Ein Kommentar
Am Freitagabend war es soweit: Nun habe ich in dieser Saison alle Kurven durch. Das war mein Ziel. Ich war in der Stehhalle, der Ostkurve, der Westkurve und nun auch auch auf der Haupttribüne. Für mich war es wichtig, überall mit dabei zu sein und die Mannschaft aus jeder Perspektive mal kennenzulernen. Vor allem aber wollte ich mir während der Spiele auch einen Eindruck vom Grünwalder Stadion machen. Dem traditionsreichsten Stadion der Stadt.
Für mich ist das Grünwalder Stadion in gewisser Weise ein Schandfleck der Stadt München. Und damit meine ich nicht die Tradition und den Wert des Stadions an sich, sondern wie man mit ihm umgegangen ist. Im Schatten der Bestrebungen ein Olympiastadion zu errichten und später die Bestrebungen beider Vereine im Norden von München eine Arena zu bauen, hat die Stadt das Stadion am Rande von Untergiesing kaputt saniert.
Die Stadt ist stolz auf aufwändige Sanierungsarbeiten im Müller´schen Volksbad, das nur wenige Jahre vor dem Grünwalder Stadion entstand. Und natürlich ist das Volksbad ein beeindruckendes und erhaltenswertes Gebäude. Aber ist das Grünwalder Stadion nicht genauso erhaltenswert? Zweifelsohne, das Volksbad mit seinem neubarocken Jugendstilbau ist etwas Besonderes. Im Grünwalder Stadion steckt jedoch eine Geschichte, die man niemals vergessen sollte.
Über 100 Jahre Sportgeschichte, die sowohl die Höhen als auch die Tiefen des wohl wichtigsten Sportvereins Münchens erzählt. Nicht des aktuell marketingtechnisch wichtigsten Vereins, das ist richtig. Diese Rolle hat der FC Bayern München übernommen. Das Logo des FC Bayern findet man nicht nur auf den Shirts von Fans und den Aufdruck nicht nur auf Handtüchern von Fußball-Enthusiasten. Es ist eine Marke. Zweifelsohne, auch der FC Bayern München hat seine Geschichte. Aber die interessiert kaum jemanden mehr. Der Verein ist gut in Fröttmaning aufgehoben. Dort kann er Fußball als Event zelebrieren. Seine Trikots kann er auf der ganzen Welt verkaufen. An Menschen, die mit ihm so gut wie gar nichts zu tun haben. Die wahre Sportgeschichte im Fußball schreibt bis heute der TSV 1860 München. Mit Höhen und Tiefen. Das Grünwalder Stadion ist Teil davon.
Und nun? Der TSV 1860 München ist zurück im Grünwalder Stadion. Mit einer aktuellen Zuschauerzahl von maximal 12500 Zuschauern. Leere Ränge in einem von der Stadt kaputt sanierten Stadion, Probleme mit den Toiletten für Behinderte und viele weitere Baustellen. Die Stadt zeigt sich bürokratischer als jemals zuvor. Keiner will sich zu weit aus dem Fenster lehnen. Vor allem nicht Oberbürgermeister Dieter Reiter, der gestern im roten Sakko die Wiesn eröffnet hat. Sieht man die Löwen spielen, dann ist im Stadion eigentlich jedem klar, dass man etwas tun muss, um die leeren Ränge endlich zu füllen. Es müssen Baugutachten her und die Stadt muss mit anpacken was weitere Sanierungsmöglichkeiten angeht. Eine durchaus politische Verantwortung, die man übernehmen muss.
Leider ist die Zeit dafür wirklich äußerst schlecht. Denn im Amt ist aktuell ein Bürgermeister, der sich einem solchen Projekt überhaupt nicht widmen will. Zumindest ist das mein Eindruck. Reiter kümmert sich nicht gerne um große Projekte und Pläne, das hat die bisherige Amtszeit bewiesen. Er ist der Mann des Tagesgeschäftes. Dort kann er sich verstecken. Er ist ein Mann, der Angst davor hat, etwas falsch zu machen. Deshalb widmet er sich kleinen Dingen. Er möchte, dass München bezahlbar bleibt. Er will, dass die U-Bahnen nicht überfüllt sind. Ja, das wollen wir alle. Aber für uns ist es selbstverständlich. Eben tatsächlich einfach “nur” Tagesgeschäft.
OB Reiter war offen, als Hasan IsmaikHasan Abdullah Mohamed Ismaik (arabisch: حسن عبد ال... von einem eigenen Stadion sprach. Sehr offen sogar. Weil es sein aktuelles Tagesgeschäft nicht beeinflusste. Ein großes Projekt, dem er erst einmal zustimmte, weil es gedanklich noch weit weg war. Und er im Prinzip nicht viel tun musste. Ein Investor aus Abu Dhabi versprach alles zu bezahlen. Er musste nur genehmigen. Wenn es um das Grünwalder Stadion geht, dann versteckt er sich gerne hinter seiner 2. Bürgermeisterin Christine Strobl. Die muss klarstellen wo die Grenzen sind. Bei 15000 ist Schluss, sagt sie. Mehr Zuschauer wird es nicht geben. Dieter Reiter kann sich weiterhin auf sein Tagesgeschäft konzentrieren. Das ist politisch weitaus weniger gefährlich. Eigentlich Schade. München braucht einen starken Bürgermeister. Der sich auch an große, mutige Projekte wagt. Das Grünwalder Stadion wäre ein solches Projekt.