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Scheich von Giesing – das Interview nach der München-Absage

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Die Kunstfigur “Scheich von Giesing” wurde von einem Löwenfan in den sozialen Medien geschaffen. Mit satirischen Beiträgen nimmt er immer wieder die Gesellschafterthematik des TSV 1860 München aufs Korn.

Ein satirischer Beitrag des Scheich von Giesing

AZ: Herr Scheich von Giesing, die Titel von bekannten deutschen Volksliedern lauten: “Kommt ein Vogel geflogen”, Fuchs, du hast die Gans gestohlen und “Es tanzt ein Bibabutzemann”. Sie hatten kürzlich angekündigt, am morgigen Mittwoch nach München ins Kino am Sendlinger Tor kommen zu wollen. Warum haben Sie jetzt so kurzfristig abgesagt?

SCHEICH VON GIESING: Es hatte sich so ergeben, dass ich sowieso geplant hatte, geschäftlich in Europa zu sein und ein Kino in München zu mieten. Zufällig wurde ich zur gleichen Zeit zu einem Fantreffen eingeladen. Es tut mir sehr leid, dass ich nun doch nicht nach München kommen kann – v. a. nachdem mir gesagt wurde, dass sich so viele Fans vor dem Kino versammeln wollten, um ihre Wertschätzung für mich auszudrücken und meine Leistungen für Sechzig zu würdigen. Mir ist aber dann kurzfristig eingefallen, dass ich es für wichtig halte, mich zuerst mit meinen Partnern bei 1860 über unsere gemeinsamen Ziele und Visionen auszutauschen und uns endlich auf vernünftige Positionen zu einigen – z. B. darauf, dass ich nicht das Problem bin und das Scheitern der Mannschaft ein Ausdruck der Inkompetenz des e.V. in seiner Kontroll- und Weisungsfunktion ist.

In ihrem letzten Interview mit der AZ meinten Sie, es seien – bis auf ihren Auftritt im Kino – keine weiteren Treffen mit 1860 geplant. Sie verweisen auf ihre Stellvertreter, einen direkten Austausch mit Vertretern des e.V. hielten Sie nicht für nötig. Jetzt ist der Grund, warum sie doch nicht nach München kommen, dass sie davor erst mit Vertretern des e.V. sprechen wollen?

Gegenfrage: Wussten Sie, dass alle Löwenfans Grünwalder sind? Denken Sie da mal drüber nach.

Sind Sie nicht der Meinung, dass es grundsätzlich produktiver wäre, sich mit der Vereinsführung der Sechzger zu persönlichen Gesprächen zu treffen, statt nur der Veranstaltung eines Fan-Bloggers beizuwohnen?

Ich habe schon vor langer Zeit beschlossen, mich nicht mehr persönlich einzumischen. Die letzten Jahre habe ich hauptsächlich auf einer einsamen Insel mit mäßigem WLAN-Empfang verbracht. Zuvor hatte ich an der Geschäftsstelle einen Topf voll Gold vergraben und dem Präsidium Hinweise zukommen lassen, wo dieser zu finden ist – versteckt in den kryptischen Instagram-Posts von Anthony Power. Sie sehen: Die e.V.-Seite hätte in den letzten Jahren aus dem Vollen schöpfen können und schalten und walten wie sie wollte – gebracht hat es offensichtlich wenig. Die Leistung des Präsidiums erhält von mir die Schulnote 6-. Trotzdem wäre ich zu einem Treffen bereit gewesen, wenn Robert Reisinger im Büßerhemd vorm Mandarin Oriental erschienen wäre und mir eine Obstschale mit dem Kopf von Günther Gorenzel überreicht hätte. Leider habe ich auf diesen konstruktiven Vorschlag bisher keine Antwort erhalten. Beim Der Löwen-Influentsser möchte ich mich für die freundliche Einladung zu seiner Veranstaltung bedanken. Auch ohne mich ist der Event „Freie Bahn für Ssechzig!“ noch gewichtig genug – dafür sorgt der Ausrichter höchstpersönlich.

Blicken wir doch zuerst auf die Tabelle der Dritten Liga und das sportliche Geschehen: Welche Gefühle löst es eigentlich in Ihnen aus, wenn Sie sehen, dass der TSV 1860 nur im gesicherten Mittelfeld rangiert und daher auch in diesem Jahr den Aufstieg erneut verpasst hat?

Leider erlaubt mir die 50+1-Regel keinen uneingeschränkten Zugriff auf meine Emotionen, weshalb das wenig bei mir auslöst. Ich habe mich leider schon so sehr an die Dritte Liga gewöhnt, dass ich kurz davor bin, die „3“ wieder in mein Zahlenrepertoire aufzunehmen. Lange Zeit glaubte ich, dass nach der „2“ immer die „4“ kommt. Hätte ich ein Mitspracherecht in sportlichen Belangen gehabt, hätte ich mit meinem Fußballsachverstand sicher noch einmal das Ruder herumreißen können.

Hat Geschäftsführer Günther Gorenzel, dem die Verantwortung für den Sport obliegt und den Sie öffentlich kritisierten, nach dem Rauswurf von Ex-Trainer Michael Köllner in Ihren Augen überhaupt noch eine Zukunft bei 1860?

Zunächst einmal müssen wir aufklären, was wirklich zu dieser Entscheidung geführt hat. Nach Köllners bockstarker Serie mit einem Sieg in sieben Spielen scheiden sportliche Gründe für mich aus.

Sie meinten nach der Köllner Entlassung im Januar, Sie hätten erst aus den Medien davon erfahren. Fühlen Sie sich denn überhaupt rechtzeitig, umfassend und wahrheitsgetreu von Ihren Statthaltern informiert oder geben Sie der Geschäftsführung hierfür die Schuld?

Diese Art der Kommunikation geht gar nicht und ist nicht löwenlike. Ich gebe dem Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel, dem Finanz-Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer und jedem, der beim e.V. Kenntnis davon hatte, die Schuld. Ich musste leider feststellen, dass die Kommunikation bei 1860 sicherlich besser sein könnte, und ich werde den Verantwortlichen zeitnah das Entsprechende mitteilen. Was genau, das werden Sie erfahren, wenn Sie mir auf Facebook oder Instagram folgen.

Was halten Sie denn vom neuen Trainer Maurizio Jacobacci, der auf Köllner und Interimstrainer Gorenzel gefolgt ist? Trauen Sie dem neuen Coach zu, die Löwen zum Aufstieg zu führen?

Mir gefällt vieles von dem, was ich in seiner Einstellung und den Leistungen, die er aus der Mannschaft herausholt, sehe. Ob er so viel von sich selbst herausholen wird wie die Schnalz aus der Oberpfalz ist allerdings die Frage.

Themawechsel: In der Stadionfrage betonen Sie seit Jahren, einen Neubau forcieren zu wollen. Gibt es mittlerweile halbwegs konkrete Pläne in dies Richtung?

Ich habe sehr viele konkrete Pläne. Leider ist mir diesbezüglich ein kleines Malheur passiert: Wie sie wissen, bin ich ein großer Freund von Fellmänteln und Hundewelpen, die in meiner Luxus-Villa in L.A. (immer noch billig abzugeben, bei Interesse PN an mich!) herumtollen dürfen. Und einer davon hat leider kürzlich meine Pläne gefressen, die ausgedruckt auf meinem Schreibtisch lagen. Zur Strafe habe ich ihn an Peter Cassallette verkauft. Dieser unglückliche Vorfall bedeutet allerdings nicht, dass ich nicht ständig neue Pläne entwickeln und die Stadionfrage voranbringen würde. So habe ich beispielsweise Saki Stimoniaris beauftragt, mit seinem Chauffeur die Gegend um Rosenheim nach einem geeigneten Standort abzusuchen. Leider mussten die Erkundungsfahrten mehrmals abgebrochen werden, weil der Streit zwischen Saki und der Stimme aus dem Navi eskaliert ist und er an der Autobahnraststätte in Holzkirchen von zu viel Calippo-Eis Hirnfrost bekam. Ich bin allerdings zuversichtlich, dass wir hier bald erste Ergebnisse haben werden.

Die Vereinsvertreter streben dagegen eher den Ausbau des Grünwalder Stadions an, der allerdings ins Wanken geraten ist. Unter welchen Umständen würden Sie diese Pläne unterstützen, etwa bei einem größeren Fassungsvermögen als die angedachten 18.105 Zuschauer?

Das Grünwalder Stadion ist für mich keine nachhaltige Lösung. Nachhaltig wäre es z. B., wenn die KGaA einen kleinen Kredit aufnimmt (50 Millionen sollten reichen) und man ein Stück Wiese im Münchner Umland mit der Karl-Heinz-Wildmoser-Arena für 60.000 Zuschauer (mit angrenzendem Werner-Lorant-Parkhaus) versiegelt.

Sie sind seit Mai 2011 Investor der Löwen, also seit etwa zwölf Jahren. Welche Wünsche, welche Ziele hegen Sie mit 1860? Sie sprachen einst von der Champions League, von einer Augenhöhe mit dem FC Bayern. Halten Sie ihre damaligen Vorstellungen (noch) für realistisch?

Das alles hätten wir mit Sechzig längst erreicht. Aber leider stehen mit 50+1 alle Räder still, wenn der Giesinger Staat es will. Als Robert Reisinger seine Ernennung zum Präsidenten annahm, sagte er sehr schnell, dass mein Geld nicht mehr willkommen sei, und soweit ich weiß, hat er diese Worte nie zurückgenommen. Meine Geldbörse ist so prall gefüllt, wie eines der originellen Shirts aus meinem Fanshop, wenn Anthony Power es trägt. Wenn Reisinger seine Worte zurücknehmen und sich entschuldigen würde, würde ich Sechzig mit Geld überschwemmen und wir hätten einen Kaderetat im zweistelligen Millionenbereich. Es wäre alles so einfach. Und deshalb sage ich noch einmal: Ich bin nicht das Problem.

Sie haben Köllner und die Geschäftsführung im Januar getroffen, nicht aber das Präsidium. Warum nicht, obwohl Ihnen Herr Reisinger zuvor eine Einladung ausgesprochen hat?

Leider ist auch mein Erinnerungsvermögen aufgrund der 50+1-Regel stark eingeschränkt. Das muss in die Zeit fallen, in der ich beschlossen hatte, mich nicht mehr persönlich einzumischen. Soweit ich mich erinnere, habe ich an diesem Tag mittags klipp und klar über Twitter kommuniziert: „The Scheich is here“. Wenn ich mich recht erinnere, hat Herr Reisinger seinen Südafrika-Urlaub trotzdem nicht abgebrochen. Auch daran sieht man, wo beim Präsidium die Prioritäten liegen.

Gestatten Sie uns ein paar Fragen zu den Strukturen und Strömungen rund um Sechzig: Ihr Mitarbeiter Anthony Power ist im Vereinsumfeld der Löwen seit Jahren umstritten. Sie haben ihn kürzlich als “effektiv” bezeichnet. Ist Ihnen bewusst, dass ihr eigener Ruf durch sein Wirken bei Teilen der Fans Schaden nimmt?

Anthony ist eine starke, tatkräftige Persönlichkeit, er verfügt über eine sehr lange Zündschnur und ein Oberarmutszeugnis. Er ist hat den schwarzen Gürtel in Sanftmut, ist stets auf Ausgleich bedacht und eine echte Integrationsfigur. Er war der beste Geschäftsführer, den Sechzig je hatte. Ich möchte Ihre Leser herausfordern, mir in der jüngeren Geschichte unseres Vereins eine Saison zu nennen, die so schnörkellos und erfolgreich verlief wie 2016/17.

Wollen Sie den Löwenfans abschließend noch etwas mitteilen?

Ich möchte es ganz klar sagen: Als jemand, der immer darauf verzichtet hat, Ämter mit ihm nahestehenden Personen zu besetzen und der die 50+1-Regel immer respektiert hat, ging es für mich nie um Macht. Und dass ich in den letzten Jahren nur das notwendige Minimum in ein Unternehmen investiert habe, an dem ich 60% der Anteile halte, zeigt ja wohl eindeutig: mir geht es auch nicht um finanzielle Rendite. In erster Linie bin ich immer ein 1860-Fan gewesen – also verschlossen, in einem kleinen Kosmos lebend mit einem starken Gefühl von Angst vor Veränderungen.

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