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Frühstück in Mering – oder, “die Lage ist nicht hoffnungslos” – Teil II

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Es ist immer noch Samstagmorgen, 22.05.2021. Der TSV 1860 München ist im Begriff, am letzten Spieltag der Drittliga-Saison 2020/21 ein weiteres Kapitel in seiner langjährigen Geschichte zu schreiben. Die Vorbereitungen auf den Showdown beim FC Ingolstadt 04 laufen auf Hochtouren. Die Mannschaft von Michael Köllner ist konzentriert und fokussiert auf dieses Spiel. Die Ultras sind vorbereitet und der Rest der weiß-blauen Fangemeinde in heller Aufregung. Nur in einem beschaulichen Vorort von Augsburg scheint die Welt an diesem Samstagmorgen noch in Ordnung zu sein. Wir erinnern uns. Sascha und Ivonne haben tiefenentspannt zum gemeinsamen Frühstück nach Mering geladen.

Was bisher geschah: Teil I

Ivonne Mölders steht gerade mit einem Glas Prosecco auf der Terrasse ihres Hauses und blickt erwartungsvoll in die Augen ihres Mannes, der sich gerade noch angeregt mit seinen Gästen im Garten unterhalten hatte. Noch vor einem Moment hatte sie ihrem Sascha zugerufen, dass Hans Sitzberger, Vizepräsident des TSV München von 1860 e.V., seine Hilfe bräuchte. Für einen Moment war andächtige Stille im Garten der Mölders. Selbst der Hund lässt für diesen kurzen Augenblick von Aaron Berzel ab.

Mit einer Kehrmaschine wäre das nicht passiert

„Ist der Hans wieder mit seinem Elektro-Auto stehen geblieben, weil die Batterie leer ist? Wo soll ich ihn abholen?“, entgegnet Sascha Mölders schelmisch grinsend seiner Ivonne.

„Nein, er ist nicht auf dem Weg hier her stehen geblieben. Er steht bereits in der Einfahrt. Er kommt aber aus seinem BMW I 8 nicht ohne fremde Hilfe raus”, so die plausible Antwort seiner Frau.

Stefan Schneider dreht sich mit Anstand zur Seite weg, als er merkt, wie sich seine Mundwinkel bei dieser Aussage unweigerlich nach oben schieben. Auch der junge Lorenz Knöferl ist noch um Fassung bemüht, da platzt ein beherztes Lachen aus dem Fischl Willi heraus. Auch Sascha Mölders kann sich einer gewissen Belustigung nicht mehr erwehren, setzt sich aber sofort pflichtbewusst in Richtung Haus in Bewegung. Nicht ohne dem Fischl Willi wegen seiner ungebremsten Lache im Vorbeigehen einen freundschaftlichen, aber festen Klapps in dessen Genick zu verpassen.

„Und ich hab ihm schon so oft gesagt, er soll mit einer seiner Kehrmaschinen vorbeikommen. Da kann er wenigstens alleine aussteigen. Was ist eigentlich mit dem Essen? Ivonne! Unsere Gäste haben Hunger. Und das Spiel beginnt heute schon um halb Zwei.“ So die Worte des Kapitäns, ehe er hinter seiner Frau im Haus verschwindet.

Vor sich hinsäuselnd und mit der Hand im Nacken schaut der Willi den beiden nach, “dankschee füa de Gnackwatschn.”

Frühstück auf Instagram

Langsam knurrt den Gästen der Magen und die Zeit drängt. Es soll doch noch genügend Zeit zwischen dem gemeinsamen Essen und dem Anpfiff zum Spiel heute Nachmittag gegen den FC Ingolstadt 04 sein. Ernährung ist ein wichtiger Bestandteil der körperlichen Fitness, so die einprägsamen Worte des Trainers Michael Köllner. Während sich jetzt Stefan Schneider und Lorenz Knöferl mit den Kindern im Garten gekonnt den Fußball hin und her passen, ist Aaron Berzel immer noch mit dem Hund beschäftigt, der ihm abermals mit seiner Zunge quer übers Gesicht leckt. Der Fischl Willi derweil nutzt die Zeit, um in seinem Handy ein „Like“ unter das Bild zu setzen, welches Ivonne Mölders gerade eben aus der Küche auf Instagram hochgeladen hatte. Auf dem Bild sind Ivonne und Carina zu sehen, wie sie sich gerade ausgelassen mit einem vollen Glas Prosecco zuprosten. Unter dem Bild steht: „Vorbereitung auf das Saisonfinale, die Schanzer hauen wir heute weg“. Daneben drei Smilys, ein Löwenkopf und ein Boxhandschuh. Wenn man das Bild ganz genau betrachtet, sieht man nicht nur zwei Damen bei einem feuchtfröhlichen Umtrunk, neben einer geöffneten Prosecco-Flasche, man sieht auch eine blitzsauber aufgeräumte Küche. Für den Willi kein Grund, näher darüber nachzudenken. Er findet die beiden „Gackerlieseln“ auf dem Bild einfach nur lustig.

Hungrige Gäste

Sascha Mölders ist jetzt auch wieder im Garten. Im Schlepptau hat er einen sichtlich erleichterten Hans Sitzberger.

„Hier is ja richtig woß los. Ich grüße eich olle und danke an die Ivonne und den Sascha für die Einladung“, begrüßt der Vizepräsident mit seiner gewohnt herzlichen Art die Gäste im Garten. „Sascha, wo is´n dei Frau? San de Bläame okemma, die i mit Fleurop gschickt hob? In mei Sport-Auto bassd ja nix nei,“ wendet sich der Vize-Präsident fragend an Sascha Mölders.

„Äh, das fragst du die Ivonne besser selber. Die kommt bestimmt gleich mit dem Essen aus der Küche. Habt ihr auch schon so einen Hunger, wie ich?“ so der Gastgeber zu seinen Gästen.

Einhelliges Nicken im Garten der Mölders. Nur dem Aaron rutscht mit hochgezogener Braue wieder einer raus. „Hunger, so wie du? Ich hoffe es gibt nicht nur Wurstsemmeln.“

Als hätte Sascha nicht gehört, was sein Spezl da wieder vom Stapel gelassen hat, wendet er sich erneut an seine Gäste.
„Ich schlage vor, wir waschen uns schon mal die Hände und das Gesicht. Das Essen steht gleich auf dem Tisch. Am besten ihr kommt gleich alle mit nach drinnen. Aaron, du brauchst dein Gesicht nicht mehr waschen. Das hat ja der Hund schon übernommen.“

Da sind sie wieder, die hochgezogene Augenbraue eines Aaron Berzel und das schelmische Grinsen a lá “ich hab alles im Griff-Sascha Mölders”.

Löwenstark am Elfmeterpunkt, aber in der Küche ein kleiner Fisch?

Wenige Augenblicke später kann das Frühstück beginnen. Zumindest wenn es nach Sascha Mölders und seinen Gästen geht. Die Hände sind gewaschen und der Tisch gedeckt. Als sich Hans Sitzberger an der Tafel niederlässt, beginnen auch die übrigen Gäste, sich an den Tisch zu setzen. Einer nach dem anderen. Und ganz zum Schluss Lorenz Knöferl, dem jetzt auch Tischnachbar Hans Sitzberger väterlich mit der flachen Hand über das Haupthaar streicht. Alle sitzen nun erwartungsvoll und hungrig am Tisch. Alle außer Sascha Mölders und den beiden Damen natürlich, die immer noch lautstark in der Küche zu Werke gehen. Der Kapitän ist für einen Moment irritiert, als er bemerkt, dass alle bereit für das Frühstück sind, aber noch kein Stück Wurst, geschweige denn eine Scheibe Brot auf dem Tisch liegt. Genau genommen ist da nichts außer leere Teller, Besteck, Deko und die ein oder andere leere Kaffeetasse. Irgendwie erinnert Sascha dieser Moment an den Augenblick vor einem Elfmeter.

Was mach ich jetzt bloß? Schieb ich ihn links rein, oder doch ins rechte Eck? Oder hau ich einfach drauf?, denkt sich der Kapitän und entscheidet sich intuitiv für Letzteres. Entschlossen geht er in Richtung Küche. Das Gelächter der beiden Damen dringt an seine Ohren, noch bevor er die Küchentür öffnen kann. Rumms, die Tür war auf und Sascha blickt seiner Ivonne entschlossen in die Augen. Das eben noch ausgelassene Gelächter verstummt abrupt.

„Ja, der Ball hat gesessen. Kurzer Anlauf, Schuss, Treffer und versenkt“, denkt sich Sascha siegessicher und starrt weiterhin mit festem Blick in Richtung der beiden Prosecco-Grazien. Da braucht es keine Worte, die beiden Damen wissen jetzt genau was Sache ist. Der gerade eben noch entschlossen wirkende Blick des Kapitäns huscht nun aber ungläubig und fast schon etwas wirr durch die sauber aufgeräumte Küche. Sascha schnappt nach Luft und will gerade ansetzen etwas zu sagen, von dem er wusste, dass er es bereuen würde, noch bevor er es ausgesprochen hätte. Da klingelte es an der Haustür.

Eine umsichtige Gastgeberin

Das scheint das Zeichen für Ivonne Mölders und Carina Berzel gewesen zu sein, wieder lauthals loszuprusten. Nach einem kurzen Moment der Heiterkeit, für Sascha gefühlt eine Ewigkeit, wischt sich Ivonne die Lachtränen aus dem Gesicht, steigt von ihrem Hocker und geht zu ihrem Ehemann.

„Lass gut sein Sascha, ich geh schon, das ist für mich.“

„Wie, das ist für dich? Unsere Gäste sind doch schon alle da“, entgegnet ihr Sascha fast schon etwas kleinlaut.

„Ach du mein großer, großer Fußballgott“, haucht nun Ivonne in das Ohr ihres Gatten, während sie ihn innig umarmt. Und gerade als sie ihm einen Kuss auf den Mund drückt, klingelte es erneut an der Haustür.

„Servus Bene“, so die freudige Begrüßung vom Fischl Willi, der mittlerweile die Haustür geöffnet hatte.

Draußen steht Bene Lankes, seines Zeichens Wirt vom Löwenstüberl. „Helft mir mal das Auto ausräumen, bevor alles kalt wird. Nerven habt ihr schon. Am letzten Spieltag. Geht ja um nix mehr.“ So die gehetzten ersten Worte vom Bene, als er schon wieder in Richtung seines Lieferwagens geht.

„Bassd scho Bene, ois guad. Da Sascha macht des heid scho,“ entgegnet ihm der Willi, während er dem Bene am Auto zur Hand geht. Ivonne und Sascha tauchen jetzt auch am Lieferwagen auf.

„Du hast beim Stüberlwirt Essen bestellt?“, so die rhetorische Frage von Sascha Mölders an seine Ivonne.

„Ja, glaubst du, dass ich den ganzen Morgen in der Küche stehe, während du mit deinen Gästen im Garten Fußball spielst?“ Wieder eine plausible Antwort von der umsichtigen Gastgeberin.

Sascha hätte es besser wissen müssen. Insoweit ist er seiner Ivonne auch kein Stück böse. Insgeheim ist er sogar stolz auf seine Frau. Ein Kuss auf die Wange seiner Ivonne und alle vier tragen ein Tablett nach dem anderen ins Haus. Das heißt, Sascha geht nur einmal. Heute ist ja auch ein wichtiges Spiel. Da muss man seine Ressourcen schonen.

„Lorenz, auf geht’s. Hilf mal dem Bene, dem Willi und meiner Frau,“ so die bestimmenden Worte vom Kapitän an den Nachwuchskicker.

Ein brodelnder Stüberl-Wirt

Mit vereinten Kräften steht nach kurzer Zeit das Essen auf dem Tisch. Sascha Mölders und seine Ivonne sitzen jeweils stirnseitig am Tischende. Der Kapitän erhebt sein Glas. Es duftet ganz wunderbar. Der Bene, der jetzt neben Mölders steht, hat da richtige Köstlichkeiten auf den Tisch gezaubert.

„Schön, dass ihr alle da seid. Heute geht es um die Relegation, um den Aufstieg. Da gilt es, gut vorbereitet zu sein. Was könnten wir uns besseres tun, als uns vom Stüberl-Wirt bekochen zu lassen?” Bei diesen Worten steckt der Kapitän wiederum beide Daumen in den Hosenbund, um selbigen nach oben zu ziehen. “Zudem wollte ich auch nicht, dass sich unsere Frauen zu viel Arbeit machen.“ So die weiteren, gönnerhaften Worte des Gastgebers.

Für Carina Berzel und Ivonne Mölders wieder der richtige Moment, um sich anzuschauen und mit den Augen zu rollen.

„Jetzt lassen wir es uns gut gehen. Danach fahren wir nach Ingolstadt und hauen die Schanzer weg. Dann spielen wir Relegation und steigen auf in die zweite Liga. Danke an den Bene für das tolle Essen. Haut rein, Leute.“ Wer sollte diesen Worten des Rudelführers widersprechen?

„Bitte, gern geschehen,“ entgegnet der sichtlich gerührte Stüberl-Wirt, um kurz darauf loszupoltern. „Ihr habt doch alle einen Vogel. Vor so einem wichtigen Spiel sich die Wampe vollzuhauen. Das gibt’s nur bei Sechzig.“

Bei diesen Worten schaut Bene Lankes ganz bewusst dem auch am Tisch sitzenden Vizepräsidenten in die Augen.

„Mich brauchst ned oschaugn,“ entgegnet Hans Sitzberger. „I bin Vize vom Verein, ned vo de Fuaßballer. Da Sascha woaß scho, was ea macht. Da Knöferl Lorenz is no zum Lerna do, beim Berzel und seim Verein is eh scho ois glaffa und da Michi Köllner weiß bescheid. Oda Sascha, is doch so?.“

Entsetzt sieht ihn der ertappte Sascha Mölders an. „Äh, ja, äh…. genau, beim Aaron ist es eh schon egal.“

„An Guadn. Ihr wenns heid ned gwinnts.“ Mehr will der innerlich brodelnde Stüberlwirt in diesem Moment gar nicht mehr dazu sagen.

Und während Sascha Mölders noch nach einem Stück Pizza oder einer Wurstsemmel Ausschau hält, lassen es sich die Gäste am reichlich aufgetischten Buffet bereits schmecken. Es ist eine überaus gelöste Atmosphäre an diesem Tisch, an diesem Samstagmorgen, vor diesem so wichtigen Spiel gegen den FC Ingolstadt 04. Noch wenige Stunden bis zum Anpfiff. Es wird fast schon Zeit, von Mering nach Ingolstadt aufzubrechen. Wie wird es weiter gehen, vor diesem Spiel der Spiele? Lest morgen am Spieltag den letzten Teil von einem ganz besonderen Frühstück, mit besonderen Gästen, an einem besonderen Tag.

Teil 1 / Teil 2 / Teil 3

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