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Stefan Markt – Antworten auf Fan-Thesen zur aktuellen Vereinspolitik des TSV 1860 München

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Die Kandidaten für die Wahl des neuen Präsidiums vom TSV München von 1860 e.V. stehen fest. Die Diskussionen unter den Löwenfans laufen in den sozialen Medien auf Hochtouren. Dabei wird immer wieder über die gleichen Themen diskutiert und hitzige Streitgespräche geführt.

Stefan Markt ist Mitglied bei Freunde des Sechzger Stadions e.V. und bei Pro1860 e.V.. Er hat immer wiederkehrende Fragen im Hinblick auf die Mitgliederversammlung 2019 und die aktuelle vereinspolitische Frage beantwortet und über soziale Netzwerke veröffentlicht.

Hinweis: Wir haben den Text etwas angepasst, inhaltlich jedoch nicht geändert.

Gastbeitrag

Mit der Nominierung des Präsidenten von 1860 München zur Wiederwahl sind etliche Fragen und Thesen aufgetaucht, die man so nicht weiter im Raum stehen lassen kann. Ich versuche mich an einer kleinen Erklärung und freue mich über weitere Antworten:

These: „Mit Robert Reisinger geht’s direkt wieder in die Landesliga!“

Falsch

Stefan Markt: Robert Reisinger hat als Präsident den TSV 1860 München in der schwärzesten Stunde der jüngeren Vergangenheit übernommen und den Verein ins obere Drittel der dritten Liga geführt. Zusammen mit seinen Präsidiumskollegen, den Geschäftsführern der KGaA und dem Trainerteam hat er die dringend notwenige Konsolidierungsphase in der ausgegliederten Profibetriebs-GmbH eingeläutet. Massive Misswirtschaft und die unkontrollierte Aufnahme von Darlehen haben die KGaA an den Rand des Ruins und in die vierte Liga gebracht. Schulden in Höhe von fast 70 Millionen Euro belasten die KGaA und machen diese nahezu handlungsunfähig. Vorschläge, die KGaA zu entlasten und damit die Auflagen von DFB und DFL zu erfüllen, wurden durch den Mitgesellschafter regelmäßig ohne Angabe von Gründen abgelehnt. Gerade unter diesen Voraussetzungen ist es umso beachtlicher, dass die ausgegliederte Profiabteilung sich nach dem Drama von 2017 stark emanzipiert und sportlich stabilisiert hat. In diesem Rahmen davon zu sprechen, dass der Kurs von Reisinger direkt in die sportliche Niederungen führt, entbehrt nicht nur jeglichen Grundlagen, sondern ist schlichtweg eine Verkennung jeglicher Tatsachen und eine glatte Unverschämtheit

These: „Die Wahl des Präsidiums ist undemokratisch“ und „Die Mitglieder sollen gefälligst unter mehreren Kandidaten auswählen können!“

(1) Falsch
(2) Teilweise richtig

Stefan Markt: Die derzeit gültige Satzung des TSV 1860 wurde in seiner Gesamtheit 2013 von den Mitgliedern bestätigt. Mit der Neufassung von 2013 sollten die Mitgliederrechte gestärkt und das Demokratieverständnis innerhalb des Vereins gefestigt werden. Ein wesentlicher Punkt der Satzung ist das Vorschlagsrecht für das Präsidium, welches dem Verwaltungsrat unterliegt. Ziel dieses Passus damals war, chaotische, von Streit geprägte Personenwahlkämpfe bei 1860 zu vermeiden. Die Richtung des Vereins wird vom Verwaltungsrat vorgegeben, welcher ein Jahr vor dem Präsidium ebenfalls für drei Jahre gewählt wird. Der jetzige Verwaltungsrat gewann diese entscheidende Richtungswahl im Sommer 2018 deutlich vor dem „Team Profifußball“ und hat somit das deutliche Votum der Mitglieder bekommen, ein akzeptables Präsidium vorzuschlagen.

Der Punkt, mehrere Kandidaten zur Wahl vorzuschlagen, war schon mehrfach ein heiß diskutierter Kritikpunkt. Im Januar 2016 gab es hierzu extra eine ausserordentliche Mitgliederversammlung zur Satzungsänderung. Die notwendige 3/4-Mehrheit wurde damals knapp verfehlt, dennoch war die Versammlung hoch interessant und von sachlicher Auseinandersetzung geprägt. Befürworter der „Mehrpersonenwahl“ waren damals bereits der jetzige Präsident Reisinger, sowie ein Großteil des aktuellen Verwaltungsrats. Gegner waren damals vor allem bei der ARGE sowie dem damaligen Präsidenten Casalette zu suchen. Des weiteren stand der DFB als lizenzgebender Verband gemäß einem Schreiben, der „Mehrpersonenwahl“ kritisch gegenüber. Seitdem ist kein weiterer Antrag mehr eingereicht worden, welcher eine Änderung dieses Paragraphen in der Satzung vorsieht. Somit ist diese Satzung das demokratischste, was wir derzeit haben. Änderungsanträge können jederzeit bei 1860 München eingereicht werden, und benötigen 75% Zustimmung bei den anwesenden Mitgliedern der Versammlung.

These: „Ohne Ismaik würde es Sechzig gar nicht mehr geben!“

Falsch

Stefan Markt: Der TSV 1860 München wurde vor fast 160 Jahren gegründet und war nie von einzelnen Menschen abhängig, sondern wurde ständig von einer großen Anhänger- und Mitgliederschaft getragen. Der TSV 1860 München sind wir – seine Fans und Mitglieder – und solange es uns gibt, wird es 1860 München geben. Völlig unabhängig von einer Person namens Hasan Ismaik.

Zur Faktenlage: 2002 wurde der Profispielbetrieb aus dem Verein in eine kommanditgesellschaft auf Aktienbasis (KGaA) ausgelagert, um ihn als Wirtschaftsbetrieb unabhängiger zu machen, ihn vor finanziellen Problemen des Gesamtvereins zu schützen und ihn vor den Steuerproblemen, die ein gemeinnütziger Sportverein mit sich bringt, zu entbinden. 100%-Aktionär war von 2002 bis 2011 der Gesamtverein, der TSV München von 1860 e.V.

Die Kalkulation der Ausgliederung 2002 ging nicht auf: Anstatt des Gesamtvereins geriet die Tochterfirma KGaA in finanzielle Schwierigkeiten. Die Insolvenz drohte und so wurden 60% der Anteile für 13 Millionen Euro an die HAM Limited aus Abu Dhabi verkauft, dessen Eigentümer wahrscheinlich Hasan Ismaik ist. Mit dem Verkauf der Anteile konnte die KGaA die Schuldenlast von 11 Millionen Euro begleichen und die Insolvenz abwenden. Der Gesamtverein, wie mit oben genannter These unterstellt, war dennoch nie in Gefahr.

Die Hoffnung, die in den neuen Eigentümer gelegt wurden, wurden durch diesen nie erfüllt. Der Eigentümer glänzt durch Abwesenheit und macht lediglich von sich aufmerksam, wenn er der KGaA hoch verzinsten Kredite mit hohen Auflagen anbietet. Im Sommer 2017 betrugen die Überschuldung der KGaA mit 22 Millionen Euro das Doppelte von dem, was sie vor dem Einstieg von Ismaik betrug. Die Kredite, die Ismaik der KGaA gab, wurden im wesentlichen dafür genutzt, um sich selbst Spielerwünsche zu erfüllen. Die Kredite, die man bei Ismaik für Spieler wie Gutkjaer, Olic, Ba, Andrade oder Ribamar aufnahm, belasten die Bilanz heute noch sehr.

Als Ergebnis dieser enormen Geldverschwendung unter Ismaik, Casalette und Power in der Saison 2016/2017 stand dennoch der Abstieg in die vierte Liga. Präsident Reisinger hat unter diesen Voraussetzen die Vorgabe an die KGaA erteilt, keine weiteren Kredite mehr bei Hasan Ismaik aufzunehmen.

Als Erinnerung: Hasan Ismaik hat 1860 München nie Geld geschenkt. Die Schuldenlast ist jetzt doppelt so hoch als vor dem Einstieg von Ismaik. Und 1860 München gibt es dennoch immer noch. Und wird es auch nach Ismaik geben.

These: „Der Reisinger hat noch gar nichts geleistet. Wo sind denn seine ganzen Sponsoren?“

Stefan Markt: Robert Reisinger ist Präsident des TSV München von 1860 e.V. mit seinen über 20 Abteilungen – darunter auch der Fußball bis einschließlich der B-Jugend – und 23.000 Mitgliedern. Er hat repräsentative Aufgaben.

Für das operative Geschäft sind die Geschäftsführer der KGaA – Scharold und Gorenzel – zuständig. Für die Sponsorensuche HI2 von Ismaiks Bruder Yahya sowie Vermarkter Infront. Weisungsbefugt für die KGaA sind Beirat und Aufsichtsrat. In keiner dieser Gremien ist Robert Reisinger Mitglied (im Gegensatz zu Saki Stimoniaris).

Die Aufgaben des Präsidiums sind vor allen Dingen, den Verein zu stärken und zu erhalten. Des weiteren verbietet der Kooperationsvertrag zwischen Verein und Mitgesellschafter, dass der Verein selbständig auf Partnersuche gehen darf. Dennoch hat Reisinger ein großes Netz als klein- und mittelständischen Unternehmen hinter sich, die sich ehrgeizig für den Verein einsetzen. Reisinger und sein Präsidium haben verschiedene Maßnahmen zur Reduzierung der Schulden der KGaA vorgeschlagen. Zudem hat Reisinger einen Partner vorgeschlagen, der zur Übernahme der Anteile von Ismaik bzw. als „dritter Eigentümer“ bereit war einzusteigen.

Alle diese Maßnahmen benötigen die Zustimmung von Ismaik. Und allen diese Zustimmung hat Ismaik verweigert.

1860 München befindet sich derzeit leider tatsächlich in einer traurigen Situation. Der Mitgesellschafter ist nicht erreichbar und zeigt kein Interesse an seinem Spielzeug. Unter diesen Voraussetzungen sind die Möglichkeiten, die dem Präsidium vorliegen, begrenzt. Aber auch unter diesen Voraussetzungen sind die getätigten Maßnahmen des Präsidiums alternativlos. Eine weitere Verschuldung bei Ismaik ist inakzeptabel und wäre der Selbstmord der Profi-Fußballsparte. Wieso aus diesen Zusammenhängen heraus behauptet werden kann, Reisinger wolle unbedingt den sportlichen Abstieg ist nicht nachvollziehbar und kann ausschließlich in den Bereich der „Fake-News“ verschoben werden.

These: „Wenn Ismaik sein Geld zurück will, ist alles aus. Irgendwie will der doch auch sein Geld zurück. Das können wir nie zurück zahlen!“

Dazu ein deutliches „Jein“

Stefan Markt: Seit 2011 wurden durch die HAM Limited angeblich 70 Millionen Euro an die KGaA überwiesen. Erfolgt ist das in unterschiedliche Weise im Kauf der Anteile, als hoch verzinsten Kredite (welche die Bilanz belasten und von Ismaik leicht zurück gefordert werden können) und Genussscheine (welche die Bilanz nicht belasten, aber nicht so leicht zurück gefordert werden können).

Das Geld für die Anteile wird Ismaik lediglich beim Weiterverkauf wieder zurück bekommen. Dieser Weiterverkauf steht derzeit nicht im Raum. Möglicherweise spekuliert Ismaik auf den Fall von 50+1, um höhere Erlöse erzielen zu können, doch nach der Wahlniederlage von Martin Kind in Hannover, ist derzeit in Deutschland niemand aktiv dran, 50+1 zu Fall zu bringen. Beim Kauf der Anteile hat Ismaik mit Vereinsanteilen spekuliert – unseren Vereinsanteilen – und hat sich verspekuliert. Es besteht keine Notwendigkeit, dass ausgerechnet 1860 dieses Geld zurück bezahlen muss.

Die Genussscheine sind erst zurück zu zahlen, wenn die KGaA schwarze Zahlen schreibt. Spätestens wenn dies irgendwann mal der Fall sein wird, benötigen wir eine Idee, wie wir unsere Einnahmen/Gewinne noch selbst behalten können. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Für die Rückzahlung der Kredite zeigt sich ein anderes Bild: sollte Ismaik die Kredite zurück fordern, so ist die KGaA insolvent und muss von einem Insolvenzverwalter abgewickelt werden. Der Insolvenzverwalter wird sich das „In-Sich-geschäft“, welches Ismaik als Kreditgeber und Gesellschafter mit sich selbst abgeschlossen hat, sicher sehr genau ansehen. Die Möglichkeit, dass im Insolvenzfall keine Auszahlung an Ismaik erfolgt, ist aber gar nicht so gering. Sodass es eher unwahrscheinlich ist, dass Ismaik die Kredite zurück fordert. Und die Frage darf gestellt werden, wieso nun ausgerechnet 1860 die Rechnung für Ismaiks Ba, Andrade, Ribamar oder Gutkjaer zahlen soll?

These: „Die sollen sich alle mal zusammenreißen – es geht nur Miteinander!“

Richtig

Stefan Markt: Der beste Weg für ein erfolgreiches 1860 München wäre eine partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Mit Respekt und Akzeptanz der anderen Meinung, Beteiligung, Transparenz und demokratischer Teilhabe. Seit dem Verkauf an Hasan Ismaik hat der TSV 1860 München den sechsten Präsidenten, den siebten Geschäftsführer und mindestens den fünften Sportdirektor. Die Zahl der Trainer ist ebenso unübersichtlich. Mit Ausnahme von nur einem einzigen Präsidenten (Cassalette), konnte kein einziger Funktionär mit Ismaik zusammen arbeiten. Diskussion auf Augenhöhe war durch Ismaik nie gewünscht. „Mein Verein – meine Regeln“ war sein Credo, ständig ignorierend, dass die Kundschaft auch Mitglieder im Verein sind, und an Teilhabe interessiert sind. Nach dem Fiasko von 2017 war das Tischtuch zwischen Verein und Mitgesellschafter endgültig zerschnitten. Der provozierte Fall in die vierte Liga haben die wenigsten Fans dem Mitgesellschafter verziehen. Wo vorher noch einige Mitglieder um ein „Gemeinsam“ warben, waren diese auch mit ihrem Latein am Ende. Ein „gemeinsam“ mit Ismaik war von diesem nie gewollt. Die einzig sinnvolle Lösung für den Verein kann daher nur sein, sich von Ismaik zu emanzipieren und sich unabhängig aufzustellen. Als anderen Wunsch kann das ständige Desinteresse von Ismaik an seinem Spielzeug ohmehin nicht gedeutet werden. Denn: Wer nicht will, der hat schon!


Mein Name ist Stefan Markt und ich …

bin mit kurzen Unterbrechungen seit 1996 Mitglied beim TSV München von 1860 e.V. Ich engagiere mich bei den Freunden des Sechzgerstadions und Pro1860 und gebe meine eigene Meinung wieder.

… war einer der Delegierten, die sich mit einer Satzungsreform 2013 „selbst abgeschafft“ haben, um dem Mitgliedern wieder mehr Mitspracherecht einräumen zu können.

… habe seit über 10 Jahren keine Mitgliederversammlung bei 1860 München mehr verpasst und bin in regelmäßigem und steten Austausch mit anderen Fans, Fanclubs und Verantwortlichen, nicht nur bei 1860 München, sondern auch bei anderen Vereinen im In- und Ausland.

… darf von mir durchaus behaupten, gut genug im Verein vernetzt zu sein, um Zusammenhänge zu erkennen, die über die journalistischen Beiträge des Boulevard oder bezahlten Blog-Artikeln hinaus gehen. Sollte mir jemand unterstellen, „keine Ahnung“ zu haben, so ist das sein gutes Recht und ich bin gerne bereit, mir seine Erkenntnisse anzuhören.

In meiner Vision ist 1860 München ein erfolgreicher Zweitligist mit einer breiten Anhängerschaft, jedoch gefestigt in seinen Stadtteit Giesing. Als volksnaher Turn- und Sportverein für Jedermann schließt er erfolgreich eine Nische im Münchner Stadtleben.

Für Kritik und Anregungen bin ich jederzeit empfänglich.

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