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Journalist verrät: Wir leben überwiegend vom Polizeibericht

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Schaut man sich manche Presseberichte zu den Vorfällen rund um das Spiel gegen den FC Augsburg II an und war selbst vor Ort, dann muss man sich schon wundern. Vieles passt nicht wirklich mit dem zusammen, was man live sieht. Nimmt man sich den Polizeibericht zur Brust, dann sieht man schnell, dass die meisten Berichte in den Zeitungen ausschließlich auf den dort geschilderten Tatsachen basieren.

Die Fanbasis, nach zwei Stunden Wartezeit:

Vor Ort? Ist selten jemand …

Gegenüber dem Löwenmagazin verrät uns ein Journalist: “Wir leben überwiegend von Polizeiberichten. Was die Fans wirklich vor Ort tun, das bekommen wir in den seltensten Fällen mit.” Um die Fans vor Ort zu erleben fehlt oftmals die Zeit und auch die Ressourcen. Wer mit der Kamera vor Ort sein will, der muss auf externe Kameraleute zurückgreifen.” “Wir sind für die Sender kostengünstiger”, verrät uns ein Kameramann, der regelmäßig für die Presse arbeitet: “Wir sind selbstständig, schreiben eine Rechnung und die Sender müssen keine Lohnsteuer zahlen oder sich Gedanken über unsere Rente machen.” Deshalb schaut er auch ganz genau auf die Uhr. Jede Minute wird er extra berechnen.

Aufgrund mangelnder Recherche: ein verzerrtes Bild

Polizeisperre Fans 1860Und so kommt es natürlich schnell vor, dass wesentliche Punkte weggelassen werden. Zum Beispiel die Tatsache, dass der überwiegende Kern der Fangemeinde zwei Stunden friedlich auf dem Hauptbahnhof wartete. Eingekesselt von der Polizei. Ohne zu wissen, was die nächste halbe Stunde bringt, was weiter passiert oder ob es überhaupt weiter geht. Was für mich, der selbst ausgebildeter Offizier ist, jeglicher deeskalierender Taktik und Vorgehensweise widerspricht. Darunter auch, das ist kurios, Leute über 70. Die entschieden hatten mit dem Zug zu kommen, was erst einmal löblich ist. Aber dann von den Polizisten in die Menge der Ultras gebracht wurden. Ältere Männer und Frauen, die von Polizisten schroff zurecht gewiesen werden, weil sie mit ihren Schals eindeutig als Fans identifizierbar sind. Auch TV-Koch Martin Baudrexel wollte durch eine Absperrung und wurde abgewiesen, weil er mit einem Sechzger-Schal erkennbar als Fan sei. Seine Worte: “Ich leugne doch nicht meine Farben”. Kein Wort verliert die Presse darüber. Verständlich, sie war ja nicht vor Ort. Lediglich das ZDF war mit einer Kamera am Hauptbahnhof, aber der Reporter wirkte nicht so richtig, als würde er wissen, was vor Ort passiert.

TV-Koch Martin Baudrexel: Am Sonntag im Fan-Talk des Löwenmagazins

In den Mittelpunkt werden dann leider Einzeltaten gerückt. Von dunklen Gestalten, die nicht aus der zentralen Mitte der Fangemeinde kommen. Denn die wartete friedlich zwei Stunden vor dem Haupteingang. Niemand versuchte krampfhaft zu den gegnerischen Fans zu kommen. Man wollte weiter und nicht die gesamte Mittagszeit am Bahnhof verbringen. Was durchaus verständlich ist. An Toiletten zum Beispiel dachte die Polizei in keiner Weise. Sie ermöglichte den Fans nicht einmal die Bahnhofstoilette zu nutzen. Demzufolge musste die dortige Gaststätte herhalten. Sicherlich nicht gerade zu Freude der Wirtsleute.

“Fangewalt und aggressive Grundstimmung der Löwen? Von wegen!”

Exekutive gibt quasi Berichterstattung vor

PolizeiberichtEs ist schwierig, wenn die eigentliche Berichterstattung nicht von der Presse kommt, sondern eben von der Pressestelle der Polizei, die zweifelsohne eine völlig eigene Sicht hat. Und die deckt sich oftmals nicht einmal mit dem, was die Beamten vor Ort erleben. Darunter auch ein bekennender Sechzger, der nun mal Dienst hat, aber zufrieden mit den Fans ist. Weil am Hauptbahnhof eben doch alles friedlich ist. Sicher, über Funk bekommen die Zugführer mit, dass es in der Stadt an anderen Ecken Probleme gibt. In den Zeitungen wird dann am Abend von “Fan-Ausschreitungen” und “Krawallen”, “Fan-Kriminalität”, “Tumulten” und “Fan-Randale” die Rede sein. Recherchiert am Laptop und nicht vor Ort. Herauskopiert aus einem Pressebericht der exekutiven Gewalt. Solche Überschriften werden der großen Masse an Fans jedoch nicht gerecht. Und vor allem muss man sich dann doch überlegen, wer sich in unserer Demokratie kritisch gegenüber der Polizei äußert. Hier sollte die Presse eigentlich eine unabhängige und neutrale Rolle einnehmen. Das gelingt jedoch kaum, wenn die Polizeidienststelle die einzige Quelle für die Berichterstattung ist.

Polizeibericht Augsburg: Regionalligaspiel FC Augsburg II – TSV 1860 München

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