Es wird immer wieder kritisiert – die Mannschaft des TSV 1860 München spielt schlecht und am nächsten Tag ist trainingsfrei. Zumindest ein gelernter Journalist steht dann an der Grünwalder Straße 114 und trauert den alten Zeiten hinterher.
Nach einem Spiel wie gegen Türkgücü? Hätte Werner Lorant die Spieler nach Hause an die Grünwalder Straße laufen lassen. Die Lorantsche Brachialpädagogik wünscht sich nun so mancher Löwenfan zurück. 1996, der TSV 1860 München verliert im Achtelfinale des DFB-Pokals mit 1:2 gegen den Hamburger SV. Lorant ist sauer. Und ordnet gleich mal Straftraining an. Ob er mit den Spielern nach der Niederlage redet, wagt jemand zu fragen. “Wozu mit den Spielern reden? Die quatschen doch sowieso nur dummes Zeug.” Ja, da war der Fußball noch in Ordnung. Manni Schwabl, Olaf Bodden, Bernhard Winkler, Horst Heldt, Jens Jeremies und viele mehr … die erlebten noch Fußball wie er sein muss.
Und heute? Verlieren die Löwen und bekommen frei. Ein Skandal. Aber mal ehrlich. Lasst uns mal die Fanbrille abnehmen. Wir leben im 21. Jahrhundert und die Welt hat sich mehrfach weitergedreht. Training als Strafe? Sportpädagogisch mag man darüber sinnieren können, ob das sinnvoll ist. Sportwissenschaftlich ist es Blödsinn. Die Trainingssteuerung erfolgt auf Grundlge von ganzheitlichen und systemdynamischen Zusammenhängen im Fußball und nicht auf Grundlage einer Emotion des Trainers. Regeneration ist ein wesentliches Element in der Belastungssteuerung. Und kein Mittel zum Zwecke pädagogischer Erziehung. Zumal die sportlichen Anforderungen höher geworden sind.
Nicht falsch verstehen, ich möchte gar nicht bewerten, ob zu viel oder zu wenig beim TSV 1860 trainiert wird. Und in welcher Intensität. Das kann man als Außenstehender kaum beurteilen. Aber einen Fußballer nach einem beschissenen Spiel auf dem Trainingsplatz Runden bis zum “kotzen” drehen zu lassen, findet man in heutigen sportwissenschaftlichen Publikationen in der Regel nicht. Und war aufgrund des Trainings- und Spielplans keine Trainingseinheit angesetzt, dann macht es sportwissenschaftlich auch wenig Sinn, irgend etwas nachträglich anzusetzen. Nur damit mancher Fan zufrieden nicken kann, weil die Lorantsche Brachialpädagogik wieder da ist.