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München ist blau …

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… oder ein Nachmittag durch München im Löwen-Dress.

Strahlender Sonnenschein bei annähernd 30 Grad im Schatten. Was gibt es da Schöneres, als bereits um 11:00 Uhr vormittags das Büro zu verlassen und mit ein paar Kollegen durch unser schönes München von Biergarten zu Biergarten zu radeln. Einziger mir selbst auferlegter Termin an diesem Tag: 18:30 Uhr Sportanlage Siegenburger Straße (Westpark). Da trägt Sechzig heute sein erstes Vorbereitungsspiel nach der Sommerpause aus. Mal sehen, wie sich die Neuzugänge machen, wie das Bier in Sendling schmeckt. Ob das neue Dress dem Mölders genauso gut steht wie das alte?

München ist blauAber jetzt erst einmal die Sonne genießen und ab in den nächsten Biergarten. Schnell noch das Büro-Outfit mit einem leichten Biergewand ausgetauscht. In erwartungsvoller Vorfreude und mit einer gehörigen Portion verbliebener Aufstiegsenergie, habe ich mir wie selbstverständlich das aktuelle Löwendress übergezogen. Sportlich leger, multifunktional und für nahezu jeden Anlass passend. Da bist du einfach angezogen.

Von der Berg-am-Laim-Straße über den Haidenauplatz durchs schöne Haidhausen, am Landtag vorbei in die Maximilianstraße, Einkaufsmeile der Reichen und Schönen. Übers Platzl am Hofbräuhaus vorbei – soviel Kultur muss sein – und noch ganz kurz zum Sechzger-Shop hinüber geschaut. Reingehen hätte keinen Sinn gemacht. Derzeit nahezu alles ausverkauft. Aber ich hab es an, das Aufstiegstrikot im strahlenden Löwenblau. Zweimal noch in die Pedale treten, am Turm vom Alten Rathaus vorbei, und schon liegt er vor uns. Münchens Seele, der immer lebendige Viktualien-Markt. Die nächsten Schritte sind einstudiert und im Unterbewusstsein fest verankert. Fahrrad abstellen, an der Schänke anstellen, ein frisches Helles in Empfang nehmen, bezahlen und sich an einem schattigen Platz niederlassen und nur noch genießen.

Mir wird dieser Ablauf immer erst bewusst, wenn ich schon am Tisch sitze, den Krug ansetze und mir das kühle Bier die Kehle hinunter läuft. Was für ein Leben! Doch heute war es anders. Der einstudierte Ablauf wurde jäh unterbrochen, als ein mir unbekannter Passant mit der flachen Hand etwas derb auf meine Schulter schlägt und vor mir seinen Oberarm entblößt.
Was soll das, Alter?
An Zurückschlagen dachte ich im Übrigen keine Sekunde. Er war größer. Es dauerte einen Moment bis ich verstanden hatte, was er wollte. Es war sein Tattoo, das er mir zeigen wollte. Ein Löwenkopf, darunter die Zahlen 1 8 6 0. Unsere Hände klatschten wie von selbst über unseren Köpfen zusammen und ohne auch nur ein Wort miteinander auszutauschen, trennten sich unsere Wege wieder. Brüder im Geiste. Meine nicht-Fußball-interessierten Kollegen standen daneben und schüttelten nur ungläubig den Kopf.
Es sollte nicht die letzte Begegnung dieser Art an diesem Tag bleiben.

München ist blauDas Bier schmeckte nun besonders gut. Genug Energieaufnahme, um weiter zu radeln. Durchs Glockenbachviertel an der Oper am Gärtnerplatz vorbei Richtung Untergiesing. Wie schön doch dieser Stadtteil mit den vielen kleinen Häuschen ist. Vom Candidplatz, dem Treffpunkt unserer Ultraszene, hinauf Richtung Grünwalder Stadion, um dann scharf rechts auf den Harlachinger Weg am Isarhochufer abzubiegen. Das Trainingsgelände von unseren Blauen ließen wir links liegen. Wir sehen uns ja heute Abend in Sendling.
Der Biergarten Menterschwaige war unsere nächste Raststation. Ein älterer Herr mit Fahrrad, selber gerade im Begriff, den Biergarten Richtung Innenstadt zu verlassen, begrüßte mich mit den Worten: „Oh mei, des waren noch Zeiten. Früher, da hat der Radi dem Uwe Seeler den Ball noch einmal hingeworfen und zu ihm gesagt, da probier es halt noch einmal. Das war noch Fußball. Aber heute treten die sich die Füße kaputt. Es geht ja nur noch um’s Geld.“ Bestimmt hätte er mir noch viele Geschichten aus der traditionsreichen Vergangenheit unseres geliebten Vereins erzählen können. Wie er mit seinem Vater das erste Mal im Sechzger-Stadion war, wie sie 1966 Meister geworden sind, wie er als kleiner Bub im Stadion immer auf einem leeren Gurkenfassl gestanden hat, um etwas vom Spielfeld zu sehen. Und dass sie ihm regelmäßig das Fassl unter den Füßen weggetreten haben, wenn ein Tor gefallen ist. Vielleicht? Ich entgegnete dem netten Herrn nur, dass es heuer im Grünwalder wieder richtig Spaß gemacht hat, und wer weiß, vielleicht ist es gerade wieder ein bisschen so wie früher. Bodenständiger, ehrlicher Fußball im Herzen von Giesing. Beidseitiges Lächeln und ein tiefer Blick in die Augen beendete diese Begegnung. Brüder im Geiste.

Nur einen Augenblick später versuchte ich den Hinterreifen meines Fahrrades an der örtlichen Radlstation aufzupumpen, eine rote Säule, an der verschiedene Werkzeuge an Seilen befestigt hingen und eben eine Fußpumpe integriert war. „Was macht jetzt ein Blauer an einer roten Säule? Des ko ja ned guad geh.“ Es blieb wohl nicht im Verborgenen, dass ich mich mit der Tretpumpe ein wenig unbeholfen anstellte. Die Stimme aus dem Hintergrund drückte mir seine Handpumpe in die Hand. „Probiers halt mit der.“ Dank dir recht schön.
Ein Blauer war der nicht. Aber der Verein, den ich so offenkundig durch München trug, war ihm allemal sympathisch genug, als dass er mir freundlich zur Hilfe eilte. Wieder gestärkt und mit Luft im Reifen ging es weiter über die Großhesseloher Brücke wieder stadteinwärts nach Thalkirchen, um dann nach Westen Richtung Fürstenried abzubiegen. Beim nächsten Halt, im Biergarten Waldheim, der nächste Spruch eines älteren Herrn. „Ich hab auch einen Haufen Trikots der Löwen zu Hause. Aber es hat ja gar keinen Spaß mehr gemacht, eines zu tragen. Da bist du ja nur dumm angeredet oder gar ausgelacht worden.“ Ich entgegnete ihm, dass es mittlerweile wieder anders wäre: „Dein Dress kannst du wieder mit Stolz tragen. Im Grünwalder macht es wieder richtig Spaß. Komm doch auch mal vorbei.“ Ich war ihm dankbar, dass er diese Einladung nicht gleich mit einem unerfüllten Kartenwunsch seinerseits gekontert hat. Selbst hatte ich ja auch keine Dauerkarte und war trotzdem bei fast jedem Heimspiel dabei.München ist blau

Lang sind wir nicht in diesem Biergarten geblieben. Die Liveübertragung der Fußball-WM war uns irgendwie zu aufdringlich. Ich weiß es auch nicht. Ein Fußballspiel ohne Mölders im Angriffszentrum kann ich mir gerade gar nicht vorstellen. Aber wir sehen uns ja gleich.
Die letzte Station vor der Sportanlage beim BSC Sendling war dann der Rosengarten im Westpark. Auch ein schöner Biergarten. Der dortige Maibaum gefiel mir bis auf ein Schild besonders gut.

17:30 Uhr – ich verabschiedete mich von meinen Kollegen und mein Trikot durfte sich endlich unter eine Vielzahl gleichgesinnter Träger mischen. Ein Plausch im Kreise der Löwenfamilie und ein munteres Spielchen mit vielen neuen Gesichtern im Löwendress rundete diesen wieder mal gelungenen Tag ab.

München ist blauZurück auf dem Weg zum Ostbahnhof begegnete ich noch dem neuen Kleintransporter der Junglöwen, dessen Fahrer mir spontan zuwinkte. Geiles Gefühl. Wir sind hier überall. München ist blau.

So, nur noch das Fahrrad in der Friedenstraße abstellen und ab zum Gleis 11 mit der Regio Richtung Mühldorf. Auf dem kurzen Weg zum Gleis grölen dann noch ein paar farbige junge Männer im Portugiesen-Dress von der anderen Straßenseite zu mir rüber: “Sechzig, Sechzig”. Daumen hoch Jungs und ein freudiges Lächeln hinterher. Ihr habt Ronaldo, wir haben eine Mannschaft.

Endlich im Zug, der Hintern drückt ein wenig vom vielen Fahrradfahren. Mit Stolz und einem Lächeln im Gesicht denke ich an die Begegnungen des Tages zurück. Für einen Moment frage ich mich, ob mir Gleiches mit einem roten Trikot des Vereins aus der Seitenstraße auch passiert wäre? Wohl kaum. Es mögen viele sein, die mit einem solchen Trikot herumlaufen. In der allgemeinen Wahrnehmung macht es aber keinen Unterschied, ob du Turnschuhe eines bekannten Sportartikelherstellers mit drei Streifen, oder eben ein rotes Trikot mit was weiß ich wie vielen Sternen trägst. Beides nur eine Marke.
München ist nämlich blau.

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