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Martin Gräfers Narrativ der 60%-40% Verteilung befeuert Lagerkampf

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Das Bündnis Zukunft 1860 hat sich gestern in den sozialen Medien zurück gemeldet. Man wolle weiterhin inhaltlich arbeiten und agiere nun als „Think Tank“. Den aktuell verantwortlichen Personen empfiehlt das Bündnis Schritte einzuleiten, um die bestehenden Gräben zu überwinden.

Vor gut einem Monat wählten die Mitglieder des Vereines den neuen Verwaltungsrat. Das Bündnis Zukunft 1860 befeuerte monatelang zuvor einen Wahlkampf, den es so in der Geschichte des Vereins noch nie gegeben hat. In den letzten Wochen vor den Wahl verbündete man sich mit Hasan Ismaik, der selbst auf Wahlkampftour ging. Enorme Anstrengungen wurden unternommen, um den aktuellen Verwaltungsrat abzuwählen und das Präsidium des e.V. zu stürzen. Das Ergebnis ist bekannt. Keiner der sieben Bündnis Kandidaten schaffte es in das neunköpfige Gremium. Zu den sieben bestehenden Verwaltungsräten wurde mit überwältigender Mehrheit Christian Dierl gewählt und auch Martin Obermüller schaffte es in den Verwaltungsrat. Dierl und Obermüller traten zuerst als freie Kandidaten an. Nachdem das Bündnis jedoch eine Liste mit einer Wahlempfehlung herausgab, musste Pro1860 reagieren und veröffentlichte selbst eine Wahlempfehlung – mit Dierl und Obermüller. Ohne das Agieren des Bündnis Zukunft, hätte es dieses Mal keine Blockwahl gegeben.

Das perfekte Playbook des Bündnis Zukunft

Fans, Funktionäre und auch das Löwenmagazin werfen dem Bündnis Zukunft vor, die vorhandene Spaltung des Vereines durch ihre Art des Wahlkampfes massiv verstärkt zu haben. Wurde das Bündnis mit dem Vorwand der politischen Neutralität gegründet, wurde dieser Weg spätestens im März verlassen. Man bediente sich seitdem einer Kommunikationsstrategie, die man vor allem von weltpolitischen Kräften kennt. „Zu behaupten, dass die Umstände, die Katastrophe, der Kontrollverlust, der wirtschaftliche Abschwung, was auch immer so schlimm seien wie noch nie – und es demnach nur eine Lösung gebe.“ (Quelle: Gilda Sahebi) Auf 1860 München übertragen, wurde quasi im Gleichklang von Bündnis und Hasan Ismaik behauptet, dem Verein ginge es so schlecht wie noch nie; mit diesem Präsidium könne es keine Zukunft geben; das Bündnis wäre die letzte Chance für 1860; die 3. Liga ist kein Profifußball, die Zukunft heißt Regionalliga; der Verein wäre von den Ultras gesteuert usw. Eine neue Opposition würde es nach den Wahlen so schnell sowieso nicht mehr geben.

Es wurde ein Untergangsszenario skizziert, welches zur Folge hatte, dass es nur noch schwarz oder weiß gibt. Grautöne werden damit eliminiert. Was das Ganze genau heißt, wird in diesem Kommunikationsstil gerne nebulös gehalten. Die Wähler dürfen sich dann gerne ausmalen, was diese Phrasen inhaltlich bedeuten. Die Strategie des Bündnis hat im Rückblick auch sehr gut funktioniert. Argumente und Inhalte spielten während der Mitgliederversammlung eine untergeordnete Rolle – das Spiel Gut gegen Böse, Erfolg gegen Nichterfolg, Ultras gegen Normale oder zuletzt Reisinger gegen Ismaik dominierte das Geschehen. Um dies zu unterstreichen sprach das Bündnis im Vorfeld noch von möglichem Gewaltpotential und vervollständigte das Bild damit, dass Klaus Lutz Personenschützer mitbrachte.

Eine Woche vor den Wahlen nutze das Bündnis, aber auch Hasan Ismaik Facebook und Instagram für ihren Wahlkampf. Kurze Videos und Bilder mit einprägsamen Botschaften wurden gepostet. „Eure Stimme für ein wettbewerbsfähiges Leistungszentrum“ war beispielsweise zu lesen und suggeriert, dass das NLZ ohne das vermeintlich richtige Wahlergebnis keine Zukunft hat. Im gleichen Stil erklärte Klaus Ruhdorfer in einem Video, es gäbe keine Zukunft. Kein Stadion, keine Turnhalle. Aber es müsse nur das Bündnis gewählt werden, dann würde alles besser werden. Das perfekte Playbook war fertig. Die vorhandenen Gräben auf das Maximum erweitert. Mehr ging nicht mehr. Dass Hasan Ismaik mit seinen Putin-und Diktatur Vergleichen auch seinen Teil beitrug, sei hier nur am Rande erwähnt.

Martin Gräfers 60-40-Aussage

Nach der Wahlniederlage für das Bündnis, wurde es ruhiger. Ruhdorfer erklärte schon auf der Versammlung seine Rede muss als Abschiedsbotschaft gesehen werden und Prof. Lutz zog sich schnell zurück. Einzig Martin Gräfer kommunizierte weiter über die sozialen Medien – mit der gleichen Strategie wie vor der Wahl. Selbstverständlich gratulierte er den Wahlsiegern zu ihrem Erfolg. Natürlich dankte er Allen, die zum Gelingen der Wahl beigetragen haben. Auch er ging vom Gas. Dennoch machte Gräfer auf subtile Weise ein Fass auf, dass die Spaltung des TSV 1860 München in einer Art manifestiert, was vorher noch Keiner geschafft hat.

„Leider konnten wir uns (Anm. d. Red: das Bündnis Zukunft) mit unseren Reformideen nicht durchsetzen. (..) Ich freue mich aber auch, dass mit rund 2.400 Personen so viele Mitglieder nach München gekommen sind. Obwohl die Verwaltungsratswahl so spät am Abend stattfand, waren wohl noch rund 2.100 Mitglieder anwesend. Rund 42% haben uns und mir ihr Vertrauen geschenkt und damit auch zum Ausdruck gebracht, dass sie einen Wechsel wollen. (..) Ab heute geht es mehr denn je darum, Gräben zuzuschütten und das kann nur gelingen, wenn die Kritik dieser 42% ernst genommen wird.“

Facebook, Martin Gräfer am 17. Juni 2024

„Eine Mehrheit von 60% hat entschieden und eine starke Minderheit von 40% sollte ebenfalls ernst genommen werden.“

Facebook, Martin Gräfer am 23. Juni 2024

Zum Einen ist die Behauptung, wie viele Mitgliedern wann anwesend waren faktisch falsch. Peter Schaefer aus dem Wahlausschuss schrieb nach der Wahl: „Als die Wahlurnen für die Verwaltungsratswahl öffneten, waren 2.321 stimmberechtigte Mitglieder anwesend. Das waren genau 65 stimmberechtigte Mitglieder weniger als während des Höchststands, der während der Mitgliederversammlung gezählt wurde.“

Zum Anderen vergrößert Gräfer mit seiner 60-40-Aussage die Gräben bei den Löwen auf ein Maximum. Er zeichnet ein Bild, dass 60% der Mitglieder für den aktuellen Kurs sind, 40% dagegen. Er spricht sogar davon, dass 42% dem Bündnis und sogar ihn selbst gewählt haben. Diese Milchmädchen-Rechnung ist einfach falsch. Von den tatsächlich abgegeben Stimmen wählten ca. 30% die Mitglieder des Bündnis Zukunft, ca. 60% die Personen des Verwaltungsrates und ca. 10% andere Bewerber. Von den Personen, die sich nicht dem Verwaltungsrat oder dem Bündnis zuordnen lassen, erreichten Gernot Mang und Saki Stimoniaris zusammen fast doppelt so viele Stimmen wie alle Restlichen. Weder Mang noch Stimoniaris unterstützen den Kurs des Bündnis Zukunft. Pauschal von einer (starken?) Minderheit von 40%, geschweige den von 42% Unterstützern des Bündnis zu sprechen ist Populismus. Gräfer gießt mit seinem auf Zahlen runtergebrochenem Mehrheit-Minderheit-Vergleich, literweise Öl ins Feuer des Lagerdenkens der Fans. 60% böse, 40% gut…oder Umgekehrt. Ein einfaches Bild, das Jeder versteht.

Im Kommentarbereich des Bündnis‘ hat sich dieses Bild schon erfolgreich etabliert. Das 60-40-Narrativ wird genutzt und wiederholt. Richtiger wird es dadurch nicht – was aber vermutlich auch gar nicht das Ziel solcher Aussagen ist. Man will ein Bild schaffen. Die Spaltung des Vereines kann nun sogar in Zahlen gemessen werden. Klar und einfacher geht es nicht. Von Gräben zuschütten kann keine Rede sein. Dieser Aufgabe entzieht sich das Bündnis aber sowieso. In ihrem gestrigen Post auf Facebook, delegieren sie diese Aufgabe an die „handelnden Personen“. Eine subtile Formulierung die einen sprachlos zurück lässt.

Der Wahlkampf des Bündnis gemeinsam mit Hasan Isamik hat tiefe Wunden hinterlassen und die vorhandenen Gräben verbreitert und vertieft. Verantwortlich fühlt sich von den Verursachern typischerweise keiner. Es scheint so, dass der Vertreter des Hauptsponsors „die Bayerische“ und das Bündnis-Team sich entschieden haben, ihre Wahlkampf-Strategie fortzusetzen.