläumsveranstaltung der Stuttgarter Kickers war der Austragungsort jedoch schon belegt. Die erste Alternative, Augsburg, wurde von Fürth wegen mangelnder Neutralität, abgelehnt. Die Wahl fiel dann auf Ulm. Allerdings wurde der Termin sehr kurzfristig um eine weitere Woche verlegt. So kurzfristig, dass man in Ulm auf die Schnelle ein Freundschaftsspiel zwischen Wacker und Ulm organisierte, um die zahlenden Zuschauer nicht zu verärgern. Der neue Termin lag genau zwei Tage nach einem bereits vereinbarten Freundschaftsspiel zwischen Wacker und den Wiener Amateuren (ja, so heißt der Verein wirklich) und so wurde das Spiel nach einigen Diskussionen um eine weitere Woche auf den 24.08.1924 verlegt. Austragungsort war Stuttgart, denn Fürth empfand inzwischen auch Ulm als nicht neutral genug. An diesem Tag und an diesem Ort wurde dann tatsächlich gespielt. Wacker setzte sich in einem umkämpften Spiel wohl verdient knapp mit 1:0 durch. So hatte die Bezirksliga Bayern ein halbes Jahr nach ihrem eigentlichen Ende auch ein Endergebnis. Bereits zwei Wochen später startete Wacker in die nächste Saison, gegen 1860 München. Aber das ist eine andere Geschichte.

Der Süddeutsche Pokal

Die Pokalrunden waren seinerzeit anders aufgebaut als im heutigen DFB-Pokal. In der ersten Runde konnte 1860 nur auf Gegner aus dem südbayerischen Raum treffen. Die zehn Teilnehmer standen Mitte Januar fest. Ab der zweiten Runde war es bereits der ganze bayerische Raum und ab dem Achtelfinale kamen die Gegner aus dem gesamten süddeutschen Raum.

Die Auslosung hatte den TV Memmingen als Gegner in der ersten Runde des Pokals im Januar ergeben, eine Aufgabe, die als eher leicht angesehen wurde. In der 12. Minute verschossen die Löwen einen Foulelfmeter. Dieser Chance trauerten die Löwen lange nach, der Außenseiter konnte das 0:0 sehr lange halten. Der einzige Treffer des Spiels fiel erst in der 86. Minute durch Faubel, wodurch sich der Favorit, etwas glücklich, durchsetzen konnte. 1860 hatte einige Reservisten eingesetzt, vor allem aber mussten die nicht nur witterungsbedingt sehr schlechten Platzverhältnisse als Begründung herhalten.

In der zweiten Runde hatten die Löwen die Eintracht aus Nürnberg zu Gast. Der Underdog konnte 1860 gehörig ärgern. In der 21. Minute gingen die Nürnberger erstmals in Führung, Franz Piehler konnte jedoch nur wenige Minuten später ausgleichen. Noch vor der Halbzeit ging Nürnberg erneut in Führung. Erst in der 66. Minute glich 1860 durch Piehler aus, diesmal konnte Nürnberg nicht mehr kontern. Faubel und Karoly trafen noch für Sechzig, wodurch Sechzig zwar taumelte, aber nicht stolperte. Anders im Übrigen die Rothosen, die in dieser Runde gegen Schwaben Augsburg ausschieden.

In der 3. Runde hatte 1860 ein Freilos und im Achtelfinale kam der Würzburger FV an die Grünwalder Straße. Der Außenseiter schaltete in der ersten Runde den Bezirkslisten MTV Fürth aus. Diesmal sollte 1860 seiner Favoritenrolle jedoch absolut gerecht werden. Zwar dauert es eine gute halbe Stunde bis zum ersten Treffer, aber zur Halbzeit führte 1860 bereits mit 3:0. In der zweiten Halbzeit packten sie noch drei weitere Treffer oben drauf, am Ende stand ein klares 6:0 auf der Anzeigetafel. In dieser Runde war auch für die SpVgg Fürth Schluss, einer der Favoriten auf den Pokalsieg.

Im Viertelfinale musste 1860 gegen den Besieger der SpVgg antreten, gegen Phönix Mannheim. Für diese war der Sieg gegen die SpVgg wahrscheinlich das Highlight einer Saison, die bis dahin zum Vergessen war. In der Bezirksliga Rhein belegten sie mit Abstand den letzten Platz und stiegen mit nur einem einzigen Punkt aus 16 Spielen ab. Die Löwen machten früh klare Sache in dem Spiel. Schon nach sechs Minuten führten sie mit 2:0. Bis zur Halbzeit tat sich nichts mehr, kurz nach Wiederanpfiff gelang den Mannheimern der Anschlusstreffer. Durch einen erneuten Doppelschlag kurz nach der 60. Minute, erhöhte 1860 auf 4:1. Den Mannheimern gelang noch ein weiterer Treffer, Sechzig war eine Runde weiter.

Zum Halbfinale musste 1860 bei den Stuttgarter Kickers antreten. Die Kickers hatten bis dahin eine sehr erfolgreiche Saison gespielt. Als Meister der Bezirksliga Württemberg-Baden qualifizierten sie sich für die Süddeutsche Meisterschaft und wurden dort gewissermaßen best-of-the-rest: D.h. sie rangierten auf Platz drei, hinter dem FCN und der SpVgg Fürth. Trotzdem galten die Löwen als Favorit, weil sie in den Freundschaftsspielen zuvor sehr starke Leistungen gezeigt hatten. So ein Freundschaftsspiel trugen sie nur drei Tage vor dem Halbfinale gegen MTK Budapest aus. Die Erschöpfung aus dem Spiel muss den Akteuren anzusehen gewesen sein, schon nach einer guten Viertelstunde lagen die Löwen mit zwei Toren zurück. Zur Halbzeit stand es bereits 0:3 und die zweite Halbzeit war nicht besser. Am Ende stand ein sensationeller 6:0-Sieg für die Kickers. Im Finale unterlagen sie jedoch der überragenden Mannschaft der Saison, dem FCN, mit 0:1.

Der Halbfinaleinzug war das beste Ergebnis für 1860 in diesem Wettbewerb, ins Finale zog Sechzig nie ein.

“Reinliche Scheidung”

Die ersten Spiele der Saison trat die Mannschaft von 1860 unter dem bekannten Namen „TSV 1860“ an. 1924 vollzog der TSV jedoch die so genannte “reinliche Scheidung”, wonach eine Doppelmitgliedschaft für Vereine beim DFB und bei der Deutschen Turnerschaft nicht mehr möglich war. Der TSV musste sich aufspalten in den TSV 1860 und den SV 1860, dem dann die Fussballabteilung angehörte. 

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