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Ein Kommentar zur Geisterspiel-Aktion der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA

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Der TSV 1860 München sammelt fleißig Geld für potentielle Geisterspiele. Dass man bereits Tickets verkauft, obwohl es noch gar keine Entscheidung im Hinblick auf die Fortführung der Dritten Liga gibt, überrascht einige Fans. Und Kritik wird laut. Es gibt aber durchaus auch positive Stimmen und die Bereitschaft zur Solidarität.

Ein Kommentar

Die Fortsetzung der Bundesligen und der Dritten Liga hinterlässt ohnehin einen faden Beigeschmack. Argumentiert wird, dass man systematisch die Fußballer testen möchte und dies auch kann. Es sind Tests, um ein kommerzielles Sportspektakel aufrechtzuerhalten. Während Rektoren von Schulen zwar Stück für Stück nun erst einmal den Abschlussklassen Unterricht ermöglichen sollen, von systematischen Tests von Lehrern jedoch keiner spricht. Und auch bei Pflegeberufen oder im medizinischen Bereich gibt es keine systematischen Tests. Was in wichtigen gesellschaftlichen Bereichen eigentlich Vorrang haben sollte, wird nun wohl zumindest bei der Bundesliga möglich. Und vermutlich auch in der Dritten Liga. Dank eines starken deutschen Fußball-Lobbyismus. Auch andere Unternehmen oder Sportarten stellen natürlich die Frage, ob der gleiche Maßstab in allen Bereichen angelegt wird. Und auch aus der Politik kommt nun vermehrt Widerstand. So zum Beispiel vom SPD-Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach.

Die Diskussion um Geisterspiele gibt es im Fußball bereits, seit Corona sich anfänglich zur Pandemie ausgeweitet hat. Schon im Vorfeld war klar: Viele Dauerkartenbesitzer würden wohl auf eine Rückzahlung für ausfallende Spiele verzichten. Sollte es eben zu sogenannten Geisterspielen kommen. Dabei ist allerdings noch gar nicht klar, welche Lösung für die Dritte Liga nun tatsächlich angestrebt wird. Die Klubs sind sich nicht einig. Erst am Freitag tagt das DFB-Präsidium. Man wird sich dann mit möglichen Rahmenbedingungen für eine potentielle Wiederaufnahme des Spielbetriebs beschäftigen. Die Zeit drängt. Die Klubs der Dritten Liga fordern eine Vorbereitungszeit. Mitte Mai müsste man die Liga in Form von Geisterspielen spätestens fortsetzen, um die Saison überhaupt noch beenden zu können.

Für den TSV 1860 München scheint es eine klare Sache: es wird Geisterspiele geben. Und so verkauft man bereits virtuelle Tickets. Mit dem Hinweis, dass die Tickets nicht für reelle Spiele gelten. Das heißt aber auch, dass man die Tickets zurückgeben können müsste, wenn es nicht zu Geisterspielen kommt. Denn mit den Tickets versprechen die Löwen, dass jeder sich im Stadion auf einem Banner ablichten lassen kann. Das dann bei den Geisterspielen die Tribünen ziert. Wenn es nicht zu Geisterspielen kommt, kann der Klub das nicht erfüllen. Die Fans müssten also von ihren Tickets zurücktreten können. Hier wäre es vielleicht sinnvoll gewesen, mindestens bis zur Entscheidung des Deutschen Fußball-Bundes zu warten.

Einige Fans stellen sich die Frage, ob es richtig ist, für ein kommerzielles Unternehmen zu „spenden“. Klar darf auch eine Firma Geld annehmen. Aufgrund fehlender Gemeinnützigkeit darf sie aber keine Spendenquittung ausstellen. Und sie muss mögliche Spenden als Einnahmen im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnung verbuchen und versteuern. Zu 100 Prozent kommt Geld also nicht bei der KGaA an. Das wäre bei einer Spende an den TSV München von 1860 e.V. anders. Einige Fans fragen sich deshalb, ob man nicht besser über den e.V. das Nachwuchsleistungszentrum unterstützen könnte. Oder andere Löwen-Projekte. Auch damit könnte man zumindest indirekt den Profifußball entlasten. Andere wiederrum sprechen nicht von einer Spende, sondern von einer Dienstleistung. Weil man für 18,60 Euro eben doch etwas bekommt. Nämlich sein Konterfei auf einem großen Banner auf der Tribüne. So oder so spielt aber die Begrifflichkeit keine Rolle. In jedem Fall muss die KGaA das Geld versteuern. Der Profifußball ist eine Fußball-Firma.

Viele Fans haben bereits zugeschlagen und sich eine Dauerkarte oder Einzeltickets für die Geisterspiele gesichert. Die Solidarität ist bei den Löwen groß und wenn der Klub ruft, dann sind viele schnell bereit, ihren Beitrag zu leisten. Es wird gerne gespendet. Allerdings immer wieder auch begleitet von kritischen Tönen. Der Klub sollte bei der Anzahl der Spenden-Aufrufe den Bogen nicht überspannen.

Erinnern wir uns zurück. Vor gut einem Jahr wurden die Ticketpreise erhöht. Die Fans fanden das nicht gut und verwiesen oft auf ein krankes Unternehmen, das ständig Löcher stopft. Kurz danach begann die ständige Betonung, dass man sich keinen drittligatauglichen Kader leisten könne. Daraufhin entlastete der TSV München von 1860 e.V. die erkrankte KGaA durch die eine immense Kostenübernahme am Nachwuchsleistungszentrum. Indirekt wird damit die Fußball-Firma durch Spenden und Mitgliedsbeiträge unterstützt. Klar, der TSV e.V. ist Gesellschafter und muss seinen Beitrag leisten. Aber in welchem Umfang? Genug war das nicht. Und so wurde weiter betont, dass man für die Dritte Liga zu schwach sei. Private Gönner finanzierten daraufhin Aaron Berzel. Es folgte eine Benefizveranstaltung der Unternehmer für Sechzig, die eigentlich einen gemeinnützigen Hintergrund haben. Doch auch hier profitierte die KGaA maßgeblich.

Die Coronakrise ist außergewöhnlich. Ob Fans das zum Anlass nehmen, an die Fußball-Firma quasi Geld zu schenken, muss jeder für sich wissen. Gastwirte versuchen sich mit Gutscheinen über Wasser zu halten. Gutscheine, die irgendwann einmal eingelöst werden. Der TSV 1860 München setzt hingegen immer wieder auf Herzblut und hofft auf die Solidarität der Löwen. In der Coronakrise aber auch schon zuvor. Immer wieder wird betont, dass der TSV eine große Marke mit viel Potential ist. Doch mit dem Herzblut der Löwen und die ständigen Zuwendungen werden meist nur Löcher gestopft. Um die Fußball-Firma auf solide Beine zu stellen bedarf es eben doch mehr.

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