Interview
Herr Dr. Markus DreesMarkus wurde am 15.12.1975 geboren. Er ist seit Juli 2015 Mi..., danke, dass Sie hier sind und sich unseren Fragen stellen.
Bitte sehr. Ich danke auch für die Möglichkeit, dass ich Antworten geben darf.
Vor der Wahl haben Sie gesagt, dass Sie durchaus bereit wären, Ihr Amt als Verwaltungsratsvorsitzender abzugeben. Wie sieht es im Moment aus? Behalten Sie den Vorsitz oder gibt es einen der anderen Kandidaten, der gerne den Verwaltungsrat nach außen vertreten möchte? Wir denken da zum Beispiel an Herrn Saki StimoniarisAthanasaios "Saki" wurde am 9. April 1971 in München gebore....
Neben der konstituierenden Sitzung, die wir vor kurzem hatten, habe ich mich vorher schon mit den neuen Kandidaten ausgetauscht. Ich habe aber von den neugewählten Mitgliedern das Signal erhalten, dass Sie hinter mir stehen und keiner mich ablösen wollen würde. Somit werde ich nach reiflicher Überlegung für das eine Jahr den Job weitermachen. Es hat natürlich auch geholfen, dass wir bei der Mitgliederversammlung trotz aller Kritik entlastet wurden.
[dazu auch: Stimmungsbarometer Mitgliederversammlung von TamiTes]
Beim letzten Spiel haben wir uns in der Stehhalle getroffen. Sie machten einen Rundgang durchs Stadion.
Ich wollte mir das Spiel von möglichst verschiedenen Seiten anschauen und die sensationelle Stimmung von allen Facetten aufsaugen. Im Stadion haben viele mit mir sachlich und teilweise euphorisch diskutiert – gerade über die von mir im Fanzine „Brunnenmiller“ besprochenen und anschließend in der Presse diskutierten Vorschläge zum (moderaten) Stadionausbau in GiesingStadtteil rechts der Isar und südöstlicher Teil der bayeri....
War es ein Spaziergang durch die Reihen von lauter Sechzger-Freunden, oder gab es auch Anfeindungen?
Es gab zwar auch welche, die mich kritisch beäugt haben, als einen der Hauptschuldigen im e.V. für den schwarzen Freitag. Aber auch hier gibt es Hardliner, die sich nicht überzeugen lassen und solche, die nach einem Gespräch mit mir zumindest anerkennen, dass man gewisse über Gerüchte verbreitete falsche Tatsachen auch anders sehen kann.
Sie sprechen oft von den „Kritikern Ihrer Person“. Glauben Sie nicht, dass einige Fans einfach nur mit der Gesamtsituation unzufrieden sind und sich irgendeinen Buhmann aussuchen? Wie persönlich werden die Angriffe und wie wirkt sich das auf Sie emotional aus?
Es gibt die Anschuldigungen aus der virtuellen Welt – allen voran ein gewisser Blog. Solange aus dieser Welt höchstens mal eine fehlgeleitete Mail mal an mich persönlich herankommt, kann ich damit leben. Sollte es zu dolle werden, überlege ich mir natürlich schon, ob man mal ein anwaltliches Schreiben an den Betreiber senden soll. Aber auch dort sind es höchstens immer ein paar Handvoll Leute mit den gleichen eingefahrenen Meinungen. Im echten Leben gab es zwar schon ein bisschen blödes Anmachen, aber wie schon erwähnt, gibt es durchaus Leute, mit denen man darüber vernünftig diskutieren kann und welche, die ohnehin nicht zuhören wollen. Letztere sind aber glücklicherweise doch in der Minderheit. Die Mehrheit hat sicher das Recht zur Kritik an der Gesamtsituation, sofern es a) fair abläuft und b) man auch dann aber Richtigstellungen gewisser Lügen oder Gerüchten zumindest anerkennt.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es wirklich einfach ist. Vieles ist tatsächlich unter der Gürtellinie.
Letzten Endes scheint aber doch die Mehrheit der Leute mittlerweile mit der neuen Situation zumindest im Reinen zu sein. Was allerdings weh tut sind Vorwürfe nach Mediengeilheit von mir und anderen e.V-Funktionären der aktuellen Stunde. Ganz im Gegenteil: Es redet keiner nicht mehr ungefragt bei KGaA-Angelegenheiten in der Öffentlichkeit mit und schon hat alles seine Ruhe und der Erfolg, der nicht so erwartbar war, gibt uns gewisser Weise Recht.
Derzeit sind insgesamt nur zwanzig Plätze für Rollstuhlfahrer im Grünwalder Stadion möglich. Es wird ja viel darüber spekuliert. Der Grund hierfür ist allerdings sehr einfach und typisch deutsch. Es geht wie immer um eine Verordnung. In dem Fall ist es die Versammlungsstättenverordnung Bayerns, in der festgelegt ist, dass pro zehn Rollstuhlfahrer eine behindertengerechte Toilette da sein muss.
Ja, hier muss ich ehrlich sagen, dass mir diese Vorschrift genauso ein erstes Kopfschütteln hervorgerufen hat, wie vermutlich bei vielen Beteiligten. Ich habe über die Mailadresse der Freunde des Sechzgerstadions auch eine Geschichte eines Vaters gesendet bekommen, der mit seinem schwerstbehinderten Sohn, der sogar schweres medizinisches Gerät mit ins Stadion nehmen muss, trotzdem versucht, jedes Mal dabei zu sein. Bei solchen Fällen ist die Toilette völlig egal, weil diese so ohnehin nicht aufgesucht werden kann. Die Intention dieser Regelung ist prinzipiell schon okay, hat sie doch die Beseitigung der Diskriminierung von Behinderten zum Thema und soll Inklusion fördern. Doch hier in dem Fall ist eine Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis festzustellen.
Wäre es da nicht möglich, mobile rollstuhlgeeignete WCs aufzustellen? Das wäre eine kostengünstige Alternative und man würde die Verordnung einhalten.
Als Lösung würde ich es begrüßen, wenn die Stadt und die KGaA sich auf mobile Lösungen einigen können. Eine ähnliche Lösung gab es mal durch den Antrag des leider viel zu früh verstorbenen Julian Heppners, einem Aktivposten der Rollilöwen, für das Errichten einer solchen Toilette auf dem Trainingsgelände. Auf der Mitgliederversammlung 2015 hat er den Antrag gestellt hat, der mit großer Mehrheit angenommen wurde. Vize Hans SitzbergerHans Sitzberger wurde am 6. Februar 1953 in Schönberg im Ba... hat die Toilette zusammen mit dem Präsidium dann unbürokratisch ein paar Wochen später möglich gemacht. Ich bin mir sicher, dass eine derartige Lösung hier auch greifen würden. Leider muss auch hier zunächst ein Platz gefunden werden, der keinen Fluchtweg behindert und dann muss noch geprüft werden, ob die Infrastruktur an dem Platz vorhanden ist. Aber die KgaA ist da in guten Gesprächen, wie man an der Erhöhung von 10 Rolli-Plätzen im Spiel gegen Burghausen auf nun 20 schon sieht. Auch ich habe einen guten Kontakt zum Behindertenbeauftragten des TSV 1860 e.V., Detlef Filipski, und stehe mit ihm im Austausch.
[Anmerkung des Löwenmagazins: Mit Detlef Filipski haben wir in naher Zukunft noch ein Treffen vereinbart.]
In der Fanzeitschrift „Da Brunnenmiller“ haben Sie erstmals Ideen zum Umbau des Grünwalder Stadions erwähnt. Da ging es vor allem um die Westkurve. Gegenüber der AZ kamen Sie nun auch mit Ideen im Hinblick auf die Ostkurve.
Der Artikel der AZ entstammte einer Diskussion am Telefon mit dem Autor, wo wir über das eine oder andere Problem in den Kurven philosophiert haben. Das einzig „Revolutionäre“ sind höchstens die Überschriften in der AZ. Ich habe 2013 nach Fertigstellung der Ostkurve diese immer als die „Unvollendete“ bezeichnet mit der Möglichkeit, dort mal eine Stahlrohrkonstruktion a la Mainz-Bruchweg oder St. Pauli während der diversen Bauphasen zu installieren – egal ob es nun eine Sitzplatz- oder eine VIP-Tribüne sein soll. In der Ostkurve muss es ja kein permanent zu errichtendes Bauwerk sein. Die genannten Beispiele zeigen, dass man mit temporären Lösungen zweckmäßig und kostensparend teilweise über mehrere Jahre unterwegs war. Bei der Westkurve könnten die nötigen Lärmschutzmaßnahmen für eine Öffnung des Blocks J nach dessen Sanierung allerdings durchaus problematisch bezüglich der Bausubstanz der im Moment ältesten Tribüne sein. Das sind reine Sachfragen, die vor einer Finanzierung oder eines konkreten Plans zu klären sind.
Wäre es nicht sinnvoller, erst ein ordentliches Konzept auszuarbeiten, inklusive einem ordentlichen Vorschlag zur Finanzierung, statt, sagen wir es mal vorsichtig, „Träume und Ideen“ in den Raum zu werfen?
Die Ideen sollten keine fertigen Pläne, sondern Denkanstöße sein, die das Momentum der friedlichen und stimmungsvollen Rückkehr nutzen sollen. Für politische Lösungen muss es auch den nötigen Druck „von der Straße“ geben. Die Finanzierung kann nur im Dialog zwischen dem Eigentümer der Stadt und uns als Mieter diskutiert werden, entweder als Einmalzahlung oder in Änderung der prozentualen Mietzahlungen, sofern ein Maßnahmenkatalog erarbeitet wurde.
Im Grunde wären laut Stadt nach einem Ausbau 15.000 Plätze möglich. Ein Vorbescheid für bis zu 18.500 Fans ist von der Stadt bislang als negativ bescheinigt worden, prinzipiell wäre diese Kapazität jedoch in jedem Fall möglich. Die Stadt München reagiert stets hochpolitisch und vorsichtig. Auf der anderen Seite wirbt sie auf ihrer Internetseite mit dem Stadion als Kultstätte. Ist das ein politisch-taktisches Spiel seitens der Stadt, in der sich kein Politiker zu weit aus dem Fenster lehnen möchte?
Richtig, der Vorbescheid verbietet 18.500, sofern keine Lärmschutzmaßnahmen durchgeführt werden, 15.000 lässt er dagegen mit minimalen Aufwand zum Status Quo zu. Man muss die Stadt auch verstehen, dass 2009 von den Vereinen „nur“ eine Spielstätte für die zweiten Mannschaften gefordert wurde. Nun ist der Super-Gau bei 1860 eingetreten und es muss innerhalb von wenigen Wochen eine Heimat von 1860 in diesem Stadion geschaffen werden, bei denen ein größeres Zuschauerinteresse als bei zweiten Mannschaften besteht. Die Stadt wird natürlich einem Regionalligisten in der jetzigen Situation keinen Ausbau zur Bundesligatauglichkeit „schenken“. Wenn man aber bedarfsgerecht und im Dialog eine schrittweise Erhöhung der Kapazität zulässt, ist zumindest eine Perspektive hinsichtlich 3. LigaDritthöchste Spielklasse im Meisterschaftssystem des deutsc..., vielleicht aber auch 2. Liga mit kurzlebiger Sondergenehmigung und Auflagen möglich.
Ein Gerücht muss ich gleich entgegentreten: Das Grünwalder Stadion hat keinen Denkmalschutz. Warum ich das weiß? 2003 haben wir von den Freunden des Sechzgerstadions als Gegenmaßnahme zum damals drohenden Abriss genau einen Antrag zur Prüfung der Denkmalfähigkeit bei der entsprechenden Behörde (Anmerkung: die Regierung von Oberbayern) gestellt. Dieser wurde damals abgelehnt, weil die Bausubstanz angeblich zu neu sei (kriegsbedingter Wiederaufbau) und keine weitere architektonische Symbolik wie im Falle des Olympiastadions zuerkannt wurde. Auch die Reliefs an der Südfassade sind lediglich „Kunst am Bau“ und nicht dem Denkmalschutz unterstellt. Somit muss bei keinem Umbau auf die Denkmalschutzproblematik aufgepasst werden – die Frage ist für die Genehmigung eher, was ein Umbau im Bestand und was ist ein Neubau ist. Das war schon ein Zankapfel bei der Vorstellung der Machbarkeitsstudie der 1860-Stadionkommission von 2010 bei OB Ude.
Hand aufs Herz: Grünwalder Stadion Ausbau auf 18.500 oder die von ihnen genannten 19.000 Plätze. Was dann? Ist das die Zukunft des TSV 1860 München für die kommenden 10 Jahre?
Es geht erstmal nur um realistische Pläne, die sich an der jetzigen Spielstätte orientieren. Auch ein Olympiastadion müsste erst für teures Geld bundesligatauglich gemacht werden. Stichwort: Sanierung Tribünenträger auf der Haupttribüne, erneuter Einbau der Rasenheizung oder Überdachung Gegengerade. Natürlich geht es hier um den Erhalt des Denkmals auf dem Oberwiesenfeld. So komisch es klingt, von den Vorschriften sind wir im Grünwalder der Bundesligatauglichkeit näher als im Olympiastadion. Es fehlen Überdachungen von flächenmäßig kleineren Tribünen, außerdem ist der Platz für die TV-Container im Moment zu klein. Im Pokal hat man aber dennoch vergleichbare Presse-Fahrzeuge südlich der Blöcke F1/F2 untergebracht.
Also Grünwalder Stadion und kein Neubau?
Auch ein Punkt, der mir vorgeworfen wird, dem ich im Folgenden widerspreche: Man sagt, ich wäre gegen jede Art von Neubau. Doch der Fall ist, dass wenn sich ein Investor findet, der einen passenden Neubau in geeigneter Größe von ca. 30-35.000 mit dem passenden Grundstück finanzieren hilft, bin ich gerne bereit, den Weg mitzugehen. Solange das aber selbst im Moment Träume sind, versuche ich im Hier und Jetzt das Beste aus der Situation zu machen. Natürlich wird irgendwann der Punkt kommen, an dem man sich definitiv entscheiden muss, spätestens wenn größere bauliche Veränderungen in der Westkurve nötig sein sollten. Daher bringe ich auch eine im Moment eher kleine maßvolle Lösung ins Spiel, bis man eine finale Antwort auf die Stadionfrage gefunden hat. Wir haben 1978 die Stadt schon einmal – pardon – verarscht, als man auf den Ersatzbau der Stehhalle – die heutige Gegengerade – bestanden hat, 1860 aber nach dessen Eröffnung aufgrund des Aufstiegs in die 1. Bundesliga erstmal ausschließlich im Olympiastadion gespielt hatte. Erst 1980 war man wieder regelmäßiger in GiesingStadtteil rechts der Isar und südöstlicher Teil der bayeri... zu Gast.
Herzlichen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.
Abschließend noch ein philosophischer Blick in die USA: Hier wurden bereits in den 1980er Jahren die Superdomes auf die grüne Wiese in den Vororten gebaut. Doch mittlerweile merkt man, dass die Innenstädte veröden. Detroit und Baltimore haben deren Footballstadien nun mitten in Downtown neu gebaut, um dem entgegen zusteuern. Natürlich baut man in USA Innenstädte viel radikaler um als bei uns. Worauf ich aber hinaus will: Auch bei uns kommt sicher noch der Punkt, dass man Freizeitgestaltung nicht mehr vor den Toren der Stadt, sondern bequem in der Stadt und gut erreichbar mit ÖPNV begreifen möchte, statt Parkplatzwüste auf der grünen Wiese im Ödland zu ertragen. Vielleicht wird das Sechzger dann Vorreiter einer neuen zukunftsträchtigen Stadtkultur, statt Sinnbild von möglicherweise falsch verstandener Traditionsliebe zu sein. Wenn das Auto aus den Innenstädten verbannt ist, wird es insgesamt eine Änderung der Freizeitgestaltung geben – auch das sollte ins Kalkül gezogen werden.