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Schöne, heile Marketingwelt – die Stadionanforderungen der Deutschen Fußball-Liga

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– Ein Kommentar –

Betrachtet man Fußballclubs, die vor einem Aufstieg stehen, dann bleibt man immer wieder bei einem zentralen Thema hängen: Sportlich wäre ein Aufstieg drinnen, doch über der Stadionfrage steht ein dickes Fragezeichen.

So aktuell zum Beispiel beim Karlsruher SC. Für die Südtribüne muss man eine Ausnahmegenehmigung stellen. Sie wird laut eines Beschlusses des Gemeinderates nicht überdacht. Ob es zu einer Ausnahmegenehmigung kommt, ist nicht klar. In Karlsruhe steht man eigentlich ohnehin vor einem Neubau. Aktuell geht es um die Überdachung der provisorischen Tribünen bis zur Fertigstellung. Aber klar ist: Dach hin oder her. Der KSC hat sein Publikum und seine Attraktivität. Den KSC wegen einem fehlenden Dach nicht aufsteigen zu lassen, wäre Irrsinn.

Der Zweitligist SV Darmstadt 98 musste für sein Stadion bei der DFL einen Plan einreichen, um an dem traditionellen Stadion am Böllenfalltor eine Überdachung umzusetzen. Die Fans liebten ihr Stadion auch ohne Überdachung. Aufgebaut auf Weltkriegsschutt. Doch die neuen Regelungen waren klar: ohne Dach keine weitere Lizenz. Darmstadt musste nachrüsten. Die Arbeiten laufen seitdem.

Auch im Grünwalder Stadion steht man vor einigen Herausforderungen. Unter anderem natürlich ebenfalls wegen der Überdachung. Für das Städtische Stadion an der Grünwalder Straße wurde aktuell eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Mit 15.000 Zuschauern erfüllt das Stadion auf dem Giesinger Berg die Kapazität. Klar ist, dass einige wesentliche Auflagen erfüllt werden müssen. Aber es ist, wie so oft, vor allem die komplette Überdachung, die schwierig umsetzbar ist.

Die neue Regelung für eine Komplettüberdachung ist gerade mal drei Jahre alt. 2016 entschied man sich hierfür:


DFL / DFB Stadionhandbuch, Stand 19.01.2009

Das Fassungsvermögen der Stadien der Bundesliga und 2. Bundesliga muss mindestens 15.000 Zuschauer betragen, wobei mindestens 3.000 Sitzplätze vorhanden sein müssen. Mindestens ein Drittel aller vorhandenen Sitzplätze soll gedeckt sein. Presse- und Ehrentribünen müssen gedeckt sein. Für die Gästefans sind 10 % der Gesamtkapazität (Sitz- und Stehplätze), mindestens 1.500 Besucherplätze (Sitz- und Stehplätze), vorzusehen.

DFL Regelwerk für Stadien, Stand 14.12.2018

Das Fassungsvermögen der Stadien der Bundesliga und 2. Bundesliga muss mindestens 15.000 Zuschauer betragen, wobei in der Bundesliga mindestens 8.000 Sitzplätze vorhanden sein müssen. In der 2. Bundesliga sollen mindestens 4.500 Sitzplätze und müssen mindestens 3.000 Sitzplätze vorhanden sein. Sämtliche Tri-bünenbereiche müssen einschließlich des Hauptumlaufbereichs gedeckt sein. Für die Gästefans sind 10 % der Gesamtkapazität (Sitz-und Stehplätze), mindestens 1.500 Besucherplätze, davon bei Bedarf in der 2. Bundesliga mindestens 450, in der Bundesliga mindestens 800 Sitzplätze, vorzusehen.


Beleuchtungsstärke, Rasenheizung, Rundumüberdachung, ein genauer Abstand zwischen den Sitzplätzen. Um was geht es den Verbänden eigentlich? Viele Verordnungen sind gut und richtig, wenn sie zum Beispiel die Sicherheit und Ordnung betreffen. Dabei geht es vor allem auch um öffentliches Recht. Zum Beispiel um die Versammlungsordnungen der Länder. Aber sind nicht einige Regelungen prinzipiell eine Luxusforderung für eine schöne, heile Marketingwelt der Verbände?

Auch in Österreich gibt es neue Regelungen. Ab der Saison 2019/20 gibt es eine verpflichtende Überdachung von Gästesektoren. Es sei der explizite Wunsch von Fanbeauftragten und Fans. Die Zeiten, in denen Fans im Regen oder Schnee stehen müssten, seien vorbei, so ein Verbandssprecher. Es soll ein weiterer Mosaikstein sein, um mehr Fans in die Stadien zu locken.

Mehr Fans, weil man die Stadien überdacht?

Die Clubs scheinen immer mehr an Selbstständigkeit zu verlieren. Ja, man kann fast schon meinen, es wären Franchise-Unternehmen der Deutschen Fußball-Liga. Längst geht es nicht mehr nur um Fluchtwege, geordnete Anreise oder wichtige Sicherheitsmaßnahmen. Sondern darum, dass die Fans nicht im Regen stehen. Der Verband argumentiert so, als wolle man den Vereinen etwas Gutes tun. Als wolle man ihnen helfen, attraktiver zu werden. Eben dadurch, dass man bestimmt: EURE Fans stehen nicht im Regen oder im Schnee. EURE Fans brauchen das oder jenes.

Selbstbestimmung der Vereine? Fehlanzeige. Selbstregulierung der Vermarktung? Fehlanzeige. Der Verband regelt für Euch fast alles bis ins kleinste Detail. Die Größe der Dusche, die Größe der Umkleide, die Plätze der Journalisten. Ja, einiges mag Sinn machen, anderes ist jedoch schockierend nahe an einem überzogenen Wunschdenken, sich typisch deutsch und professionell zu zeigen.

Wo führt das noch hin? Zu standardisierten Stadien, wo man in allen Städten auch das gleiche Bier in den Bechern hat und die gleiche Stadionwurst bekommt? Wir alle wissen, aus welcher Fabrik diese dann kommen wird. Zweifelsohne wäre Ullis Wurst dann überall. So weit kommt es nicht? Nun ja. Wir werden sehen. Zugegeben, das ist zum Ende hin provokativ und übertrieben. Aber wir sollten uns durchaus Gedanken machen, wie weit man die Standardisierung der Stadien und die Überregelung treiben kann oder darf. Eine gewisse Vermarktungsstrategie muss sich jeder Verein selbst aneignen können. Am Ende sollte es verbandstechnisch jedoch vor allem um den Sport gehen. Man sollte aus sportlichen Gründen aufsteigen und nicht weil man in erster Linie überzogene infrastrukturelle Forderungen erfüllt. Ein Fußball-Club ist nicht McDonalds oder Subway. Ein Fußball-Club ist ein Sportverein und kein Franchise-Unternehmen der DFL oder des DFB.

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