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Ein hauptamtlicher Präsident als Zukunftsmodell

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Das Präsidium des TSV 1860 München e.V. arbeitet wie viele andere Mitglieder ehrenamtlich und unentgeltlich. Das ist nichts Neues und wird seit vielen Jahren so gelebt. Das Ehrenamtsmodell ist auch bei dem überwiegenden Teil der Fußballclubs in Deutschland üblich. Für die Löwen würde sich jedoch ein Präsident in Festanstellung lohnen. Eine Überlegung.

“Der Präsident präsidiert…” meinte 1860-Präsident Robert Reisinger im März 2023 – und hat damit im “modernen Fußball” grundsätzlich Recht. Seitdem die meisten Vereine ihre Profi-Fußballabteilungen ausgegliedert haben, verantworten i.d.R. die Geschäftsführer die Geschäfte, Finanzen und sportliche Entwicklungen. Das Präsidium mischt zwar mit, jedoch gilt es v.a. als erster Repräsentant der Vereins. Dies unterscheidet sich grundlegend zur der Zeit, in der der eingetragene Verein die Führung der Profimannschaften unter sich hatte. Karl-Heinz Wildmoser kam dies zu Gute. Als omnipräsente Führungskraft repräsentierte er den TSV 1860 wie kein Anderer. Weil er es persönlich konnte und lt. Satzung auch entsprechend musste. Es war schlichtweg seine Aufgabe. Das ist heute Anders, genauer gesagt nach der Ausglieder des Profußballs Ende 2001. Reisingers Verhalten und Agieren ist somit nicht ungewöhnlich im Vergleich zu anderen deutschen Proficlubs. Dennoch drängt sich immer mehr die Frage auf, ob die aktuelle Strategie des Präsidiums in einem Verein wie dem TSV 1860 München wirklich zielführend ist. Das Konstrukt der Löwen ist mehr als kompliziert. Nicht nur, dass es mit HAM Int., resp. Hasan Ismaik einen Gesellschafter gibt, dem 60% an der Kommanditgesellschaft auf Aktion gehören, sondern auch die Verflechtungen zwischen den verschiedenen Gremien. Das löwenmagazin hat im April 2023 ein Schaubild gezeichnet, welches sogar für Experten nicht selbsterklärend ist.

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Ein Beispiel zum Thema Finanzen: Im Grunde entscheidet die Geschäftsführungs-GmbH wer die KGaA als Geschäftsführung leitet und die wiederum trifft die operativen Entscheidungen. Doch immer wieder spielt auch der Aufsichtsrat der KGaA eine Rolle. Nämlich dann, wenn es Entscheidungen gibt, die seitens der Kommanditaktionäre getroffen werden müssen – im Endeffekt: wenn in irgendeiner Weise mehr Geld benötigt wird – und das ist auch jedes Jahr der Fall. Die Mehrheit im Aufsichtsrat hat HAM mit dem Vorsitzenden Saki Stimoniaris. Die Stimme des Vorsitzenden zählt bei Patt doppelt. Ein anderes Beispiel ist das Verständnis für den Aufgabenbereich des Verwaltungsrates. Der Verwaltungsrat des e.V. ist schlichtweg ein Aufsichtsrat – nichts Anderes. Dementsprechend aufgabentechnisch durch die Satzung limitiert und nicht befugt fachlich weitreichende Entscheidungen zu treffen.

Kompliziertes Konstrukt erfordert viel Zeit

Der eingetragene Verein zählt aktuell ca. 27.000 Mitglieder. Den Profifußball charakterisiert eine gespaltene Fanszene, sich ständig in der Öffentlichkeit streitende Gesellschafter, eine nicht gelöste Stadion- und Sporthallenfrage und das regelmäßige Suchen nach mehr Geld ohne, auf Grund Auflagen des DFB, neue Schulden machen zu dürfen. Hinzu kommt eine Medienlandschaft die selten sachlich berichtet sondern sich lieber im Populismus versucht. In einer Stadt, in der der erfolgreichste deutsche Fußballverein beheimatet ist, der DEL-Serienmeister und Kunst und Kultur einen hohen Stellenwert genießt. Der TSV 1860 scheint für die Politiker der Stadt München eine lästige Randerscheinung zu sein. In und um den Verein gibt es unzählige Themen zu bearbeiten. Es sind so viele, vielschichtige und herausfordernde Aufgaben, welchen aktuell Keiner gewachsen sein kann – schon gar nicht als Nebenjob in der Freizeit. Mit Sicherheit spielt die Kluft zwischen e.V. und HAM auch eine gewichtete Rolle. Jedoch hört man immer wieder, dass der Faktor Zeit eine bremsende Wirkung auf die Entwicklung des Vereines nimmt. Der Großteil der Funktionäre und Entscheider im Verein, ausgenommen die Mitarbeiter der KgaA, arbeiten ehrenamtlich und haben Fulltime-Jobs, Familien und Hobbies. Nebenbei eine Führungsaufgabe bei 1860 München zu übernehmen, kann eigentlich nicht funktionieren.

Hauptamtliches Präsidium als Lösung?

Ein paar wenige Vereine haben dieses Dilemma erkannt und einen Präsidenten/ein Präsidium in Vollzeit und hauptberuflich engagiert. In Deutschland eine absolute Seltenheit. Der FC St. Pauli betreibt dieses Modell seit 2022, “um bei dynamischen Entwicklungen und veränderten Rahmenbedingungen schneller und effizienter agieren zu können und um Mitgliederinteressen im operativen Geschäft zu stärken.” (Quelle: St. Pauli) Weitere positive Auswirkungen eines hauptamtlichen Präsidiums, erwartet sich St. Pauli in Geschwindigkeit und Qualität der Entscheidungen: “Durch diese Veränderung ist der FCSP in der Lage, schneller zu handeln. Gerade in herausfordernden Zeiten bedarf es unmittelbarer und gleichzeitig wohlüberlegter Entscheidungen. Die Trennung von Haupt- und Ehrenamt hat dazu geführt, dass an bestimmten Stellen tiefe inhaltliche Einblicke nicht vorhanden sein konnten.” Auch Holstein Kiel führte mit dem erster hauptamtlicher Präsidenten Steffen Schneekloth dieses Modell ein. Schneekloth war in seiner Funktion u.a. erster Ansprechpartner für den Stadion-Neubau beim Verein. Beim VfB Stuttgart wurde, nach dem Rücktritt von Manfred Haas, dem die Doppelbelastung Job und Präsident zu viel wurde, mit Erwin Staudt der erste hauptamtliche Präsident der VfB-Historie eingesetzt. Beim 1. FC Köln gibt es seit 2016 einen bezahlten, hauptberuflichen Präsidenten.

Ein ehrenamtlicher Präsident befindet sich immer in der Zerreis-Probe zwischen Vereinsaufgaben und Beruf/Familie. Finanzielle Unabhängigkeit mag von Vorteil sein, dennoch erfordert auch dann ein Fulltime-Ehrenamt eine riesige Einsatzbereitschaft. In einem emotionalen Umfeld wie bei den Löwen, sollte auch die psychische Belastung nicht außer Acht gelassen werden. Anfang des Jahres erarbeiteten Fans einen Vorschlag, der es zukünftig möglich machen sollte einen Präsidenten in Vollzeit bei 1860 zu beschäftigen. Das war allerdings gar nicht nötig, denn Artikel 3.1 der aktuellen Satzung regelt schon die Möglichkeit einen hauptamtlichen Präsidenten einzusetzen und eine entsprechende Vergütungsregelung zu beschließen.

3. Vereinsleitung, Vereinsvermögen
3.1 Der Verein wird – vorbehaltlich der nachfolgenden Regelungen in diesem Absatz – ehrenamtlich geführt. Mitglieder des Präsidiums, der Abteilungsleitungen, des Verwaltungsrates, des Ehrenrates, des Wahlausschusses sowie die Seniorenvertreter und die Vertreter der Jugend dürfen eine angemessene Tätigkeitsvergütung für ihren Zeit- und Arbeitsaufwand erhalten. Über Gewährung und Höhe der Vergütung beschließt – mit Ausnahme der Vergütung der Abteilungsleitung und der Vertreter der Jugend – die Mitgliederversammlung. Über die Vergütung der Abteilungsleitung beschließt die jeweilige Abteilungsversammlung der betroffenen Abteilung. Die Vergütung der Vertreter der Jugend sowie die Zuständigkeit für die Festlegung dieser Vergütung regelt die Jugendordnung.
Zur Aufgabenerledigung können haupt-, neben- und ehrenamtliche Mitarbeiter beschäftigt werden. Soweit gesetzlich zulässig, können Auslagenersatz, pauschale Aufwandsentschädigungen sowie Vergütungen an Mitglieder bezahlt werden, wenn diese als Trainer, Übungsleiter oder in anderen Funktionen tätig sind.

Von einem entsprechenden satzungsändernden Antrag auf der diesjährigen Mitgliederversammlung wurde abgesehen. Dennoch gäbe es jetzt, ein paar Monate vor der nächsten Jahreshauptversammlung, auf der über das zukünftige Präsidium abgestimmt wird, die Möglichkeit dieses Thema wieder zu überdenken. Wäre dies eine Möglichkeit mehr Struktur, Professionalität und Präsenz in den Club zu bekommen? Wäre ein Präsident der seine volle Arbeitszeit für den Verein einsetzen könnte, eine Chance für die Löwen? Wie sieht ihr das Modell eines “hauptamtlichen Präsidenten” bei den Löwen?

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