TSV 1860 München gegen den FSV Zwickau. Trotz weltweiter Pandemie und Teilzulassung von Fans als Löwe auswärts in Zwickau. Ein Fanbericht.
Also gut. In Liga Drei rollt der nun Ball wieder und die neue Corona-Saison 2020/21 ist in vollem Gange. Alles natürlich ohne Fans. Beziehungsweise mit Teilzulassung. Je nach Infektionsgeschehen, Inzidenzwert, Gesundheitsamt, Bundesland und überhaupt und sowieso.
Unsere „Boys in Blue“ mit gutem Start in die neue Spielzeit. Alles – logisch – ohne Fans im Kreuz. Anderswo sind dagegen tausende Heim-Fans erlaubt: Zwickau, Dresden, Rostock zum Beispiel. Wettbewerbsverzerrung? Bestimmt. Es ist, wie es eben ist. Und überhaupt sind Gästefans bis Jahresende ohnehin verboten.
Und so verfolgen die einen TV-Geisterspiele akribisch und voller Elan, die anderen sehen selbige mit Bauchschmerzen an und nehmen es knurrend hin, quasi als „Ersatzdroge“. Wieder andere können Fußball nur live, in Farbe und vor Ort ertragen und finden alles andere befremdlich und wenden sich von TV-Geisterkicks ab. Am Ende des Tages muss wohl jeder für sich selbst entscheiden, wie er damit umgeht. Dass es für uns alle eine nach wie vor ungewohnte Situation ist, steht außer Frage.
Ab nach Zwickau – inkognito
Der Spielplan sah also vor, dass Sechzig am 3. Spieltag am 3. Oktober – Tag der deutschen Einheit – in Westsachsen in der Trabant-Stadt Zwickau zu Gast sein wird. Stichwort „Teilzulassung“, denn Zwickau hatte bereits sein erstes Heimspiel gegen Haching vor Publikum ausgetragen. Vielleicht wäre das ja mal wieder eine Gelegenheit, ein Spiel der Profis live zu erleben?! Vom „Abenteuer auswärts“ ganz zu schweigen. Der Gedanke allein brachte Gänsehaut und mit derartigen Gedankengängen war ich nicht allein, nachdem in Meppen in Sachen Karten nichts ging. So versuchten auch andere Löwenfans nun an Karten zu kommen. Dank einer mittlerweile üblichen PLZ-Sperre in den Onlineshops mancher Vereine war das Unterfangen auch alles andere als easy, zumindest im Vorverkauf. Allerdings klappte es über Umwege dann doch noch. Fettes merci an den Organisator der Karten, sollte hier nicht unerwähnt bleiben. Sektor A5 Haupttribüne sollte es letztendlich sein. Für 19 EURO den Sitzplatz und der Aussicht auf ein Live-Spiel in Liga Drei – jeden Cent wert. Das Erlebnis nach so langer Zeit, unbezahlbar. So war es für (fast) alle die erste Möglichkeit, seit 7. März 2020 (Auswärts in Jena), mal wieder ein Ligaspiel der Löwen im Stadion zu sehn.
Nachdem dann über diverse Kanäle durchsickerte, wer alles Karten hat, folgte das längst vermisste Prozedere: Vorfreude und das „wie fahr ma hin“? Bus fällt weg, eh klar. Vielleicht PKW? Aber wie wird die Situation vor Ort sein? Polizei? Kontrollen wegen ggf. bayrischer und/oder 1860-Autokennzeichen? Oder doch Zug? Auf Erfahrungswerte konnte kein Mensch zurückgreifen, wie diese Nur-Heimfans-Strategie in der Praxis ablaufen würde. Inkognito, versteht sich natürlich von selbst. Man wollte um´s Verrecken nicht auffallen, denn: Ja, wir haben ehrlich ein Ticket erworben und bezahlt, aber Gästefans sind dennoch weiterhin verboten.
Letztendlich entschieden wir uns – eine kleine Reisegruppe von ca. 10 Löwen – mit dem Quer-durchs-Land-Ticket einmal halb durchs Land nach „Zwigge“ zu fahren. Die Zugverbindungen waren mehr als brauchbar und günstig obendrein. Für manche ging damit ein Kindheitstraum in Erfüllung. Hand auf´s Herz, wer wollte nicht schon immer mal mit dem Gammelticket nach Zwickau?! Und so hieß es „die Nacht zu kurz, der Wecker schellt“ und das im wahrsten Sinne, denn mein Wecker sollte mich bereits um 4 Uhr morgens aus dem Bett schmeißen, herrlich. Mit Sechzig auswärts – lang ist es her.

Nachdem noch 2 Mitreisende via PKW abgeholt wurden, ging es ab zum Bahnhof Neustadt/Donau, dort sollte unsere Reise starten. Die Zugfahrt bis Regensburg war total entspannt, dort angekommen siegen wir in den Alex aus München um, in dem man endlich die anderen Mitstreiter begrüßen konnte. Geiles Wiedersehen, definitiv. Der Haufen war komplett und ab geht’s über Hof nach Zwickau. Anders als sonst an einem Samstag, waren kaum Fußballfans unterwegs, ein FSV-Fan konnte aufgrund seiner FSV-Maske (nicht FFP) in Hof beim Umsteigen identifiziert werden. Außerdem stieg in Plauen eine 20-köpfige Gruppe von VFC Ultras aus. Plauen empfing an diesem Samstag Rot-Weiß Erfurt in heimischen Gefilden, dies aber nur am Rande. Alles ziemlich locker, die Stimmung war gut, ausgelassen und auch das ein oder andere hopfenhaltige Erfrischungsgetränk wollte konsumiert werden.
In Zwickau Hbf angekommen, wurde sich in kleinere Gruppen gesplittet, Maske auf, Maul halten, keine Aufmerksamkeit erregen – offiziell sind wir ja gar nicht da, hier im Westosten. Na dann, GLÜCK AUF – ach so, das war Aue.

Ohne Probleme ging es via Bus zum Hauptmarkt und von dort mit der Tram in den Stadtteil Eckersbach, in dem die Heimspielstätte der Schwäne zu finden ist. Bisserl Disziplin ist alles. Seitens FSV wurden sämtliche Corona-Maßnahmen offen kommuniziert, um bereits bei der Anreise eine gewisse Fantrennung zu garantieren. Heute mal nicht in Ost- und West, sondern nach Stadion-Eingängen getrennt: Fans mit Tickets der Blöcke A/B steigen „Eckersbach Astronomenweg“ aus, Ticketinhaber der Blöcke C/D/E steigen „Eckersbach-Mitte“ aus. Ticketinhaber der Blöcke F/G können wieder nach Hause fahren, denn diese Blöcke gibt es gar nicht.
Endlich wieder Fußball live
Wir hielten uns natürlich an die Vorgaben und in kleinen Gruppen wurde gemütlich zum Stadion geschlendert. Sonnenschein, angenehme 20 Grad, perfektes Auswärtssieg-Wetter. Vor der Arena drückte mir eine Dame noch einen Flyer in die Hand. Was drauf stand? Keine Ahnung, aber meine Reaktion: „Merci“ – kurz ein verwirrter Blick der jungen Frau. „Merci“ sagt hier kein Mensch, derartige Automatismen lassen sich halt oft nicht unterdrücken, in diesem Fall jedoch kein Problem.
Beim Einlass ging alles easy vonstatten, ein trockenes „Hallo“, Ticket und Ausweis vorzeigen, Abstände einhalten, Mund-Nasen-Schutz, auf die ausgewiesenen Plätze gehen, alles gut. Die Ordner am Blockeingang auch sehr freundlich: „Morschn“. Morschn? Also bitte, so morsch bin ich jetzt auch noch nicht. Man merkt sehr schnell, wie schwer es sein kann, nicht aufzufliegen. Auch am Bierstand hatte ich mich wirklich bemüht hochdeutsch zu kommunizieren. Klappte auch ganz gut, denn immerhin bekam ich bereits nach der dritten Nachfrage der Ausschankdame endlich mein Getränk. Fremdsprache „Sächsisch“ hatte ich in der Schule nie gelernt und selbst wenn, wäre ich wohl mit einer glatten 6 durchgefallen. Man kann sich noch so bemühen, aber der Sachse an sich merkt selbst an einem „Hallo“, dass du kein Einheimischer bist.

Im Stadion waren überraschend viele bekannte Gesichter. Mit ein paar Gesprächen verging die Zeit wie im Fluge und zwei Getränke später wurde der Kick auch schon angepfiffen. Weitere Minute später war wieder Anstoß. Hä? 1:0 für die Löwen, nach 38 Sekunden und drei Traumpässen – verrückt! Ein leises „jaaaa“ konnten sich viele dann doch nicht verkneifen. Der Ausgleich folgte in Minute neun durch Rönny König. Keine 10 Min. vorbei und es schepperte hüben wie drüben. Unsere Löwen in den schwarz-gelben Auswärtsjerseys schlugen – zu diesem Zeitpunkt etwas überraschend – abermals zu und stellten nach 61 gespielten Minuten auf 2:1. Torschütze Dressel. Einige Löwenfans konnten ihre Freude jetzt einfach nicht mehr unterdrücken und so war spätestens jetzt klar, dass Block A5 dezent besiedelt war mit Löwen-Supporters aus Nah und Fern, alle neutral gekleidet. Gefiel einigen Einheimischen zwar weniger, aber sie werden es überleben. Ebenso im E-Block und vereinzelt im Stadion merkte man beim Tor, dass nicht nur Schwäne, sondern auch Löwen anwesend waren. Die meisten hielten sich natürlich an die COVID-Regeln und am Ende stand zur Freude aller mitgereisten Löwenfans ein Auswärtssieg auf der Anzeigetafel der GGZ-Arena.
Nach Abpfiff hieß es Masken wieder aufsetzen und zügig abmarschieren. Wir hatten nur wenig Spielraum bis unsere Tram ging und den Zug zu verpassen und am Bahnhof gammeln zu müssen, darauf hatte niemand wirklich Bock. In den vollgestopften Trambahnen – jeder hielt sich an die Regeln – verhielten wir uns abermals neutral und so erreichten wir mit Umstieg am Hauptmarkt den Hauptbahnhof pünktlich, sodass noch kurz Verpflegung geordert werden konnte. Auf dem Gleis gegenüber fanden sich – aufgrund der Fanfreundschaft zu Zwickau – noch drei Dynamo-Fans ein. Auch diesen blieb nicht lange verborgen, dass es sich bei uns um Gäste handelt. Die Dresdner teilten uns umgehend mit, was sie von uns hielten. Die Sympathien beruhten auf Gegenseitigkeit. Wurscht, wir hatten weder Zeit für solche Leute, noch Bock auf Ärger, schließlich hatten wir noch was zu feiern. Abfahrt um 16:27 Uhr und „Servus Zwigge“.

Geiles Gefühl! Ligapunktspiel live, in Farbe und in voller Länge, nach über sieben Monaten Durststrecke. Mit drei Punkten im Gepäck gings wieder „heme“. Ab Hof im Alex wieder die beliebten 6er-Abteile, auch wurde die ein oder andere Raucherpause eingelegt und der Welt mitgeteilt, dass Sechzge sein Auswärtsspiel in Zwickau siegreich gestalten konnte. So mancher Bahnreisender war richtig begeistert: „Wir sind hier nicht im Fußballstadion“ – „Ach, was sie nicht sagen, AUS AUS AUSWÄRTSSIEG!“
Die Rückfahrt war im weiteren Verlauf geprägt von guter Musik, schönen Gesprächen und jeder Menge Spaß. Man merkte, wie sehr es Leuten wie uns gefehlt hat, unter Freunden eine solche Tour zu erleben. Am Ende sind alle gesund und müde heimgekommen und waren rundum zufrieden mit dem Verlauf dieses Feiertages. Auf die Löwen!