Die Löwen haben Sommerpause, aber die sportliche Leitung des TSV 1860 München arbeitet im Hintergrund unermüdlich am Kader der Mannschaft für die Saison 2020/21. Das ist auch deren Job. Und dafür werden die Herren auch bezahlt. Wir vom Löwenmagazin arbeiten ausschließlich ehrenamtlich. Da ist es schon mal eine Wohltat, wenn der Fan, in diesem Fall der “IBAS der Woche”, selber seine Geschichte in die Tastatur klopft. Text kopiert, ein paar Bilder eingefügt und schon ist der “IBAS” für diese Woche erledigt. Danke Alex Kuhn. Während ich auf meiner imaginären “einsamen Insel” die Füße in den Sand stecke und den Herrgott einen guten Mann sein lasse, könnt Ihr Euch die Geschichte von unserer Alex zu Gemüte führen. Viel Spaß dabei.
Vermutlich kriegen zwei Drittel der Leser erstmal Herzrasen oder auch Brechreiz. Allerdings gibt es einige, die bereits wissen, dass ich eine rote Vergangenheit habe. Diese ist zwar zeitlich gesehen sehr lang (1979-2017), emotional aber mit jetzt 3,5 Jahren Leben als „Blaue“ absolut nicht vergleichbar. Wie kommt „Frau“ zu so einem radikalen Wechsel? Eigentlich ganz einfach.
Ob ich bei denen aus der Seitenstraße je wirklich heimisch war? Frag ich mich desöfteren. Geboren in der Marzipanstadt Lübeck, aufgewachsen in der schleswig-holsteinischen Provinz zwischen Bad Schwartau und Timmendorfer Strand, geb ich im Zweifel einfach mal meinem gleichaltrigen Cousin die Schuld. Der fand damals den HSV grottig und ich habe mich ihm zuliebe dann mit dem roten Club aus München einlassen müssen. Ein zweiter Münchner Verein war uns auf dem Dorf nicht bekannt. Das änderte sich aber bereits 1991, als ich nach meiner Hotelfachausbildung beruflich an den Starnberger See umgezogen bin. Aber wirklich etwas mit diesem Verein anfangen konnte ich erst 1994, mit dem Aufstieg in die Erste Bundesliga. Zwei Clubs aus der gleichen Stadt, irgendwie war das cool. Ob sich die Fans da nun gegenseitig lieb hatten oder nicht, das war mir eigentlich völlig wurscht. Ich war irgendwie immer für beide, außer in den Derbys, da mussten natürlich die Roten gewinnen. Bei der Vorstellung graust es mir selber grad….
Tatsächlich hab ich zu Oly-Zeiten mehr Löwenspiele live im Stadion verfolgt als rote. Das erste war irgendwann in der Saison 1994/95 gegen den KSC. In der Arena war ich zuerst bei einem Sechzgerspiel, ich meine im Dezember 2008 gegen den Club. Weil mein – auch heute immer noch – roter Sohn die Tickets auf dem Weihnachtsmarkt gewonnen hatte. Ich kann mich dunkel daran erinnern, dass lauter Blaue mit uns in der U-Bahn waren und natürlich lautstark Stimmung gemacht haben. Fand ich irgendwie cool, das Kind weniger….. Bis die Sechzger wirklich mein Herz erobert haben hat es dann noch gute acht Jahre gedauert. Verfolgt hab ich das Geschehen um diesen Giesinger Club schon seit längerem und den Blauen auch nie etwas Schlechtes gewünscht.
Irgendwann fingen die Seitenstraßler an mich zu langweilen. Bei Niederlagen kam langsam aber sicher auch mal Schadenfreude auf. Im Herbst 2016 hab ich den Jürgen kennengelernt, den von der Litfaßsäule. Ein Vollblutlöwe durch und durch. Dieser hat mich tatsächlich mit seinem damals unübersehbar blauen Auto zur Arena gefahren, Rot gegen Wolfsburg, mein einziges Spiel dieser Truppe in der Schüssel am Müllberg. Und definitiv das letzte als Anhänger dort. Irgendwie ging es nur noch um Kommerz, wenn ein Spiel verloren ging sind die Fans gleich total ausgeflippt. Und Aperol aus Plastikbechern ist jetzt auch nicht so meins. Der Jürgen hat mir stundenlang Geschichten aus dem Leben eines Sechzger-Anhängers erzählt, irgendwie hat mich diese Leidenschaft fasziniert. Und leiden können Löwen ja hervorragend.
Am 04.03.2017 waren wir dann das erste Mal zusammen bei einem Spiel, 60 – St. Pauli, mit Bibi Blocksberg an der Pfeife. Die Niederlage war zu der Zeit ja schon sehr unnötig, trotzdem hab ich das Ganze sehr positiv in Erinnerung. Von da an hat mich dieser andere Club aus München dann irgendwie nicht mehr wirklich interessiert. Die Relegation gegen Regensburg haben wir zusammen im TV verfolgt und eigentlich beide gleich gelitten. Beim Rückspiel hab ich sogar eine wichtige Schulveranstaltung sausen lassen, gab zwar Ärger aber war auch egal.
Seit Beginn der Regionalliga waren wir dann regelmäßig im Grünwalder, das erste Spiel in Block P, gab nix anderes mehr. Aber ich hab mich in dieser für mich neuen Atmosphäre von Anfang an einfach nur wohl gefühlt. Das fängt schon an, wenn man an der Silberhornstraße aus der U-Bahn steigt. Heimat, Wohnzimmer. Wie für alle hier unvergesslich ist natürlich der Aufstieg in Liga 3, wir waren damals im „Blue Adria“ und die Gefühle bei der anschließenden Sause muss ich keinem näher erläutern. Inzwischen haben wir Dauerkarten in Block L, haben wahnsinnig viele tolle Menschen kennengelernt, die Treffen an der Litfaßsäule sind ein absolutes Highlight. Aus familiären Gründen sind weite Auswärtsfahrten bisher nicht machbar gewesen, aber grundsätzlich sind wir dann im „Giesinger“ unterwegs. In der Corona-Zeit haben wir es glücklicherweise geschafft, mit unseren Lieblingslöwenfreunden die Spiele im „ Löwenstüberl“ zu verfolgen. Allein unser Trupp bestand schon aus 20 Personen. Nicht ganz Stadion-Atmosphäre, aber mit einem Haufen bekannter und geliebter Gesichter. Sowas daheim vor dem TV ist irgendwie völlig langweilig. Bei Heimspielen hat man wenigstens mal die Spieler sehen und irgendwie auch ein wenig moralisch unterstützen können. Der letzte Spieltag war trotz der Niederlage und ohne Relegationsplatz einfach genial. Nach dem Spiel einfach noch Stunden am Grünspitz sitzen und alles auf sich wirken lassen, war eine geile Saison und dafür kann man nur allen Beteiligten danken.
Mal schauen, wie es ab September läuft. Fest eingeplant, sollte Corona es zulassen, ist natürlich die Auswärtsfahrt in meine alte Heimat nach Lübeck. Im Stadion an der „Lohmühle“ war ich seit Kindertagen nicht mehr. Und als „Blaue“ noch gar nicht.
Das war die Alex mit ihrer Geschichte, wie sie aus einer oberflächlichen roten Lethargie ins reale weiß-blaue Lebensgefühl konvertierte. Mir persönlich fällt da nur eines ein.
Danke Jürgen
Bei mir ist die ganze Familie “rot”, ich bilde da die Ausnahme, sozusagen das “blaue Schaf”. Die “Schuld” daran hat ein “Großonkel” (er war ein sehr gute Schuldfreund meiner Oma aber nicht direkt verwandt), der mich mit etwa 9 oder 10 Jahren ins Stadion mitgenommen hat. Zu dieser Zeit hat mich Fußball nicht sonderlich interessiert. Da hat der TSV 1860 gespielt und irgendwie ist das völlig bei mir hängen geblieben, die Fans, die Stimmung – einfach alles. Seit dem Tag hat mich Fußball interessiert und auch der TSV. Ich weiß nur nicht mehr, welches Spiel das war, muss im Oktober 1984 gewesen sein. Aber sicher bin ich mir nicht.
Wow sehr cool. Bei mir war es ähnlich, auch wenn ich als Kind schon 60 und Bayern trikots hatte. So richtig ein Löwe wurde ich nach dem Abstieg in Liga 4. Und genau das Gefühl der Schadenfreude wenn Bayern verliert kenne ich auch. Ich glaube man war damals kein richtiger Fan sondern beeinflusst vom Erfolg der Bauern und dachte als Kind halt das wäre cool.
Well done, Jürgen!
Hi Alex, schön von dir hier zu lesen…
Bei manchen Leuten verzeih sogar ich die gegenteilige Vorgeschichte – und eine davon bist Du!
Ist immer voll nett, euch vor und/oder nach den Spielen zu treffen.
Bezgl Auswärtsfahrten: ihr seid – genauso wie ich – in der Vorrunde bei 2 Auswärtsfahrten hintereinander gewesen. Haching u dann die Nichtaufsteiger! Und schee wars- ob Weißwurst essen – oder vorm Stadion mit deim Jürgen a Bierchen. Ach ja, danke für die blauen Mützen vom Adventssingen!
Jetz freu ich mich auf ein baldiges Aufeinandertreffen in S.P.O. in ca 2 Wochen. Schönen Urlaub schon mal!
Immer schön 💙b💙l💙a💙u💙 bleim! Jetz werd nimmer gwechselt.
ELIL
Toll geschrieben. Hut ab liebe Alex.
Es ist für mich bis heute nicht zu verstehen, dass du mal „Rot“ warst. Damit meine ich, dass ich dich nur so tief „Blau“ kenne und so leidenschaftlich den Löwen gegenüber, dass es surreal ist, du mochtest mal die Seitenstraßler. Ganz ehrlich – das war eh keine Liebe, nur kleine Schwärmerei. Die Liebe kennst du ja erst jetzt 😁.
Jürgen – du hast einen guten Job gemacht. Bravo 👍🏼
So offensiv und transparent muss man auch erstmal mit so einem Werdegang umgehen können, Hut ab!
Ich behaupte mal, dass das mit den Geschichten erzählen uns generell gegenüber dem von Deinem Sohn favorisierten Dings überlegen macht. Mit Sechzig erlebt man halt ungewöhnliches…
da bin ich doch gerne “Missionar”.