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Ursachenforschung für Erfolg und Misserfolg

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Der TSV 1860 München hat in der Saison 2021/22 den Aufstieg verpasst. Bei den Löwen wurde sicherlich eine Ursachenforschung vorgenommen und die Saison analysiert. Es ist die wesentliche Aufgabe von Chefcoach Michael Köllner und Günther Gorenzel, dem Geschäftsführer Sport, die Prozesse und Geschehnisse zu hinterfragen. Und in den vergangenen Wochen sind entsprechend ja auch bereits Entscheidungen getroffen worden. Werden diese nun zum Erfolg führen? Ein Kommentar zur möglichen Beurteilung der vergangenen Saison, der kommenden Saison, den Möglichkeiten des Handelns und der Entschlussfassung.

Während der Saison, vor allem aber am Ende der Saison liefern Journalisten der Öffentlichkeit ursächliche Erklärungen für Erfolg oder Misserfolg. Das ist prinzipiell gar nicht so einfach, weil die gesamte Saison, und der Leistungssport an sich, eine komplexe Sache sind. Es bleibt deshalb oft bei einfachen Erklärungsversuchen. So zum Beispiel, dass es der Mannschaft an der Breite fehlt. Oder aber, dass zu wenig trainiert wird. Eine Kausalinterpretation ist journalistisch zwar effektiv, weil sie dem Leser einen Lösungsansatz bietet, sie hilft aber in der tatsächlichen Bewertung während und nach der Saison kaum. Vor allem nicht hilfreich ist dabei, dass Kausalinterpretationen ständig wiederholt werden. Negative Meldungen bringen ein höheres Effektpotential, was die Sache noch schwieriger macht.

Der TSV 1860 München hat einige neue Spieler verpflichtet. Das scheint überwiegend gut anzukommen. Die Frage ist, ob es im Gesamten ausreicht, um das entsprechend ausgerufene Ziel (Aufstieg) zu erreichen, oder ob man erst einmal nur die Kritiker besänftigt. Denen wird mit der zunehmenden Breite des Kaders zumindest bei dieser entsprechenden Kausalinterpretation das Argument genommen. Läuft es allerdings in der Saison nicht so wie erwartet, sind schnell neue wirksame Erklärungen gefunden.

Internale und externale Faktoren des Scheiterns

Der österreichische Psychologe Fritz Heider beschrieb 19581 zwei Dimensionen, um Ursachen über Erfolg und Misserfolg zu erklären. Zum einen die internale und zum anderen die externale Dimension. Bei einer Niederlage wäre eine internale Erklärung zum Beispiel die Erkenntnis, dass man die vorgenommene Spieltaktik nicht umsetzen konnte oder die Spieler nicht ausgeruht waren. Eine externale Erklärung wäre zum Beispiel, dass der Schiedsrichter das Spiel verpfiffen hat oder auch, dass man in der zweiten Halbzeit gegen den Wind spielen musste.

Klassifikationssystem nach Weiner

Die Attributionstheorie von Heider wurde von dem US-amerikanischen Psychologen Bernard Weiner, der im Bereich der Leistungsmotivation forschte, weiter entwickelt. Er schuf ein dreidimensionales Klassifikationssystem2. Dabei unterschied er drei Dimensionen. Zum einen die Zeitstabilität (ist meine Ursache stabil oder variabel?), dann die Lokation (liegt die Ursache internal oder external?) und zuletzt die Kontrollierbarkeit (kann ich Einfluss nehmen und ist damit kontrollierbar?).

Beispiel 1

Türkgücü München wusste vor der Saison, dass sie elementare Punkte nicht erfüllen können, um im Profifußball wirklich eine Rolle zu spielen. Mit gesundem Menschenverstand hätte man hier bereits eine zeitliche Stabilität erkannt, die gegen einen dauerhaften Profifußball spricht. Bei der Lokation hat der Geschäftführer Kothny festgestellt, dass die Ursache nicht innerhalb des eigenen Systems liegt, sondern außerhalb. Heißt: die Stadt ist schuld, weil sie Türkgücü nicht ausreichend unterstützt. Zur Schlussfolgerung, dass man selbst kein eigenes Trainingsgelände besitzt, jahrelang nichts für ein Nachwuchsleitungszentrum und eine Nachwuchsförderung getan hat und die entsprechende Fan-Basis fehlt, kam er nicht. Denn dann hätte er seinem Gesellschafter ehrlicherweise raten sollen, nicht weiter zu investieren.

Beispiel 2

Was könnte bei den Löwen hier als Beispiel herhalten? Nehmen wir doch tatsächlich das Beispiel eines nicht ausreichend breiten Kaders. Dabei ist bei der Zeitstabilität festzustellen, dass die Ursache zeitlich variabel ist. Ein Kader ist veränderbar. Bei der Lokation nehmen wir an, dass zumindest aus Sicht der sportlichen Führung die Ursache extern ist. In dem Fall nehmen wir gleich zwei Punkte zur Kenntnis. Zum einen ist das Budget durch die Gesellschafter begrenzt, zum anderen sind die Löwen an Spielerverträge gebunden. Kommen wir zur Kontrollierbarkeit. Dabei kommen wir zum Ergebnis: Wir können zwar für 2022/23 kein höheres Budget erwarten, sind aber in der Lage auslaufende Verträge neu zu verhandeln. Sofern es zu keinem positiven Verhandlungsergebnis kommt, setzen wir auf neue Spieler.

Diese Klassifizierung hilft, wesentlich dabei die Ursachen tatsächlich anzupacken. Natürlich nur dann, wenn ich richtig schlussfolgere. Mit dieser Methodik kann ich auch zum Beispiel verdeutlichen, wo meine Handlungsfähigkeiten eingeschränkt sind. Um dann dem Gesellschafter zu zeigen, was überhaupt erreichbar ist und was nicht.

Bisherige Entschlüsse

Zwei wesentliche Entschlüsse sind aktuell für die Öffentlichkeit sichtbar. Zum einen eine Änderung des Kaders. Es gab mehrere Neuverpflichtungen. Zum anderen ändert sich im Trainerteam etwas. Es wird ein neuer Co-Trainer kommen. Außerdem hat man einen neuen Athletik-Trainer verpflichtet. Sind das am Ende die ausreichenden Schlüssel-Entscheidungen? Ich denke, dass bei einer ausgiebigen Ursachenforschung es noch einige weitere Punkte gibt, die im Entscheidungsprozess eine Rolle spielen könnten und auch sollten.

Vielleicht fallen euch ja noch einige diskussionswürdige Ursachen ein, die zum Nichtaufstieg geführt haben. Sowohl internale als auch externale Ursachen. Schiedsrichterentscheidungen? Corona? Schuldenberg? Stadiondiskussion? Sascha Mölders? Was ergibt eure persönliche Ursachenforschung?


1 The psychology of interpersonal relations, Fritz Heider, 1958

2 An Attribution Theory of Motivation and Emotion, Bernard Weiner, 1986

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