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“I bin a Sechzga” – Jürgen

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Wir hoffen Ihr habt diese Serie mittlerweile ins Herz geschlossen. Ein Fan des TSV 1860 München ist immer interessant. Jeden Dienstag, pünktlich um 09:00 Uhr. Nehmt euch die Zeit. Heute am Faschingsdienstag stellt sich der Jürgen ausführlich und lebendig selber vor. Und wie passend der heutige Fachingsausklang ist, zeigt ein Spruch seines Vaters an den sich der Jürgen heute noch erinnert. “Hast dich wieder verkleidet? Gehst zum Fasching?” Mit diesen Worten verabschiedete der Vater kopfschüttelnd seinen Sohn, wenn dieser wieder einmal mit der Kutte das Haus verlies, um ein Spiel seiner Löwen zu besuchen. Der Geschichte vom Jürgen wollen wir nichts hinzufügen. Lest selber und wundert euch nicht, wenn die Augen beim Lesen feucht werden. Mir ist es in jedem Fall so ergangen.

ELiL – Leben und Leben lassen

Das Lebensmotto von Jürgen
Das ist der Jürgen an der fasst schon kultigen Litfaßsäule vor dem Grünspitz. Schaut doch auch mal vorbei.

Ich bin der Jürgen aus Riemerling, in München geboren und ein sturer Steinbock. Ich blicke auf fast 40 Jahre gemeinsame Zeit mit den Löwen zurück. Ich glaub meine große Liebe zu den Löwen muss ich etwa im Jahr 1982 in der Bayernliga entdeckt haben. Zumindest hatte mein erstes Trikot Hedos-Werbung. Da war ich 14 und ein Klassenkamerad hat mein Interesse am Fußball entfacht. Habe mir damals den FCB in der Südkurve zusammen mit ihm (er war schon ein Roter) angesehen (das legendäre 3:4 gegen den HSV nach 3:1 Führung mit Magath und Hrubesch) und festgestellt, dass ich nicht für die Roten war. In dem Jahr habe ich dann auch den TSV 1860 im Grünwalder angesehen und hier war ich sofort heimisch. Ich bekomme auch heute noch immer mal wieder Tränen in den Augen, wenn ich unsere Kultstätte in Giesing betrete und die einzigartige Stimmung mich einfängt. Seitdem besuche ich nur noch die Löwen und habe zum Verein so eine Art “Hassliebe” aufgebaut. Aber, der TSV 1860 München hat mich ausgesucht und ist der dauerhafteste Begleiter und Konstante in meinem Leben. Ist irgendwie Schicksal, da kommt man nicht aus. Sechzig ist der geilste Club der Welt, weil man nicht mehr loskommt, wenn einen der Virus mal erwischt hat. Das ist dann Schicksal und schweißt zusammen. Ich hab’s ohne versucht (AA-Zeit) aber man kommt nicht mehr los. “Einmal Löwe – immer Löwe” ist mehr als die hohle Phrase.


1860 ist halt wie das richtige Leben, mal gewinnst du, mal verlierst auch. Dann Aufstehen, Mund abwischen und weiter geht’s. Und an die „Achterbahnfahrt“ gewöhnt man sich irgendwann. Das “Gesamtkunstwerk” TSV 1860 mit Grünwalder und Giasing hat‘s mir einfach angetan. Habe viele schöne Erinnerungen ans GWS. Die Kurve hat immer den Torwart mit “Geri (oder Rainer usw), wink amoi” vor dem Spiel oder in der Halbzeit (wann er halt im Tor vor der Kurve gespielt hat) begrüßt und natürlich hat der jeweilige Torwart zurückgewunken. “Vortänzer” wie heute gab‘s damals nicht, die Gesänge kamen immer so aus der Kurve (… und oanazwanzg, zwoarazwanzg, drei-, vier-, fünf-, sechsazwanzg …). Deshalb finde ich die Vortänzer mit ihren Megaphonen immernoch komisch 😉 Und natürlich haben der Bierverkäufer mit dem Kanister am Buckel und der “Süßigkeiten- und Zigaretten”-Mann nicht fehlen dürfen. Im Winter wurden nur die Linien richtig vom Schnee freigeräumt und es gab noch 5(?)-Minutenstrafen. In der Bayernliga waren es Spieler wie Armin Störzenhofecker (Bayerns schnellster Metzgermeister), Roland “Magic” Kneissl, Rainer Berg, Walter Hainer, Paul Schönwetter, Andi Löbmann und Thomas Miller (der sich immer wieder vom Finanzamt Weilheim beurlauben ließ, um weiter für 60 spielen zu können) die es mir besonders angetan haben. Je länger ich drüber nachdenke, desto mehr Spieler fallen mir da ein…

Sechzig verbindet. Freunde für´s Leben.

Damals zu Bayernligazeiten und auch dann in Liga 2 und Bundesliga im Grünwalder war ich immer mit Rupert, Ali und Pot unterwegs und wir haben immer unser Bier vor und nach dem Spiel am Bankerl bei der Litfaßsäule (damals wars noch nicht so ein Drehding wie heute, wobei ich von Stefans Buam gelernt hab, dass man sich da super mit am Rücken kratzen kann) am Grünspitz getrunken haben. Rupert hab ich das erste Mal 1985 beim 7:3 gegen Regensburg mitgenommen und dann war er auch vom Löwenvirus infiziert. Damals gab‘s noch nicht den Pizzaservice, so dass wir (leider) das Paulaner vom italienischen Feinkost nebenan trinken mussten. Wir hatten über Jahre eine Dauerkarte für Block H bei den “harten Fans” und standen meist auf der Plattform über dem Aufgang. Man kannte alle anderen Fans um einen rum und konnte mit ihnen Feiern (oder Leiden). Nach den Spielen ging‘s dann meist runter zur Giselle (Pilgersheimer Burg, gibt‘s aber auch nimmer). Habe mich schon damals gegen einen Auszug der Löwen aus dem Sechzger engagiert (auch bei der Demo bei der wir im strömenden Regen vom Sendlinger Tor bis zum Sechzger Stadion gelaufen sind), was auch schon damals zu einer immensen Spaltung in der Fanlandschaft führte und man von den „Wildmoser-Anhängern“ dafür sehr angefeindet wurde. Aber Sechzig hat schon immer für mich ins Sechzger gehört.

Damals begann dann auch meine Sympathie für die „Löwenfans gegen Rechts“, da ich jede Art von Diskriminierung und Gewalt verabscheue. Ich hab auch kein Verständnis für jegliche Form von Gewalt, habe es auch geschafft über all die Jahr nie persönliche Erfahrungen in der Richtung machen zu müssen. Die Fans unserer „Gegner“ supporten auch „nur“ ihren Verein. Ich hatte dann über Jahre eine Dauerkarte (fast bis zum Abstieg im Oly) und bin zum Bundesligaaufstieg Mitglied geworden. War damals mit dem Rupert in Meppen und trage von dort immer noch ein Stück vom Tornetz als Talisman in meiner Kutte rum. An dem Tag war Weinfest in Meppen und ich denke, dass der Umzug noch nie so lang war, weil wir Löwen uns einfach eingereiht haben und mitgelaufen sind. Was ich dann von der Heimfahrt nur noch weiß ist, dass ich in Köln die Polizeihunde streicheln wollte (Rupert hat mich dann „gerettet“). Wie wir dann in München waren und am Marienplatz auf die Mannschaft gewartet haben, waren die Weißwürste im Donisl schon um halb 6 in der Früh ausverkauft…

Herausragende Spieler in der Bundesliga waren für mich Peter Nowak, Abedi Pele, Thomas Häßler, Benny Lauth und natürlich Martin Max. In der Allianzarena war ich nur noch sporadisch, erinnern kann ich mich nur noch ans Eröffungsspiel gegen Nürnberg. Musste mir ja das neue Stadion anschauen. Meine Mitgliedschaft habe ich dann ca. 2012 aus diversen Gründen gekündigt, bin aber seit 2017 wieder Mitglied. Das war so etwas wie das persönliche Kick-Off und mit Alex habe ich eine Lebensgefährtin, die diesen Weg gerne und auch enthusiastisch mitgeht. Da hatte ich das intensive Gefühl, dass mein Verein mich jetzt braucht und es herrscht(e) eine Aufbruchsstimmung, dass sich alles zum Guten wenden könnte. Seitdem ist auch mein mittlerer Sohn glühender Anhänger der Löwen, ist halt doch vererbbar, auch der Platz im Westen. Und das “Bankerl” haben wir wieder in “Besitz” genommen. 2018 konnten wir dann wieder Dauerkarten ergattern, jetzt, dem Alter geschuldet, aber in der Stehhalle. Seit Neuestem sehen wir uns sogar Spiele der U21 an.

Klasse Spruch auf deiner Kutte.

In näherer Vergangenheit war die gewonnene Relegation gegen Saarbrücken unvergesslich, die wir aus dem Blue Adria im Public Viewing gesehen haben (die einzige Karte die ich ergattert habe, habe ich meinem Buam geschenkt, der genau an dem Tag seinen 18. Geburtstag hatte). Danach sind wir uns in den Armen gelegen und haben erst einmal geheult wie Schlosshunde. Da hat man gesehen, dass der Verein lebt und welches Potential er hat. München ist blau! Nachdem wir die Feier auf der Candidstrasse nach einer gefühlten Ewigkeit wieder Richtung Grünspitz verlassen haben, um die Kehle wieder ein bissl zu ölen (gab aber nur noch warmes Bier ;-)) waren dann, vollkommen überraschend wie in früheren Zeiten, Rupert, Ali und Pot in Kutte dort. Sie hatten vom Aufstieg im Radio gehört und sind sofort los, um auch dabei zu sein 🙂 – Wie früher… manchmal bleibt die Zeit einfach stehen – es gibt Sachen, die sind einfach zu schön!

Die beste Zeit für mich mit Sechzig war Anfang bis Mitte der Neunziger (Bayernligameister und Aufstieg in die 2.Liga 1991 und 1993; Bundesligaaufstieg 1994) und Sechzig im GWS in der Bundesliga. Erster richtiger Tiefpunkt den ich bewusst miterlebt habe, war dann der dauerhafte Umzug ins Olympiastadion trotz großer Fanproteste dagegen und Wildmoser‘s „Diktatur“. Natürlich ist die Wiederauferstehung nach dem schwarzen Freitag und der Wiederaufstieg wie Phönix aus der Asche mit dem Direktaufstieg in die 3.Liga auch ein Highlight. Im Laufe der vielen Jahre haben sich viele Rituale ergeben, von denen ich auch irgendwie glaube, dass sie zumindest ein bissl Glück bringen. So wird die Kutte NIE gewaschen und ich habe immer als Glücksbringer das Stück Meppener Tornetz dabei. Trikots kommen auch erst in die Wäsche, wenn die Löwen nicht mehr gewonnen haben. Der Spieltag fängt immer mit der Auswahl des passenden Trikots an und natürlich ist die Kutte ein MUSS beim Stadionbesuch. Nervös bin ich eh schon 1-2 Tage vorher.

Natürlich wurde immer jedes Fahrzeug (ja, auch die Kinderwägen) mit mindestens einem Löwenaufkleber verziert. Skifahren tu ich nur mit nem Löwentuch am Skistock (das gute alte).
Mit das erste was ich zu Beginn meiner Löwenzeit ziemlich schnell gemacht hatte war, mir auf der Jeansjacke einen großen rautenförmigen Aufnäher auf den Rücken zu machen. Wollte ja auch irgendwie zu den Großen, Wilden aus der Kurve dazugehören. Im Nachhinein denk ich es war eher ein bissl lächerlich. Glaube damals war nicht so viel Taschengeld vorhanden, so dass man bei einer Kutte alles Stück für Stück erweitern konnte. Dann habe ich relativ schnell meine erste richtige Kutte gehabt (also an einer Jeansjacke die Ärmel abgeschnitten). Da habe ich auch den Löwen, den ich noch heute habe, beim Münzinger gekauft (gab‘s sonst nirgends). Individuelle Gestaltung war mir schon damals wichtig. Aber irgendwie bin ich damals immernoch gewachsen und so wurde von dieser Kutte die Naht unterm Ärmel immer weiter aufgeschnitten, damit ich die noch anziehen konnte. Irgendwann war dann doch nur noch zu wenig da und die Kutte einfach zu klein, so dass ich dann (final) alles eigenhändig auf eine neue, große Kutte umgenäht habe. Mit der Zeit kamen viele Aufnäher hinzu, teilweise von Vereinen die ich ganz nett fand, von diversen Fanclubs, offizielle Aufnäher und was man halt in der U-Bahn oder in der Kurve so angeboten bekommen hat.

So erzählt die Kutte die Geschichte der letzten Jahrzehnte. Deshalb kommt auch nichts runter, wird höchstens übernäht. Was ich (im Nachhinein) überraschend finde sind 2 „offizielle“ Aufnäher die zumindest im heutigen Kontext sehr zweifelhaft wären. Aber ich erinnere mich an die beiden Aufnäher bei mir nur mit Edding übermalt, muss also schon damals sensibel gewesen sein. Einer hat die Farben des deutschen Reichs drauf und der andere Reichsadler und eisernes Kreuz. Und lustig ist natürlich ein Aufnäher mit der alten Bundesrepublik, die die Hälfte der heutigen Fans nicht mehr kennen.

Mein Ziel wäre es 1860 als eigenständige „Marke“ zu etablieren mit einer bodenständigen Mannschaft zum Anfassen und mit der Region verbunden. „Blauland“ ist viel grösser als nur München. Dazu erwarte ich ehrlichen Fußball im Grünwalder Stadion mit attraktiven Gegnern und zumindest mäßigem sportlichen Erfolg. Aufstieg ist also kein Muss, so lange ich die Löwen kämpfen sehe (RL muss aber auch nicht mehr sein). Perfekt wäre es, wenn das „kulturelle Missverständnis“ mit Loslösung aus dem Würgegriff des Investors durch regionale Investoren im Streubesitz beendet würde und lieber “kleine Brötchen gebacken” werden. Ich wäre bei einer Möglichkeit zu einem Crowdfunding durch Fans sofort dabei. Ich gehe ins Stadion, weil Sechzig gehört ins Sechzger; der Flair in Giasing vor, während und nach dem Spiel, weil‘s da viele genauso Verrückte gibt wie mich. 1860 und das Grünwalder Stadion gehören für mich einfach zusammen.

Alex und ich finden es voll faszinierend, wie viele nette Verrückte (als Löwe muss man einfach ein bissl verrückt sein) man so zum Plauschen am Grünspitz kennenlernt, obwohl ja zunächst nur die einzige Schnittstelle die gemeinsame Zuneigung zu 1860 ist. Und der Bekanntenkreis wird von Spiel zu Spiel grösser… Einfach schee 🙂

Sechzig ist der geilste Club der Welt!
(#ohneHasan)

Danke Jürgen, für deine wunderbare Geschichte rund um unsere Löwen. Bin mir sicher, dass es zukünftig an Heimspieltagen im Bereich um die Litfaßsäule am Grünspitz etwas enger werden wird. 😉

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Wenn Du jetzt auch Lust bekommen hast, Dich hier im Löwenmagazin vorzustellen, dann überleg nicht lange und erzähle uns von Dir. Hier findest du unseren Fan-Aufruf.

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