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München, Deutschland 07. Dezember 2021: Fussball, Herren, 3.Liga, Saison 2021/2022, TSV 1860 München, Training, Grünwalder Strasse 114 Marco Hiller TSV 1860 München beim Laufen *** Munich, Germany 07 December 2021 football, men, 3 league, season 2021 2022, TSV 1860 Munich, training, Grünwalder Strasse 114 Marco Hiller TSV 1860 Munich running

Soziale und aufgabenorientierte Kohäsion im Mannschaftssport

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In meiner Offizierslaufbahn habe ich zwei unterschiedliche Extreme bei militärischen Gruppen erlebt. Stets abhängig vom Führungsstil des jeweiligen Vorgesetzten. Im einen Extrem wurde eine hohe Spannung unter den Gruppenmitgliedern erzeugt. Im anderen Extrem eine besonders große Harmonie gepflegt. Beides wirkte sich oftmals negativ auf das Ergebnis der Gruppen aus.

Sowohl beim Militär, als auch im Leistungssport in Form von Mannschaftssport ist eine hohe Kohäsion bedeutend. Als Kohäsion bezeichnet man den inneren Zusammenhalt. Und der entwickelt sich am Besten in einer ausgeglichenen Anwendung von Spannung und Harmonie. Diese Balance wird beim Profifußball im Wesentlichen während der Saisonvorbereitung erreicht. Danach ist es schwieriger. Schafft man in der Balance einen sportlichen Erfolg, dann erhöht dieser in der Regel sogar den Zusammenhalt. Ist die Balance nicht gegeben und ein Erfolg stellt sich nicht ein, wird dies zweifelsohne auch negativen Einfluß auf die Kohäsion haben. Es sei denn, dem Trainer gelingt ein Durchbruch, weil alle Faktoren derart schlecht sind, dass die Notwendigkeit einer Kehrtwende für alle erkennbar ist. Ein halbherziges “Jetzt erst Recht” führt nur zu kurzfristigem Erfolg und nicht zu einer Balance der Kohäsion, die für einen langfristigen Erfolg notwendig ist.

Bei der Frage nach dem inneren Zusammenhalt der Profimannschaft des TSV 1860 München frage ich mich durchaus, ob die Gruppe an sich oder zumindest in Teilgruppen zu harmonisch oder gar familiär ausgerichtet war oder immer noch ist. Es ist mir natürlich klar, dass viele Leser an dieser Stelle die Stirn runzeln – Harmonie und Familie sind positive Worte. Doch wir sprechen von leistungsorientiertem Fußball. Ich habe Soldaten stets mit einer recht gemeinen Frage gequält. Ich habe X gefragt ob er Y aus Extremsituation Z (Details erspare ich an dieser Stelle) rausholen würde. Als Antwort kam stets “ja”. Danach kam die Frage, ob er liegen bleibe, wenn ich genau das Gegenteil befehlen würde. Kam als Antwort, er müsse sich das erst mal überlegen oder er hätte sich darüber nie Gedanken gemacht, war für mich klar, dass es in extremen Situation schwierig werden würde. Besonders dann, wenn als Antwort kam, er könne der Frau seines Kameraden nicht mehr in die Augen schauen, wenn er nicht gehandelt hätte. Die Harmonie zwischen X und Y war bereits derart familiär, dass das negativen Einfluß auf die Gesamtgruppe haben kann. Sicherlich ist das ein extremes Beispiel. Aber eine derartige emotionale Bindung wirkt sich unweigerlich auch auf Spontanreaktionen aus. Im Fußball vielleicht bei der Entscheidung ob ich an Y abspiele oder selbst schieße. Automatismen im Sport müssen frei von Emotionalität sein. Unsere verinnerlichten Emotionen haben Einfluß auf spontane Entscheidungen. Derartige sogenannte “blinde Flecke” sind für den jeweiligen Sportler selbst nicht erkennbar. Hier bedarf es der Rückmeldung durch Dritte.

Selbstverständlich ist die soziale Kohäsion für eine Gruppe oder eine Mannschaft wichtig. Durch sie erreicht man Zusammenhalt und gegenseitige Wertschätzung. Sie ist primärer Grundstock für den Teamaufbau. Gemeinschaftliche soziale Maßnahmen festigen die Gruppe. Mir persönlich war es dabei allerdings immer wichtig, dass diese Maßnahmen temporär waren und nicht ständig ins Privatleben gingen. Vor allem aber hielt ich mich als Vorgesetzter stets aus der sozialen Kohäsion heraus. Ich trank zwar stets ein Bier mit, präsentierte mich, meldete mich dann aber ab, “weil ich noch etwas zu tun hätte”. Es ist wichtig, dass der Führende vor allem die aufgabenorientierte Kohäsion im Blick hat – der gemeinsamen Zielsetzung und der aufgabenorientierten Erbrigung von Leistung zur Zielerreichung. Nach einer Kompanie-Feier fragte ich stets kurz nach, wie es denn nach meinem Verlassen mit dem Feiern weiterging. Ich blickte dann stets in fröhlich Gesichter, grinste ebenfalls und meinte dann ernst: “Gut, dass es euch gefallen hat. Dann können wir uns ja jetzt aufs Wesentliche konzentrieren. Die Sonne ist mit eurer Feierlaune untergangen und hoffentlich heute morgen mit Motivation für den heutigen Tag wieder aufgegangen. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps.”

Betrachtet man im Nachhinein die Rolle von Sascha Mölders als Alpha-Tier und Mannschaftskapitän, kann man sich die Frage stellen, ob hier nicht zu hohe Spannungen aufgetreten sind. Mölders hatte wohl sehr hohe Anforderungen an seine Team-Kollegen. Gleichzeitig wurde er der eigenen Rolle nicht mehr gerecht. Auch das könnte sich auf die Kohäsion negativ auswirken. Bleibt dann der Erfolg aus, befindet man sich in einer Abwärts spirale, die es zu durchbrechen gilt.

In welche Maße man Spannung und Harmonie in Balance bringt, ist abhängig vom Führungsstil und natürlich auch von den Charakteren.

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