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16.01.2017, Fussball 2.Bundesliga 2016/2017, Trainingslager TSV 1860 München im Trainingscamp One Troia (Portugal). Investor und Aufsichtsratsvorsitzende Hasan Ismaik (1860 München) PUBLICATIONxNOTxINxSUI 16 01 2017 Football 2 Bundesliga 2016 2017 Training camps TSV 1860 Munich in Training Camp One Troia Portugal Investor and Supervisory Board Chairman Hasan Ismaik 1860 Munich PUBLICATIONxNOTxINxSUI

Ismaik, Israel, Palästina und warum man das Thema nicht klubpolitisch nutzen sollte

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1860-Gesellschafter Hasan Ismaik hat in den sozialen Medien den Palästinensern den Sieg gewünscht. Manch einer sieht dahinter eine einseitige Positionierung, andere sogar Antisemitismus. Doch die Sache ist deutlich komplexer und sollte nicht für klubpolitische Zwecke missbraucht werden. Ein Kommentar für Mitglieder der Löwenheimat Giesing.

Der TSV 1860 müsse auf die Äußerungen von Hasan Ismaik im Hinblick auf den Konflikt im Gazastreifen und in Israel reagieren, so einige Fans in den sozialen Medien oder auch bei uns im Löwenmagazin. Manche wiederum fordern sogar die sofortige Trennung von Ismaik. Beides sind Forderungen die an der Sache vorbeigehen. Fans müssen aufpassen. Man darf die Äußerungen nicht für klubpolitische Zwecke missbrauchen. Vor allem aufgrund ihrer Komplexität.

Hasan Ismaik ist wohl einer der am meisten missverstandenen Personen, wenn es um Aussagen rund um Palästina und Israel geht. Er polarisiert und im Grunde ist er dafür auch selbst verantwortlich. Seine Aussagen treffen stets einen komplexen Nerv. Auf beiden Seiten. Und es ist schwierig diese Komplexität in nur einem Artikel zusammenzufassen.

Zunächst ist anzumerken, dass die Familie von Hasan Ismaik ursprünglich aus Palästina kommt. Und zwar aus der Stadt Qalqilya im Westjordanland. In jordanischen Hauptstadt Amman hat Ismaik sogar eine gemeinnützige Stiftung für Vertreter aus dieser Stadt gegründet. Dabei muss man wissen, dass rund die Hälfte der jordanischen Bevölkerung palästinensische Wurzeln hat und viele auch aus Qalqilya kommen. 1967 wurde die Stadt von der israelischen Armee erobert und die Bevölkerung vertrieben. Später erlaubte man zwar den Palästinensern die Rückkehr, viele blieben aber in Jordanien. So wie auch Ismaiks Familie. Anzumerken ist natürlich, dass Ismaik selbst da noch lange nicht geboren war. Es ist dennoch eine Frage der Identifizierung. Ismaik selbst betont immer wieder seine palästinensische Abstammung.

Die Eroberung 1967 begründete Israel mit dem Selbstverteidigungsrecht. “Das Selbstverteidigungsrecht nach dem Völkerrecht gibt dem Staat aber kein Recht, die besetzten Gebiete des Kriegsgegners dauerhaft und endgültig zu annektieren”, erklärt hierzu offiziell der Deutsche Bundestag. Hierzu gab es auch eine Resolution des VN-Sicherheitsrates. Israel hat mehrfach dagegen verstoßen. Die Palästinenser sind in den über 50 Jahren dieses Konflikts mehrfach Opfer von völkerrechtswidrigen Aktionen seitens der Israeli geworden. Das sieht auch offiziell die Bundesrepublik Deutschland so und dies muss man im Hinterkopf behalten.

Im Jahr Sommer 2020 hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu offiziell verkündet, dass man vor hat, das teilweise Westjordanland in den Staat Israel einzugliedern. Diese Annexion muss als völkerrechtswidrig angesehen werden (Art. 2 Nr. 4 VN-Charta). Israel hat damit eine völkerrechtswidrige Handlung angekündigt und die ohnehin schon schwierige Konfrontation mit Palästina massiv verschärft. Im gleichen Jahr gab es dann das Abraham-Abkommen zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrein. Ein Friedensabkommen dieser Länder das aber, so Kritiker, vor allem auch wirtschaftlichen Interessen zwischen Israel und den Emiraten dient. Weil hierbei der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern völlig unter den Tisch gekehrt wurde, sorgte dies vor allem bei islamistischen Gruppierungen in Palästina für viel Kritik. Die arabischen Länder hatten nämlich im Abkommen weder die Gründung eines palästinensischen Staates gefordert, noch den Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten. Die Besetzung ist, wie bereits geschrieben, völkerrechtswidrig.

Hasan Ismaik schrieb im Jahr darauf einen Artikel, bei dem er die Annektierung Palästinas durch Jordanien forderte. Er hoffte damit, dass sich der arabisch-israelische Konflikt beilegt. Denn anzunehmen war bisher, dass das sogenannte Abraham-Abkommen nur richtig funktioniert, solange der Konflikt rund um Palästina nicht eskaliert. Bei der Annektierung Palästinas durch Jordanien schlug Ismaik vor, dass man den Staat als “Haschmetisches Königreich Jordanien und Palästina” bezeichnet. Die Palästinenser sollten dann den König von Jordanien anerkennen. “Schwache” palästinensische Bewegungen wie die Hamas (!) oder die Fatah müssten diese vollendeten Tatsachen dann akzeptieren. Ihre einzige Möglichkeit wäre dann, ihre Ziele politisch durch Parteien und im Parlament zu erreichen, so Ismaik. Im Parlament des jordanischen Königreichs. Bei der Hamas reden wir von einer extremistischen fundamentalistisch-islamischen Vereinigung, die vor allem im Gaza-Streifen aktiv ist. Bei der Fatah von der größten Fraktion in der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO. Die Hamas ist nun diejenige Terrororganisation, die nicht nur den Gaza-Streifen kontrolliert, sondern auch mit den Terrorangriffen auf Israel begonnen hat.

Hasan Ismaik sorgte nun mit einem Beitrag in den sozialen Medien mehr oder weniger für Aufregung, weil er den Palästinensern im Gaza-Streifen den Sieg wünscht. Das ist tatsächlich fragwürdig, wenn man sich als Person des öffentlichen Lebens dermaßen einseitig äußert. Ismaik weiß vermutlich durchaus, wie diese Äußerung bei seinen überwiegend arabischen followern ankommt. Nämlich auch als Positionierung für eine Konfliktpartei. Doch diese Positionierung steht im Widerspruch zu seinen Äußerungen von 2021. Die Eskalation dieses Konflikts, und der Konflikt eskaliert mehr, umso mehr Unterstützung die Hamas erfährt, steht im Widerspruch zum Abraham-Abkommen zwischen Israel und den Emiraten. Dabei darf man nicht vergessen, dass Ismaik zwar palästinensischer Herkunft ist, aber nun in den Emiraten lebt und in der Vergangenheit stets die Interessen der Emirate vertreten hat. Vermutlich vor allem aufgrund wirtschaftlicher Interessen. Dass er sich im Extremfall nun mit der Hamas solidarisiert, ist unlogisch. Vor allem, weil er bei der Hamas als “Volksverräter” und “Vertreter zionistischer Interessen” bezeichnet wird. Ismaiks Beitrag über den “Sieg” für die Palästinenser ist also entweder aus einer Emotion heraus, oder aber spricht von keinem militärischen Sieg, sondern von einem symbolischen Sieg für die Menschen im Gaza-Streifen. So oder so ist die Aussage natürlich unglücklich, muss aber differenzierter betrachtet werden. Ihm sogar Antisemitismus zu unterstellen, ist fragwürdig.

Aber kommen wir zurück zu den Löwen. Ismaik ist tatsächlich eine Person voller Widersprüche und Aussagen, die man differenziert sehen kann. Und ob er damit als Gesellschafter eines deutschen Klubs tatsächlich geeignet ist, kann man hinterfragen. Was nicht passieren sollte, weil es weder dem israelisch-palästinensischen Konflikt, noch dem TSV 1860 München gerecht wird, ist die Ausnutzung seiner aktuellen Aussage um hier klubpolitisch gegen ihn vorzugehen.

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