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Die mediale Wolke 7 und die totale Harmonie

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Es herrscht die totale Harmonie. Selbst nach dem bescheidenen Auftritt gegen Türkgücü München und dem deaströsen 0:3 gegen den 1. FC Kaiserslautern. Ein Kommentar zur aktuellen Lage und der Versuch, sie zu verstehen.

Ein nachhaltiges Finanzpaket. Friede zwischen den Gesellschaftern. Viele neue Sponsoren und eine deutliche Steigerung bei den Einnahmen. Die durchaus erfolgreiche Mannschaft der vergangenen Saison blieb fast gänzlich erhalten und konnte sogar noch verstärkt werden. Talentierte Spieler konnten aus dem Nachwuchsbereich hochgezogen werden. Fans werden wieder zugelassen. Die Infrastruktur des Nachwuchsleistungszentrum wird gerade auf Vordermann gebracht. Es ensteht Frauenfußball, eine Blaskapelle wird gegründet. Es geht vorwärts mit den Löwen. In der KGaA. Im Verein. Überall. In rasendem Tempo.

Oder doch nicht?

Zugegeben, einige oben genannte Punkte haben mit Profifußball gar nicht viel zu tun. Sie wirken allerdings durchaus verstärkend, wenn auch nur indirekt. Wenn man die Löwen in ihrer Gesamtheit betrachtet.

Die mediale Wolke 7

Der TSV 1860 München hat sich die mediale Wolke 7 geschaffen. Teilweise auch mit, meines Erachtens, fragwürdigen Mitteln. Meine Fragen zum Nachwuchsleistungszentrum und dem dortigen monatelangen Wasserschaden wurden kritisiert. Ich wurde gebeten einen Kommentar über das Nachwuchsleistungezentrum herauszunehmen. Weil aktuell alles gut läuft. Auch im Hinblick auf die Entwicklung der ARGE des TSV 1860 München bat man mich, einen Artikel zu entfernen. Unbequemen Themen, so scheint es, geht man aus dem Weg. Dabei sollte man gerade jetzt Fragen stellen.

Fragen, zum Beispiel zum Nachwuchsleistungszentrum. Wieso seit Monaten oder gar Jahren der dortige Wasserschaden nicht effektiv in Angriff genommen wurde. Und ja, der TSV könnte doch sinnvoll antworten: aktuell nimmt man es nun tatsächlich in die Hand. Man hat doch eine positive Antwort parat. Warum geht man also der Frage aus dem Weg? Die KGaA kann vor allem auf ehrenamtliche Helfer bauen. Im Spätsommer will man hierfür auch noch einmal Geld sammeln. Da werden dann zwar wieder die Fans zur Kasse gebeten. Das könnte man natürlich kritisieren und ich selbst sehe das auch kritisch, weil die KGaA meiner Meinung nach wieder mehr Verantwortung im Hinblick auf das NLZ übernehmen muss. Dennoch: Es bewegt sich was. Warum soll man darüber nicht sprechen dürfen? Hat man Angst, jemanden zu brüskieren? Hat man Angst vor Reibung?

Zum Beispiel kann man auch darüber sprechen, wie die Zeit nach dem nachhaltigen Finanzpaket aussehen soll. Nachhaltig ist es nämlich nicht. Es endet zwar theoretisch erst im Sommer 2023. Aber bereits im Sommer 2022 rutscht man finanziell bereits auf einen Spieleretat unter 3 Millionen. Zum Leben zu wenig, zum Sterben zuviel, so hieß mal ein Artikel im Löwenmagazin. Und ja, es ist gut, dass die KGaA durch das nachhaltige Finanzpaket, oder sagen wir lieber, dem Corona-Notfall-Darlehens-Paket, nicht in die Insolvenz rutscht. Aber es rettet uns eben immer nur von einer Saison zur nächsten. Lediglich der Übergang von der letzten Saison zur aktuellen Saison war fliessend. Weil man bereits 2020 für zwei Saisons durchgeplant hat. Vor kurzem telefonierte ich mit einem Verantwortlichen und äußerte meine Bedenken. Als Antwort kam: „Wir steigen auf – dann sehen wir schon weiter.“ Tatsächlich?

Die totale Harmonie

Es herrscht die totale Harmonie bei den Löwen. Meines Erachtens immer wieder auch durch einen erzwungenen Burgfrieden. Und das schadet dem Konstrukt. Das schadet den Löwen. Es scheint keine Opposition mehr zu geben. Und jeder schwimmt mit. Weil es eben keiner es möchte, der auch nur annähernd derjenige ist, der den Burgfrieden gefährdet. Also kritisiert man nicht mehr. Diskutiert man nicht mehr.

Die Löwen benötigen Konflikte. Nicht nur die Löwen, jedes System. Man benötigt Strömungen und Hindernisse. Baustellen gibt es genug, die man anpacken kann. Der Unterschied zu früher sollte lediglich sein, dass man sie nicht mehr unreflektiert und emotional anpackt, sondern auf Augenhöhe, respektvoll und konstruktiv. Die Frage ist dabei nur, ist das überhaupt noch möglich? Oder hat man die Löwen bereits derart in eine Ecke gedrängt, dass jegliche Kritik sofort verschlungen wird?

Man kennt das doch auch aus Beziehungen. Den besten Sex gab es immer mit einer gewissen Spannung. Mit Eifersuchteleien und auch mal fremdes Begehren. Die Selbstverständlichkeit muss immer wieder zu einem erstrebenswerten Objekt der Begierde werden. Und da macht es vielleicht auch mal Sinn, jemand tatsächlich von der Bettkante zu stoßen. Das kann wie ein Neustart wirken. Wie der TSV 1860 das intern löst, wir wissen es nicht. Aber gerade auch medial sollte man nicht nur immer den Kuschelmodus predigen.

Der Aufstieg wird kein Selbstläufer. Und es ist amateurhaft zu glauben, man würde den Aufstieg durch eine Schönwetterpolitik zementieren können. Auf die Werte der vergangenen Saison konzentrieren. Da wusste niemand wo es hingeht. Ob die Harmonie überhaupt anhält. Ob der Burgfriede standhaft ist. Und genau das benötigen die Löwen. Sich nicht in Sicherheit wiegen, sondern immer zu kämpfen.

Die Chancen aufzusteigen? Die sind unverändert gut. Mit Kampfgeist. Mit Willen. Und mit kontinuierlicher Arbeit. Mit Spannungen, Debatten und mit Kritik. Um gut zu sein benötigt man immer wieder auch Reibung. „Auch ein wenig Reibung bringt uns voran“, meinte jüngst Michael Köllner: „Am Ende muss es aber immer konstruktiv sein. Es muss immer an der Sache und am Ziel orientiert sein.“ Wie Recht er doch hat.

Und ja, ich glaube an den Aufstieg. Mit der aktuellen Mannschaft, der aktuellen Führung und natürlich uns als Fans. Das bleibt unverändert.

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