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Profifußball entfernt sich von der Basis

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Fußball vereint Bevölkerungsschichten

ProfifußballDer Erfolg des Fußballs seit nunmehr weit über 150 Jahren basiert vermutlich auf zwei Dingen: Auf die Einfachheit des Spiels und auf die Tatsache, dass es ein Mannschaftssport ist. Mit wenig Aufwand kann man überall Fußball spielen. In den Arbeitervierteln und in den Studentenverbindungen. In Städten und auf dem Land. In wirtschaftlich reichen Ländern genauso wie in Armenvierteln oder in Slums. In einer langen Geschichte etablierte sich vor allem in Europa der Fußball als eine Sportart, die ganze Stadtviertel oder sogar ganze Städte vereinte. Egal ob reich oder arm: Man hatte einen gemeinsamen sportlichen Vertreter. Das hat lange gedauert. Anfänglich waren es vor allem Studenten oder Arbeiter. Aber im Grunde war es schon immer das Ziel im Sport die sozialen Schichten zu vereinen. Bei Ritterturnieren saßen die Adeligen auf teuren Bänken, das arme Volk stand ringsherum. Alle haben sie dem gleichen Rittersmann zugejubelt. Und auch in den römischen Arenen waren verschiedene Bevölkerungsschichten daran beteiligt, den gleichen Leuten zuzujubeln. Ganz zu schweigen von Olympia.

Fußball als Event

Fußball EventDer Fußball hat sich in Europa als Sportart Nummer 1 etabliert. Und bis heute sind in den verschiedenen Vereinen auch verschiedene Bevölkerungsschichten eingebunden. Aber längst haben einige findige Geschäftsleute vor allem eines verstanden: Fußball ist im Grunde wie Hollywood. Wenn man es spezialisiert und auf bestimmte Zielgruppen ausrichtet, dann ist es eine wahre Goldgrube. Machen wir uns nichts vor. Hollywood beschert uns keine großen künstlerisch wertvolle Filme mehr. Hollywood ist Mainstream. Hollywood kaut uns immer und immer wieder die gängigen und funktionierenden Muster bei Filmen vor. Großartige neue Filme kommen woanders her. Bei Hollywood bedient man sich mit Klischees und funktionierenden Mustern. Das verkauft sich, keine Frage. Und so ist es in der Zwischenzeit auch beim Fußball. Dort steckt Geld drin. Und einige Vereine haben sich längst genau darauf konzentriert: Fußball nicht als Bindeglied zwischen verschiedenen Bevölkerungs- und sozialen Schichten sondern als Event. Fußball als Marketing. Fußball als Goldgräbergrube. Die solange ausgebeutet wird bis sie versiegt. Und wir kennen die Geschichte unserer Menschheit: Solche Geldquellen versiegen immer irgendwann.

Kommerz: Der Tod des Fußballs

Ich bin der festen Überzeugung, dass der Kommerz im Fußball vor allem eines ist: Der Tod des Fußballs. Und dafür benötige ich keine Studie. Aber die gibt es. Die “Situationsanalyse  Profifußball 2017“, an der 17.330 Fans aller Clubs der ersten und zweiten Liga teilgenommen haben, spricht eine klare Sprache. Die kommerzielle Vermarktung des Fußballs nimmt überhand und die Basis geht verloren. 78,4 Prozent der befragten Fans haben den Eindruck, dass Funktionären die Geldvermehrung wichtiger sind als die Spiele an sich. Der Sport ist zweitrangig. 83 Prozent der befragten Fans sind der Meinung, dass die Führungsebenen aufpassen müssen, sich nicht von der Fanbasis zu weit zu entfernen. Das ist im Prinzip wirklich traurig. Und immerhin 51,4 Prozent haben angegeben, dass sie sich vom Fußball mittel- oder langfristig abwenden, wenn sich die Kommerzialisierung in dieser Weise weiterentwickelt.

„Irgendwann knallt es mal im Fußball“

Oliver Bierhoff

FC Bayern MünchenUli Hoeneß und Co. haben den FC Bayern groß gemacht. Haben ihn zu einem starken Konkurrenten europaweit aufgebaut. Sich mit den ganz Großen in Europa zu messen. Das ist das Ziel. Oder geht es überhaupt noch um Fußball? Geht es nicht vielmehr um Geld? Große Events und die große Show? Um GoPros bei den Bierduschen?

Nein, der FC Bayern hat nur noch wenig mit den Ursprüngen des Fußballs zu tun. Und auch die aus der Erde gestampfte Institution von RedBull Leipzig hat damit nur noch sekundär etwas zu tun. Fußball ist dort keine Leidenschaft sondern ein Event. Ja, auch dort gibt es Hardcore-Fans. Auch dort gibt es Ultras. Und vor denen habe ich sogar Respekt. Aber wenn man auf Google die Bewertungen durchliest, dann sieht man häufig, wie “toll das Event war”, wie “gut das Essen war und die Sicht” und überhaupt war auch die “Parkplatzsituation einfach spitze”. Ich frage mich dann immer wieder, warum sie nicht nach Disney Land gefahren sind …

Mit “Bundesliga” verbanden die Befragten der oben genannten Studie positive und negative Worte. Positiv nannte man “volle Stadien, “eine perfekte Organisation” oder “attraktive Stadien”. Negativ hingegen empfinden viele “Geld, Kommerz, Profitsucht” oder “zu hohe Preise”, ein “Dreiklassen-System” und “keine Spannung mehr”. Vor allem aber auch “wenig Wettbewerb an der Spitze”. Es klingt klar heraus: Der Fan möchte zwar ein gut organisiertes Umfeld, möchte schöne und volle Stadien, er möchte jedoch vor allem auch sportlichen Wettbewerb und Spannung. Interessant auch, was die Fans mit dem DFB verbinden: “Korruption” und “Scheinheiligkeit”. “Keine Transparenz” und “Vetternwirtschaft”. Und vor allem auch keine “Rücksicht auf Faninteressen”.

“RedBull: Eine Marke baut sich seinen eigenen Verein”

RedBull macht es vor. Fußball ist reines Marketinginstrument. Es fehlt die Tradition und der Grundgedanke. Ist es das, was wir wollen? Wenn man der Studie glaubt, dann wollen Fans genau das nicht. Im Gegenteil. Die Hälfte aller Fans würde sich dann vom Fußball sogar abwenden.

Ohne Investor ist Profifußball im Jahr 2017 nicht mehr möglich. Das ist ein wesentliches Argument, wenn man versucht, einen Verein auf Erfolgskurs zu bringen und ihn praktisch verkauft. Man wollte aus dem TSV 1860 München ein Event machen. Mir kann keiner erzählen, dass Hasan Ismaik als Fan rein auf den sportlichen Erfolg geschaut hat. Er sprach von Stadion, Löwen-Zoo und Hotels. Das hat mit der Grundidee des Fußballs herzlich wenig zu tun. Das könnte eine Begleiterscheinung sein, wenn man es richtig anstellt. Die Grundidee – das ist die Identifikation verschiedener Bevölkerungsschichten mit einer Mannschaft, die ihre Region, ihr Stadtviertel oder ihre Stadt vertritt.

Ich wünsche mir einen Investor, der vor allem eines macht: Die Grundidee des Fußballs finanziell zu unterstützen. Unter einer Flagge, unter einer Farbe die Bevölkerungsschichten zu vereinen. Reiche und Arme. Arbeiter und Unternehmer. Familien und Alte. Alle sollen sie in einem Sechzger-Stadion vereint sein. Events gibt es genug.

Im Moment ist 1860 auf einem guten Weg. Wünschenswert wäre nun ein Investor, der sich auf die Grundwerte des Fußballs stützt. Der nicht den “schnellen Euro” machen will, sondern unsere Tradition respektiert und bewahrt.

 

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