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Ist der Konsolidierungskurs des TSV 1860 München gescheitert?

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Der TSV 1860 München hat im Bundesanzeiger seine Bilanz für die Saison 2018 / 2019 veröffentlicht. Fans der Löwen sind in Sorge. Ist der Konsolidierungskurs gescheitert?

Reinhard Friedl steht dem Löwenmagazin als Fachmann aus der Finanzbranche immer wieder zur Verfügung. Wir haben mit ihm über die Bilanz der Löwen gesprochen. Vor allem aber ihm die Frage gestellt, wie er die Zahlen im Hinblick auf den Konsolidierungskurs bewertet.

Fragen und Antworten

Die Bilanzen für die Saison 2018 / 2019 sind veröffentlicht. Was sind das überhaupt für Dokumente und wieso müssen sie veröffentlicht werden?

In Deutschland gibt es für alle Kapitalgesellschaften (AG und GmbH), sowie für Personengesellschaften, bei denen keine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter eingetragen ist, also z.B. GmbH & Co KG und für sonstige Unternehmen, die eine gewisse Größe überschreiten die Publizitätspflicht (Offenlegungspflicht). Dies bedeutet, dass die jährlich Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung sowie entsprechende Erläuterungen (Anhang) im Bundesanzeiger veröffentlicht werden müssen.

Was kann jemand, der aus der Finanzbranche kommt, da nun herauslesen?

Geschäftspartnern wird ermöglicht, sich über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu informieren. Speziell bei Kapitalgesellschaften gibt es Haftungsbegrenzungen. Die Bilanzen und die Gewinn- und Verlustrechnung sind alle nach einem vorgegebenen Schema aufgebaut. So können Geschäftsleute, die ja selbst Bilanzen für ihr Unternehmen aufstellen müssen, schnell die entscheidenden Zahlen ersehen. Zudem gibt es zu den reinen Zahlen einen Lagebericht, der die Situation der Gesellschaft beschreibt.

Markus Fauser, der Interims-Geschäftsführer von 2017, hatte einen Konsolidierungskurs ausgerufen. Kritiker behaupten nun, die veröffentlichten Bilanzen würden klar zu erkennen geben, dass man eben nicht konsolidiert. Haben die Verantwortlichen versagt?

Der Konsolidierungskurs ist keineswegs gescheitert. Auch wenn es für das Geschäftsjahr 2018/2019 nochmals einen Verlust von 4,3 Mio € gab. Für diese Saison ist zu bedenken, dass die Mannschaft gerade von der 4. Liga in die 3. Liga aufgestiegen war. Es waren bereits Spieler wie Abruscia, Böhnlein, Paul und Wilsch für die 4. Liga als Verstärkung vertraglich gebunden. Mit dem Aufstieg kam nicht nur beim Trainer Daniel Bierofka die Angst auf, dass man in der 3. Liga nicht bestehen kann. Auch die Fans und die Presse forderten Dritt-Liga-taugliche Spieler und auch den ein oder anderen Kracher. Obwohl schon zum Lizenzerhalt ein Darlehen von 2 Mio € von der Bayerischen zugesagt wurde, gelang es dem Trainer, zusammen mit dem sportlichen Leiter bei dem Hauptanteilseigner nochmals einen Kredit in Höhe von 2 Mio € herauszuleiern. Allerdings war die Vorgabe vom e.V., dieser Kredit in Genussscheine umgewandelt werden muss. Somit konnten weitere Spieler wie Grimaldi, Moll, Belkahia, Lex und Bekiroglu geholt werden. Allerdings mussten diese Spieler eben aus den Kreditmitteln bezahlt werden. Was mich verwundert ist, dass speziell die Leute die bei der Verpflichtung von Grimaldi, Moll, Lex oder Bekiroglu laut gejubelt haben, sich jetzt echauffieren, dass für die erste 3. Liga Saison ein entsprechender Verlust aufgetreten ist.

Was kann der Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer für Erkenntnisse für die kommende Saison aus den Bilanzen ziehen?

Herr Pfeifer ist Fachmann genug um die entsprechenden Erkenntnisse zu gewinnen. Aber für mich, der sich mittlerweile 50 Jahre mit Finanzen beschäftigt ist erkennbar, dass trotz der hoch überschuldeten Fußballfirma KGaA, der richtige Weg eingeschlagen wurde. Durch Umwandlung von Darlehen in Genussscheine sind aktuell noch 13 Mio € Darlehen von HAM und 33 Mio € Genussscheine in der Bilanz. Da die Genussscheine zwar auch Verbindlichkeiten sind, aber trotzdem zum Eigenkapital gezählt werden, kommt immer mehr die Unwucht aus der Bilanz. Die Darlehenszinsen belasten die GuV, werden aber gestundet. Dies bedeutet, dass es zu keinem Kapitalabfluss kommt, allerdings erhöhen sich um diesen Betrag die Verbindlichkeiten. Auf der anderen Seite wird dieser Betrag durch die Beteiligung der Genussscheine am Verlust wieder in der GuV nahezu egalisiert.

Und die Gesellschafter?

Es sollte oberstes Ziel sein eine vernünftige Kapitalerhöhung mit Beteiligung einer “Dritten Partei” in absehbarer Zeit durchgeführt werden. Für den e.V. als Gesellschafter stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist 49 % an einem kranken Unternehmen zu haben oder evtl. nur 25 – 30% an einer wettbewerbsfähigen Firma. Hier muss aber bei den Mitgliedern durch Transparenz der Weg dazu vorbereitet werden. Transparenz bedeutet für mich z.B. aufzuzeigen, was in der Summe von 7,5 Mio € als “Sonstige betriebliche Aufwendungen” alles steckt. Hierzu fehlen in den Erläuterungen der Bilanz entsprechende Hinweise und Aufschlüsselungen. Auch wäre interessant zu erfahren, um welche Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen es sich bei 4,6 Mio € (aus Gesamtbetrag 6,3 Mio €) gegenüber H.I. Squared handelt.

Die Fragen und Antworten sollen Grundlage für eine Diskussion sein. Ihr habt hierzu weitere Fragen? Gerne könnt ihr sie im Kommentarbereich stellen. Reinhard Friedl wird sie euch dann beantworten.

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