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Missverständnis von Anfang an

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Die Beziehung zwischen Hasan Ismaik und dem TSV 1860 München ist zerstört. Seit fast 13 Jahren wird gestritten, blockiert und sich gegenseitig beschuldigt. Viele Personen waren beteiligt und nie funktionierte das Miteinander wenigstens mittelfristig. Ismaik und die Löwen sind von Beginn an ein riesen Missverständnis.

2011 stieg Hasan Ismaik beim Zweitliga-Club 1860 München ein. Der Club stand mal wieder kurz vor der Insolvenz. Präsident Dieter Schneider und Geschäftsführer Robert Schäfer schafften es in letzter Minute die Insolvenz abzuwenden. Dies gelang dadurch, dass der e.V. auf einen Teil seiner Forderungen verzichtete und durch den Einstieg Ismaiks. Am 30. Mai unterzeichneten Dieter Schneider, Franz Maget und Robert Schäfer und auf Seiten der HAM International Limited Hamada Iraki, ausgestattet mit einer Vollmacht von Hasan Ismaik, den Kooperationsvertrag. Hasan Ismaik kaufte 60% der Fußballfirma der Löwen für 13 Mio. Euro und war somit der erste arabische Investor im deutschen Fußball. Am 07.06.2011 präsentierte er sich und seine Pläne auf einer Pressekonferenz in der Allianz Arena vor fast 100 Pressevertretern. Auf die Frage “womit verdienen Sie ihr Geld” antwortete Ismaik damals mit “erst habe ich studiert, dann wurde ich Kaufmann”. Reich geworden sei Ismaik mit Immobilien und Öl. Ismaik verkündete auf dieser PK, dass er bald auf Augenhöhe mit dem FC Barcelona sein möchte.

Die gute Beziehung zwischen Ismaik und den Löwen hielt gerade mal zwei Wochen. Dann begann ein Streit, der bis heute andauert und vermutlich niemals enden wird. Im ersten Streit ging es um die zukünftigen Verträge bzgl. der Vermarktung der Löwen. Weitere Themen folgten schnell und und begleiten den Verein bis heute. Aktuell ist man wohl so zerstritten wie nie zuvor.

Denn in der Beziehung zwischen Ismaik und 1860 München gibt es grundlegende, tiefgehende Probleme, die wohl nicht beseitigt werden können. Das Löwenmagazin ist nach reiflicher Überlegung zum Ergebnis gekommen, dass vier Punkte, die von Anfang an klar waren, die eine gute Beziehung zwischen beiden Parteien unmöglich machen.

Die 50+1 Regel

Aus der Sicht von Hasan Ismaik, hat er sich den Club 1860 München gekauft – jedenfalls 60% davon – und möchte natürlich das Sagen haben. Gemäß nach dem Motto “Wer zahlt – schafft an” – genau genommen hat Ismaik aber, ausgenommen der 13 Mio. für den Anteilskauf, der Fußballfirma ausschließlich Darlehen finanziert. Franz Maget erläutert das Problem im Podcast Inside 1860 in Folge 5: “Ismaik hat seine Investition anders verstanden. (..) nicht als Beteiligung an einem Verein oder an einem Unternehmen, wo ich mich mit einem Verein immer austauschen und einigen muss, sondern er hat seine Investition von Anfang an als den Kauf eines Vereins verstanden.” Obwohl Ismaik also die Mehrheit an der KgaA hält, kann er keine Entscheidung alleine treffen und benötigt immer die Verantwortlichen der Gremien und des Vereines, genauer gesagt des Präsidiums und des Aufsichtsrates. Grundlage dafür bildet im deutschen Fußball die 50+1-Regel.

Es zeigt sich, dass die 50+1-Regel das Hauptproblem zwischen Ismaik und 1860 München darstellt. Obwohl es diese Regelung seit 1999 gibt, scheint es so, als hätte Ismaik die Regel zum Zeitpunkt seiner Investition in die Löwen nicht verstanden. Die Gespräche bzgl. seines Einstiegs liefen übrigens größtenteils über seinen Anwalt Christoph Schickhardt und seinem Berater Hamada Iraki. Im Podcast Inside 1860 berichtet Robert Schäfer von einer Sitzung, in der er der Investorenseite nochmal genau darstellen musste, was 50+1 wirklich bedeutet: “Wir hatten dann aufgeschlüsselt, hier ist der e.V., hier ist die GmbH und hier ist die KgaA. Dann ist Herr Schickhardt hingegangen, einen Stift genommen und gesagt, das ist Alles Eins. (..) Und dann hab ich gemeint, ne das ist nicht so.” Schäfer erklärte in diesem Meeting die 50+1-Regel nochmal ganz genau. Franz Maget hat zur Frage, ob Ismaik die 50+1-Regel verstanden hatte, eine klare Meinung: “Nein hat er nicht.” Er schildert dann wie die Notarsitzung ablief. Die Verlesung des Vertrages fand in deutscher und arabischer Sprache statt. Ismaik habe nach Angaben von Maget, währenddessen telefoniert, ging raus oder war eine halbe Stunde nicht anwesend. Nach den Schlüsselsätzen habe der Notar gefragt, ob der Inhalt verstanden wurde.

Nach Vertragsabschluss, ging Ismaiks Kampf gegen 50+1 dann jedoch los. Maget wurde nach eigener Aussage von der Investorenseite ein Gentlemen’s Agreement angeboten. Darin soll gestanden haben, dass “die Vereinsseite auf ihre Rechte verzichtet, dass sie sie nicht ausübt”. Nach deutschem Recht war dies natürlich nicht möglich. Ging Ismaik eventuell davon aus, dass 50+1 bald fallen würde? Nach der Eskalation in der Aufsichtsratssitzung 2013, um die Personalie Sven Göran Eriksson, den Ismaik als neuen Trainer installieren wollte, sagte Ismaik “I want to go to DFL” – wegen 50+1. Ismaik verstand bis dahin nie, dass er auf Grund 50+1 nichts alleine bestimmen und durchsetzen konnte. Nicht mal die Einstellung eines neuen Trainers. Obwohl im Kooperationsvertrag steht, dass Ismaik sich verpflichtet “nicht gegen 50+1” vorzugehen, erklärte er nach dem Doppelabstieg 2017: “Ich wollte das nie machen, aber jetzt werde ich gegen 50+1 klagen.” Ende 2023, kurz bevor die endgültige Abstimmung zur Festigung von 50+1 in der DFL anstand, stellte Ismaik dann einen Befangenheitsantrag gegen einen Beteiligten des Bundeskartellamtes. Daraufhin wurde die Abstimmung bis auf Weiteres verschoben.

Die Voraussetzung für eine Investition in einen deutschen Fußballverein, könnte für einen Investor, der Wert auf größtmögliche Mitsprache im Tagesgeschäft legt nicht schlechter sein als in Deutschland bzw. in der DFL. In keinem anderen Land gibt es eine derartige Regelung wie 50+1, die den Einfluss von Investoren so begrenzt. Ismaik hätte sich in England, Italien oder Spanien viel leichter getan.

Vorhandene Fanbasis

Warum investiert Ismaik gerade in einen fast insolventen Münchner Arbeiterverein, in einem Land, in dem 50+1 gilt? In Deutschland gibt es zwei jüngere Beispiele, wie Investoren aber dennoch Erfolg haben können. RB Leipzig und die TSG Hoffenheim. Beide Vereine verbindet, dass die Übernahme des Clubs zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die Vereine im Amateurbereich spielten. Red Bull versuchte den FC Sachsen Leipzig zu übernehmen, was aber am DFB und an Fanprotesten scheiterte und übernahm dann das Startrecht des SSV Markranstädt für die fünftklassige Oberliga Nordost für ein Jahr – ein Verein mit rund 300 Mitgliedern. Eine Fanszene bzw. organisierte Fans waren nicht vorhanden. Die TSG Hoffenheim spielte bis Ende der 90er Jahre in der Verbandsliga. Sogar im Aufstiegsjahr 2008 in die 1. Bundesliga erreichte der Club einen Zuschauerschnitt von lediglich 6.000.

Die Geschichte des TSV 1860 Münchens unterscheidet sich davon massiv. Von der deutschen Meisterschaft 1966 zehrt man gefühlt bis heute. Hunderte von Fanclubs haben sich über die Jahrzehnte gebildet. 1860 verfügt über eine breite, deutschlandweite Fanbasis und eine starke aktive Fanszene. Darüber hinaus gibt es viele organisierte Fans und engagierte Einzelpersonen. Dementsprechend natürlich viele Meinungen. Wie in überwiegend allen deutschen Fußballvereinen, gibt es aber bei 1860 (schon vor 2011) eine starke, organsierte Basis die für den Erhalt der Tradition kämpft, sich für den Erhalt von 50+1 einsetzt, sich gegen Investoren in Vereinen und der DFL positioniert oder sich gegen die übermäßige Kommerzialisierung des Fußballs einsetzt. Dies sind nicht nur Ultras, sondern viele “normale” Fans. In der Regel sind diese Fans auch vereinspolitisch aktiv, gehen wählen und ins Stadion.

Also ein ganz anderes Bild, wie man es in Hoffenheim und Leipzig vorfindet. Dort funktioniert das Investorenmodell u.a. deswegen so gut, weil es aus den eigenen Fanreihen kaum Wiederstände oder andere Meinungen gibt.

Der Marktführer von Gegenüber

Auch wenn sich Ismaik wünschte, irgendwann mal mit dem FC Bayern auf einer Stufe zu stehen, war dieses Ziel schon 2011 für 1860 München, sowie für fast alle anderen deutschen Vereine, utopisch. Bayern hatte bis 2011 22 Mal die deutsche Meisterschaft gewonnen und war schon damals der gesamten Bundesliga wirtschaftlich enteilt. Eine Besonderheit haben die Löwen exklusiv. Den deutsche Marktführer in der eigenen Stadt. Somit ist die Situation auch nicht mit Berlin oder Hamburg vergleichbar. In München wird sich kein zweiter Verein über “Erfolg” definieren lassen. Daher entwickelten sich andere Merkmale, mit denen sich die Löwenfans identifizieren konnten, wie zum Beispiel das Grünwalder Stadion, die Konzentration auf den Münchner Stadtteil Giesing oder das Image als Arbeiterverein. Das Streben nach sportlichem Erfolg ist selbstverständlich die Grundlage warum die Löwen Fußball spielen. Die Identifikation über den Erfolg, ist als TSV 1860 in München kaum möglich. Ein Sonderfall in Deutschland und keine guten Voraussetzungen für einen Investor.

Wertsteigerung – Potential gleich Null

2011 besitzt der TSV 1860 München außer den renovierungsbedürftigen Gebäude auf dem Vereinsgelände nicht mehr viel. Das Grundstück gehört der Stadt, welches per Erbpacht zuerst dem Verein überlassen wurde, diese dann unter KHW auf die KGaA übertragen wurde. Die Stadionanteile wurden 2006 verkauft und die Verträge für die Allianz Arena belasteten den Verein enorm (Stichwort: Business-Seats). Die hohen Abgaben flossen somit in die Immobilie des FC Bayern und eben nicht in das geteilte Stadion, wie vor dem Verkauf. Der Verein stand kurz vor der Insolvenz und es war nicht absehbar, wie und wann der Zweitligist Gewinne machen könnte. Die Möglichkeit zur Wertsteigerung des Vereins, die für einen Investor maßgeblich ist, war 2011 schon schwierig – jetzt 2024 gerade zu unmöglich. Wie will Hasan Ismaik jemals Gewinne aus dem TSV 1860 ziehen?

Hasan Ismaik hat sich schlichtweg den falschen Club, in der falschen Stadt, im falschen Land ausgesucht.

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