Beim TSV 1860 München wird kurioserweise immer wieder das Demokratieverständnis in Frage gestellt. Ein Vorwurf der nicht nur populistisch, sondern auch grundlegend gefährlich ist.
Das Recht zur Gründung eines Vereins gehört zu den wichtigsten demokratischen Grundrechten in Deutschland. Die entsprechenden Gremien müssen durch Wahlen legimitiert und Beschlüsse durch das demokratische Mehrheitsprinzip getroffen werden. Der deutsche Bundestag sieht Vereine deshalb als „Schule der Demokratie“ an. Sie sind „Basis für die Funktionstüchtigkeit eines politischen demokratischen Gemeinwesens“. Für den Bundestag sind Vereine „Teil der demokratischen Gesellschaft und Lernort für demokratische Verhaltensweisen.“
Voraussetzungen für Demokratie im Verein
Gerade beim TSV München von 1860 e.V. zeigt sich die Komplexität von Demokratie und wie wichtig es ist, diese auch zu verstehen.
Zum einen muss man natürlich ordentliches Mitglied sein. Für das Erfahren von politischer Bildung ist allerdings nicht die reine Mitgliedschaft ausreichend. Um eine deliberativeDer Deliberativ drückt aus, dass eine Person zweifelt, was ... Mehr Demokratie, in der, durch Austausch von Argumenten, in einem Diskurs Konsens erzielt wird, in einem Verein zu gewährleisten, sind Grundvoraussetzungen zu schaffen. Dazu gehören eine freiwillige Mitgliedschaft, eine ehrenamtliche Selbstverwaltung, eine lokale Organisationsstruktur, egalitäreEgalitär kommt vom französischen Wort "égalité" (Gleichh... Mehr Interaktionsformen und Mehrheitsentscheidungen.
Mitgliederversammlung ist höchstes Organ
Das wichtigste und höchste Organ ist nicht etwa das Präsidium, sondern die Mitgliederversammlung. Sie wählt das Präsidium und ist zuständig für Änderung der Statuen und die Erteilung von Aufträgen an das Präsidium. Das ist wichtig zu verstehen. Das höchste Organ bilden die Mitglieder in ihrer Gesamtheit.
Wahlen akzeptieren
Demokratie bedeutet nicht, dass immer alles so funktioniert, wie es die Wähler wollen. Wählen zu dürfen heißt noch lange nicht, dass am Ende auch das gewählt wurde, was man selbst gewählt hat. Dieses Demokratieverständnis ist wesentlich. Vor allem aber ist es wichtig, an bestimmten Prozessen teilzunehmen und sie zu verstehen.
Interesse am Austausch durch Interaktion
Durch demokratische Teilhabe können die individuellen Motive und Interessen der Mitglieder am besten auf die gemeinschaftlichen Zweck- und Zielsetzungen ausgerichtet werden. Gerade bei einem komplexen Verein wie beim TSV 1860 München ist es deshalb fragwürdig, wenn man demokratische Teilhabe nur auf die Wahl reduziert. Es bedarf nicht nur einer Mehrheitsentscheidung, sondern eben auch egalitärerer Interaktionsformen. Ob eine Präsenzveranstaltung durch Brief- oder Onlinewahl im Sinne des demokratischen Prozesses Sinn macht, ist deshalb fragwürdig. Das Interesse einer Interaktion sollte vorhanden sein. Im Rahmen des sinnvollen demokratischen Prozesses sollte man sogar hinterfragen, ob nur eine Präsenzveranstaltung pro Jahr der Demokratie Rechnung trägt. Häufigere Veranstaltungen überfordern aber in der Regel das Zeitbudget der Beteiligten. Deshalb ist die Teilnahme zumindest an dieser einen Präsenzveranstaltung von so wesentlicher Bedeutung.
Transparenz in der Demokratie
Um Demokratie in Vereinen zu leben, bedarf es einer hohen Transparenz. Auch an diesem Punkt ist die Mitgliederversammlung in Form einer Präsenzveranstaltung wichtig. Die gewählten Vertreter des Vereins müssen die Umsetzung des Vereinsziels transparent darstellen können und die Mitglieder in einem offenen, wertschätzenden, anerkennenden und konstruktiven Informationsaustausch einbinden. Die Mitgliederversammlungen, aber auch die Abteilungsversammlungen, sind deshalb so wichtig, weil sie direkt die Mitglieder anspricht und einbindet. Vor allem beim TSV 1860 München werden Stellungnahmen, die an die Mitglieder gerichtet werden, in der Öffentlichkeit immer wieder förmlich zerrissen. Das ist der Interaktion mit den Mitgliedern nicht immer förderlich.
Überzogener Fokus auf Einzelpersonen
Beim TSV 1860 München liegtvder Fokus leider häufig sehr stark auf dem Präsidium. Sie präsidieren den Verein und vertreten die Mitglieder in der Öffentlichkeit. Hierzu benötigen sie einen gewissen Spielraum. Auch dann, wenn sie den Verein zum Beispiel als Gesellschafter vertreten. Und im Rahmen dieses Spielraums ist Kritik auch angebracht. Aufgrund der öffentlichen Wirksamkeit des TSV 1860 zweifelsohne auch im öffentlichen Diskurs.
Grundsätzlich ist es jedoch wichtig zu verstehen, dass sie gewählte Vertreter der Mitgliederversammlung sind. Sie müssen sich an die Vorgaben der Mitgliederversammlung halten und sie müssen durch die Mitglieder legitimiert werden. Der häufig sehr persönlich werdende Focus auf einzelne Funktionäre in der Öffentlichkeit ist gerade beim TSV 1860 nicht hilfreich. Ob der jeweilige Funktionär der richtige Vertreter ist, ist alleine Entscheidung der Mitglieder des Vereins. Es ist jedoch anzunehmen, dass die vermehrten Diskussionen rund um Vertreter außerhalb des Vereins stattfinden. Letztendlich ist jede Entscheidung, die vom Präsidium getroffen wird, eine Entscheidung des Vereins.
Teilhabe durch Satzungsänderungen
Immer wieder wird Kritik an der Satzung laut. Zum einen ist festzustellen, dass die Satzung durch das Vereinsregister geprüft wurde und bei jeder Satzungsänderung auch wieder geprüft wird. Wer die demokratischen Werte der Satzung in Frage stellt, tut der Demokratie keinen Gefallen.
Eine Satzung kann geändert werden und sie muss im Laufe der Zeit möglicherweise auch angepasst werden. Das gehört zweifelsohne dazu. Geändert werden kann sie allerdings nur durch die Mitgliederversammlung. Und diese fordert entsprechend sinnvolle Änderungsanträge. Diese sinnvoll zu formulieren und im Rahmen der vorgegebenen Fristen einzureichen, gehört zur Verantwortung einzelner Mitglieder für die Teilhabe am Verein dazu. Nicht hilfreich sind teilweise die Diskussionen in der Öffentlichkeit, die unreflektiert Satzungsänderungen fordern. Oder die dem Verein grundsätzlich demokratische Grundsätze absprechen.
Zum demokratischen Prozess, und damit zum demokratischen Verständnis gehört dabei natürlich auch dazu, dass man die Ablehnung durch die Mitgliederversammlung akzeptiert.
Abschließendes Fazit
Verein als „Schule der Demokratie“ funktioniert nur dann, wenn die Mitglieder bereit sind, an den demokratischen Prozessen auch wirklich teilzunehmen und zu interagieren. Wer einem Verein vorwirft, dass er nicht demokratisch sei, der hat Demokratie nicht verstanden. Demokratie muss lebendig bleiben und Teilbereiche müssen weiterentwickelt oder modernisiert werden. Als Mitglied kann man Einfluss nehmen, man kann sich am Diskurs beteiligen und an Wahlen teilnehmen oder gar sich selbst zu Wahlen aufstellen lassen. Ständige Diskussionen außerhalb des Vereins sind dabei teilweise nicht hilfreich.