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“I bin a Sechzga” – Reinhard Friedl

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An einem der vergangenen sonnigen Spätsommertage. „Mei Chef muaß heid auf mi verzichtn, weil i lieg vui liaba mit dia im Gras. Is wieder Sommer, is wieda Sommer, Sommer in der Stadt.“ Der Auszug aus einem Lied der Münchner Band „Spider Murphy Gang” konnte an diesem Arbeitstag passender nicht sein. Dieser Nachmittag gehörte dem TSV 1860 München, genauer einem ganz besonderen Fan. Es freute mich sehr, dass sich Reinhard Friedl für einen netten Plausch unter schattigen Kastanien Zeit genommen hat. Nun gut, wir lagen nicht im Gras, sondern saßen bequem vor dem Wirtshaus „Giesinger Garten“, dessen Wirt im Übrigen, genauso wie Reinhard Friedl, Mitglied bei den Unternehmern für Sechzig ist. Ein kühles Bier und eine schöne Mahlzeit von der Mittagskarte später kannte ich schon die Berufskarriere meines Gegenübers. Unsere Sprachinsel war der TSV 1860 München, aber hier war schnell klar, es geht um Gott und die Welt und im Besonderen um Zahlen.

Eine Welt aus Zahlen, oder “was san scho drei Pfennig?”

Dass sich der Friedl Reinhard mit Finanzen auskennt, ist in der Löwengemeinde bestens bekannt. Seine offenen Briefe, Kommentare und Posts in den sozialen Medien (u.a. auch hier im Löwenmagazin) haben ihm viel Respekt sowohl bei Fans, als auch bei Verantwortlichen des TSV 1860 München eingebracht. Seinen Sachverstand im Bereich der Finanzen hat er sich im Laufe seiner Karriere als Bankangestellter erworben. Dabei ist ihm nie etwas in den Schoß gefallen. Sein tiefes und fundiertes Wissen eignete er sich größten Teils selber an und wurde im Laufe des Berufslebens schnell zum Ausbilder und zum gefragten Dozenten. In der damaligen Bankfiliale in Ottobrunn war er beispielsweise Mentor von Rainer Berg (Torwart beim TSV 1860 München von 1991–97) während dessen Lehre. Dass einmal Bilanzen zu seiner Passion werden würden, wurde dem heranwachsenden Reinhard im zarten Alter von 17 Jahren bewusst. Er half dem Vater bei der jährlichen Bilanz für das familieneigene Textilgeschäft. Bei einem Jahresabschluss blieben doch tatsächlich drei Pfennig übrig, um die es in der Bilanz auf der Haben-Seite fehlte. Während die Mutter noch abwinkte und die drei Pfennig als hinzunehmenden Bagatellbetrag hinstellte, fuchste es den Reinhard und seinen Vater um so mehr. Die Bilanz wurde noch stundenlang auf den Kopf gestellt, bis klar war, dass die drei Pfennig noch das kleinste Problem waren. „Eine Bilanz muss immer ausgeglichen sein,“ sagte sich der Friedl und tauchte von nun an immer tiefer in die Welt der Zahlen. „Wenn ich etwas nicht verstehe, dann frage ich. Und ich will es verstehen. Das war schon immer so.“

Heute profitiert nicht nur das Löwenmagazin und damit viele weiß-blaue Anhänger von seinem Sachverstand. Auch der SC München, bei dem der Friedl Reinhard seit den 90er Jahren in wechselseitigen Ämtern ehrenamtlich tätig ist. Aber auch die Unternehmer für Sechzig wissen die Kompetenzen eines Reinhard Friedl zu nutzen. Der Reinhard lässt sich nicht lange betteln und ist immer hilfsbereit, dabei sagt er aber immer auch seine ungeschminkte Meinung. Das war schon immer so – im Berufsleben, wie auch in seiner Freizeit. Bei Reinhard Friedl weißt du, was du bekommst. Das hat auch der neue Geschäftsführer für Finanzen Marc-Nicolai Pfeifer schon mitbekommen. Der kontaktfreudige Geschäftsführer der Löwen ließ sich erst neulich beim Sommerfest der Unternehmer für Sechzig blicken und zeigte sich offen für jeglichen Austausch mit den anwesenden Mitgliedern.

Wie bist Du eigentlich ein Löwe geworden?“

In den 60er Jahren verbrachten die Löwenspieler unter der strengen Führung von Max Merkel regelmäßig vor den Bundesliga-Heimspielen ein Kurztrainingslager am Ammersee. Untergebracht waren die Meisterkicker in der damaligen Sportschule Wartaweil und trainiert haben die Merkel-Schützlinge in Erling bei Andechs und eben in Dießen, dem Geburtsort vom Reinhard. Dort schaute der damals zwölfjährige Bub den Meisterlöwen beim Trainieren zu. Eine beeindruckende Sache für einen heranwachsenden, fußballbegeisterten Burschen. Zu den damaligen Kurzaufenthalten der Löwen am nahen Ammersee, zu denen beileibe nicht nur das Fußballspielen gehörte, haben wir einen interessanten Artikel gefunden. Bitte hier klicken: „Hund warns scho, de Meister-Löwen“.

So richtig infiziert vom Löwen-Virus wurde Reinhard Friedl erst, als ihn sein älterer, damals 17-jähriger Bruder, an die Hand nahm und mit dem zwölfjährigen Bub im Zug nach München fuhr. Es war der 14.08.1965. Der erste Spieltag in der dritten Saison der noch jungen 1. Bundesliga. Max Merkel führte die Löwen 1963 aus der Oberliga Süd ins neugegründete Fußballoberhaus. Nach einem siebten und einem vierten Tabellenplatz ging es erwartungsvoll in eine neue Saison. Der erste Gegner an diesem Tag war ein damals noch unbekannter Aufsteiger aus der Regionalliga-Süd. Da an diesem Tag zwei Münchner Mannschaften im damals schon Städtischen Stadion an der Grünwalder Straße aufeinander trafen, war die Strahlkraft und der Zuschauerandrang vor diesem Aufeinandertreffen groß. Das ließ auch die Friedls in Dießen am Ammersee nicht kalt. Der Reinhard wollte die Löwen endlich auch einmal in einem richtigen Stadion in der großen Stadt München besuchen. Und so wurden die Augen des Buben an der Hand des Bruders immer größer, je näher sie dem „Sechzger“ gekommen sind. Dabei erinnert er sich noch gut an die Fahrt mit der Tram auf Giesings-Höhen. Die kleine Straßengondel war brechend voll, dass die Türen offen bleiben mussten. In der Tram waren alle freundlich und stets hilfsbereit, dass „da Bua ja ned dadruggd wead.“ Am Nockherberg vorbei hörte er das Klirren der Bierkrüge aus dem berühmten Wirtshaus herüber schallen. Die Leute strömten von überall her in Richtung Stadion, das kurz vor Anpfiff mit 44.000 Zuschauern aus den Nähten zu platzen schien. Der Reinhard und sein Bruder standen dicht gedrängt in der Westkurve. Auch hier war der kleine Bub begeistert von der Hilfsbereitschaft der umstehenden Fans. „Bua geh her, dahintn sigsd ja nix.“ Bereits in der ersten Minute schepperte es im Kasten des Aufsteigers. Timo Konietzka überwand nach Vorarbeit von Peter Grosser den Gäste-Keeper Schmidt, Huber, Maier, oder so ähnlich. Das 1:0 blieb das goldene Tor des Spiels und bescherte so den Löwen einen standesgemäßen Auftakt in die Meistersaison. Für den Reinhard war dieser 14.08.1965 ein Schlüsselerlebnis auf Giesings Höhen.

Sechzig gehört den Fans

Und als hätte ich danach gefragt, legte der Reinhard noch einen drauf: „Weißt warum mia de Rodn vo Anfang o ned gfoin ham? Weil die immer eine Ausred ghabt ham. Wenn de unta da Woch gspuid hom, hods imma ghoaßn, mia ham uns gschond füa des Spui am Wochenend.“ Tja, und das obwohl die Harlachinger so klangvolle Namen in ihren Reihen hatten. Wie hieß der Towart noch gleich?

Und so vergingen die Jahre. Geldverdienen und eine Familie gründen stand im Vordergrund. Der Fußball, die Leidenschaft zu Sechzig blieb. Zumindest dem Grunde nach. Denn mit dem Auszug in die Allianz Arena konnte sich Reinhard Friedl zu keinem Zeitpunkt anfreunden. Was sich der „gemeine“ Fan damals schon dachte, war für den ausgebildeten Finanzexperten Friedl von Anfang an Gewissheit. Sechzig würde sich mit dem Projekt am Müllberg übernehmen. Und so kam es auch. Für Reinhard Friedl ging der TSV 1860 München damals sehenden Auges den Weg ins Verderben. Das war nicht seine Welt. War er in der Bundesligazeit Ende der Neunziger noch öfters im Olympiastadion, so führte ihn der Weg mit dem Umzug nach Fröttmaning nur noch selten zu den Löwen. Eine Renaissance seiner weiß-blauen Leidenschaft erlebte Reinhard Friedl erst wieder, als das Löwenmagazin online ging. Okay, dem interessierten Leser kann man nichts vormachen. Das hat der Reinhard natürlich nie so gesagt. Es war der Abstieg in die Viertklassigkeit. Aus Sicht eines Finanzexperten fand er damals schon (2011) die Hereinnahme eines Investors für den falschen Weg. Für ihn war es nichts anderes als der Verkauf des Vereins an einen unbekannten Geschäftsmann. 2017, wo es wieder um eine drohende Insolvenz ging und Sechzig den Absturz in die Amateurklasse hinnehmen musste, packte es ihn als Fan. Die Löwen kehrten endlich wieder in ihre Heimat nach Giesing zurück.

Die handelnden Personen mögen in den Augen vieler Fans in dieser schwarzen Stunde des Vereins eine schlechte Figur abgegeben haben. Nach Meinung von Reinhard Friedl konnte dem Verein nichts besseres passieren, als dass Hans Sitzberger und Heinz Schmidt dem Präsidium des Vereins erhalten geblieben sind. Er rechnet es auch Robert Reisinger hoch an, dass er in dieser schwierigen Lage, in der sich der Verein befand, bereit war, das von Herrn Cassalette über Nacht freigeräumte Amt des Präsidenten zu übernehmen und sich in der darauffolgenden Mitgliederversammlung zur Wahl gestellt hat. Aus seiner Sicht haben die Herren Reisinger, Sitzberger und Schmidt den Fans Sechzig wieder zurück gegeben. Für Reinhard Friedl Grund genug, endlich auch Mitglied im e.V. zu werden. Da befand sich der Reinhard in bester Gesellschaft. Das muss man sich schon einmal auf der Zunge zergehen lassen. Da steigt ein Verein aus dem Profibereich doppelt ab, um sich im Amateurbereich wieder zu finden und die Mitgliederzahlen steigen in Dimensionen, in die es der Verein selbst zu besten Bundesligazeiten kaum geschafft hatte.

„So, gnua gratscht. Jetzt muaß i los. De Melli wart auf mi. I mach nämlich Nordic Walking mit dem Löwenrudel. Und morgen seng ma uns im Bootshaus zum Sommerfest bei da Blutgruppe 1860.“ Und schon war er weg, der Reinhard Friedl. Natürlich nicht ohne vorher mit dem Wirt, seinem Spezl, die Finanzen geregelt zu haben.

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