Die neue Serie des Löwenmagazins. Kleine weiß-blaue Geschichten rund um ein Wirtshaus in GiesingStadtteil rechts der Isar und südöstlicher Teil der bayeri.... Stefan und Maria Grantler betreiben in GiesingStadtteil rechts der Isar und südöstlicher Teil der bayeri... eine Kneipe. Stefan liebt die Löwen. Genauso wie sein Vater Klaus. Stets einer Meinung sind sie allerdings nicht. Sowohl was die Kneipe angeht, also auch was die weiß-blaue Liebe betrifft.
Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeit mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Teil 1 – Tochters neuer Freund
Das kleine „Giesinger Wirtshäusl“ hatte noch nicht geöffnet. Allzu lange war es jedoch nicht mehr hin und der erste Stammkunde würde durch die Türe kommen, um sich ein erstes Bier zu gönnen. Und das, obwohl es dann gerade mal 10 Uhr am Sonntagmorgen war. Oder aber ein Pärchen, das sich frisch verliebt in die hinterste Sitzecke setzen würde und ein Bauernfrühstück bestellen würde. Vielleicht kam auch die alte Frau Huber herein. Sie bestellt sonntags immer ein Stück Kuchen und einen Kaffee, um dabei lautstark gegen die Kirche zu wettern. Deren „Propaganda“ sie einst entflohen war und sich nun statt der Sonntagsmesse ein Stück Kuchen gönnt. Aus Protest gegen den Vatikan. Ein paar tatsächliche Kirchgänger kämen etwas später, pünktlich jedoch vor dem 12 Uhr-Läuten und der damit verbundenen Möglichkeit, noch Weißwürst bestellen zu können. Das Publikum war stets bunt gemischt. Zu verdanken war dies vor allem Maria, die mit viel Herzblut diese Bierstube eingerichtet hatte. Keine bloße Kneipe, sondern ein Treffpunkt für Bierliebhaber und Fans bayerischer Gemütlichkeit. Maria Grantler war die gute Seele der Stube. Sie war eigentlich keine Münchnerin, sondern kam aus Niederbayern. Vor zwanzig Jahren hatte sie sich in ihren heutigen Mann Stefan verliebt. Ein waschechter Münchner und Sohn eines Münchner Kneipenbesitzers. Gemeinsam mit ihm hatten sie die Kneipe seines Vaters übernommen und zu diesem gemütlichen Biertreffpunkt gemacht, der sie heute war.
Stefan räumte gerade einige Craft-Biere in den Kühlschrank. Die meisten Gäste tranken Helles oder Weißbier, aber der Trend zu ausgefalleneren Bieren machte sich auch hier im Giesinger Wirtshäusl bemerkbar. Stefan hatte für seine Gäste einige bayerische Craft-Biere ausgewählt. Jede Woche gab es zudem ein neues Sonderangebot einer Münchner Brauerei. Er schaute zu seiner Frau rüber. „I bin dann fertig.“
Seine Frau Maria rückte ein Blumengesteck zurecht und nickte schließlich zufrieden. „Ja, bin auch soweit. Wie findest du die Blumen?“
„Du weißt doch. Was ich nicht als Beilage zu meinem Schnitzel essen kann, soi bleim, wos hingehört. Auf der Wiesn. Um dort genüsslich von meinem zukünftigen Schnitzel verzehrt zu werden.“
„Du bist ein Banause.“
„Dir gefällts, Spotzl. Und des is das Wichtigste“, meinte er. Er hatte für die vielen dekorativen Einfälle seiner Frau nichts übrig.
„Depp“, sagte sie.
„Stefan!!“ schrie jemand laut irgendwo im Hintergrund.
„Oh Gott, dei Vater is aufgwacht!“, meinte Maria. Sie wischte mit einem Lappen die Theke ab und warf ihn dann in die Spüle.
Stefan schnaufte. „I hob denkt, er will ausschlafa.“
Klaus, der Vater von Stefan, kam durch die Tür. Die Grantlers wohnten über dem Wirtshaus. „Da seids ja.“
„Wo solln wir sonst sei?“, fragte Maria genervt.
„Ko ja koaner ahnen, dass ihr mei Kneipe rundum die Uhr aufmachts. Ich hab seinerzeit erst um Punkt 4 Uhr aufgmacht.“
„Erstens stimmt des ned“, seufzte Stefan. „I war oft genug als kleiner Bua mittags in der Kneipe und es warn Gäste da. Zweitens ist es unsere Kneipn, ned deine allein.“
„Diese Überheblichkeit hast von deiner Mutter.“, meinte Klaus und schaute nach oben, als könne er in den Himmel schauen. „Gott hab sie selig.“
„Lass bittschön de Mama aus dem Spiel“, meinte Stefan sauer.
„Oh, ich vergaß, der Herr ist empfindlich, wenn es um seine verblichene Frau Mutter geht“, meinte Klaus spöttisch.
„Hör auf, Bappa. Du weißt genau, um was es mir geht. Dass du d’Mama ständig dazu benutzt, mir ein schlechtes Gwissn zu machen. Seit drei Jahren. Seit sie von uns gegangen is.“
„Sie is ned von uns gegangen, sie is dod“, meinte Klaus beleidigt und setzte sich dann an die Theke. „Schenksd ma a Hoibe ei, Maria?“
„Willst ned erst an Kaffee?“, fragte seine Schwiegertochter. „Wir haben doch noch nicht mal zehn.“
„Ihr macht doch jetzt auf, oda? Für was sonst soll ma a Kneipn aufmacha, wenn ned fürs Biertrinkn? Außerdem kimmt da Rudi glei zum Frühschoppn.“
„Dann kannst du ja ruhig auf dein oidn Spezl wartn“, erwiderte Stefan bestimmend und nahm eine Tasse. „A Kaffee duad da sicher guad.“
„Wennsd moansd“, murrte der alte Mann.
„Kleine oder große Tasse?“
„Leg mi doch einfach unter de Maschi und lass laufen“, brummte Klaus.
Sein Sohn ignorierte ihn und nahm eine kleine Tasse.
„Griaß eich“, ertönte eine Stimme. Wenn man vom Teufel spricht, dann steht er meist vor der Türe, pflegte Stefan gerne zu sagen. Und so war es auch in diesem Fall. Es war Rudi.
„Griaß di, Rudi“, sagte Maria und schaute obligatorisch auf die Uhr. Es war tatsächlich schon 10. „Pünktlich wia de Maurer.“
„Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige“, meinte Rudi süffisant. „Und wer zu spät kommt, den bestraft der versiegende Zapfhahn. Frei nach Gorbatschow.“
„I woaß ja ned was du daherredst. Aba as Bier is uns no nia ausganga“, sagte Stefan. „Griaß di Rudi. Magst an Kaffee?!“
„Na, bitte ned. Wach bin i scho, jetzt hab i an Durscht.“
„Meine Worte, Bua“, fauchte Klaus und trank seinen Kaffee aus. „Schenk ma a glei a Hoibe ei.“ Dann trottete er zum Stammtisch und setzte sich. Er schaute zu Rudi und rief ihm zu. „Hau di hera, samma mehra!“
Rudi nickte, wartete allerdings an der Theke, bis er sein Bier hatte und ging dann zum Stammtisch. Grunzend setzte er sich. „Was für a Weda heid …“
„Schau her, Bab“, sagte Stefan und brachte nun auch seinem Vater ein Bier. „Damit endlich a Rua is.“
„Eigentlich sollt i ja laut meinem Arzt weniger Bier dringa”, meinte Rudi. „Um zu schauen, ob meine Leberwerte dann besser werden.“
„Ja leck, wirklich?“, fragte Klaus.
„I hab ihm schon gsagt, er kann mi mal. I trink einfach mehra. Wird´s schlimmer, dann wissen wir, dass es am Bier liegt.“
Klaus lachte.
„Mit sowas sollt ma fei koane Spassettl macha“, meinte Stefan ernst. Aber er wusste, dass hier Hopfen und Malz verloren waren. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er ging zurück hinter die Theke.
Die Türe ging auf. Ein etwa vierzigjähriger Kerl kam herein. „Servus beinand“, rief er ins Lokal.
Klaus und Rudi nickten beide mürrisch.
„Griaß di, Sepp!“, meinte Maria.
„Vui los is do aber no ned“, grinste der Neuankömmling. „Wenn mas gnau nimmt, no gar nix. Dei Schwiegervater und sei boaniga Spezl ghören ja zum Inventar.“
„Ja, da hast du wohl recht“, seufzte Maria. „Was kann ich für dich tun?“
„Machst mia an Kaffee, bittschön.“
Stefan kam aus der Küche. Mit einem Stapel frischer Gläser. „Servus, Sepp. So fria scho wach?“
„He, heid spuid Sechzge. Glaubst du, dass i da in Ruhe ausschlafa ko?“
Stefan grinste. „Sicher ned. Aber dass du am Spieltag mit Kaffee anfängst, ist doch verwunderlich.“
„Langsam mit de jungen Löwen“, grinste Sepp. „Fließt heid scho no gnua Bier.“
„Des is a so a Doppelmoral. Dein Vater kritisierst, weil er früh anfängt. Dein Spezl ermutigst“, meinte Maria.
„Am Spieltag is des scho in Ordnung“, entschuldigte sich ihr Mann grinsend. „A Sechzger verträgt des scho.“
„Dei Vater is auch ein Sechzger …“
„Der Grantler geht aber ned ins Stadion“, meinte Sepp.
„Grantler im doppelten Sinn“, grinste Stefan. Er wusste, dass man seinen Nachnamen gerne für Scherze verwendete. Und sein Vater war tatsächlich sowohl namentlich ein Grantler, als auch von seiner Art her.
Ein weiterer Gast betrat die Giesinger Kneipe. Es war die alte Frau Huber. Die hier in der Kneipe ihren Protest gegen die Kirche auslebte. Einen Protest, den sie immer wieder mal betonte. Aber der keinen wirklich interessierte.
„Griaß eich“, ruft sie in den Raum und stapfte zielstrebig zu einem der Tische.
„De Huabarin“, meinte Klaus laut. „Was verschafft uns die Ehre? Is heid scho wieder Protesttag?“
„Jawoi der Herr“, meinte sie und nahm Platz. Bevor sie überhaupt bedient werden konnte, rief sie: „Apfelkuchen wenns einen habts. Und an Kaffee, bittschön.“
„Kimmt sofort“, meinte Maria.
Drei Polizisten kamen herein. In voller Ausrüstung mit Helm und Schlagstock. Schwarz gekleidet. Ihre Anwesenheit wirkte genauso deplatziert wie Angela Merkel auf einem Playboy-Cover. Im Wirtshäusl war es ruhig.
„Schleicht´s eich!“, rief die Huber, als die Polizisten vom Unterstützungskommando an ihr vorüber gingen.
„Bitte was?“, fragte der Beamte irritiert.
„Hören´s nicht auf die. De is de oide Huabarin. Di sieht überall Verschwörungstheorien. Und sie können sicher sei, dass sie glaubt, sie wären vo da Kirch gschickt“, sagte Stefan schnell. Er war es gewohnt, dass die Beamten während Spieltagen auch durch so manche Kneipe eine Runde drehten.
„Von der Kirche?“, fragte der leitende Beamte und lehnte sich neben Sepp an die Theke.
„Ja!“, meinte Sepp. „De Huabarin protestiert gegen die Kirche und ihre Machenschaften. Jedn Sonntag. Zumindest glabt sie, dass sie protestiert. Indem sie rotzfrech genau dann Kuchen frisst, wenn die Kirchenglockn läutn.“
„Na dann“, murmelte der Beamte. „Wir schauen später noch mal vorbei. Wenn´s voller wird.“
„Tun Sie sich koan Zwang an“, meinte Stefan. „Aber heid bleibt´s eh ruhig.“
Der Beamte ging.
„Scheiß Bullen“, seufzte Sepp.
„De machen a nur ihren Job“, sagte Stefan.
„Ach hör ma auf. Wäre ja ned schlimm, wenn einer in grün hier reinschneit und nach dem Rechten sieht …“
„Blau!“
„Was?“
„Blau! Die Uniformen san doch in da Zwischenzeit blau.“
„Wia a immer. Aber die schwarzen Kerle mit ihren Helmen und Schlagstöcken. Die san ned wirklich a Sinnbild deeskalierender Polizeiarbeit.“
„Tja, die Bamberger Sturmtruppen. Mit viel Testosteron gegen Fußballfans. Besser, wenn ma´s ignoriert.“
“Da schau her, der Ruinenanbeter“, schnaubte der alte Klaus, der gerade zur Theke kam. „Über was meckert´s ihr scho wieder?“
„Eam schaug o. Da ganz da anda. Wartest immer no auf dein Löwenzoo?“
„Hoids Mei!“, sagte Klaus.
„Dei Gönner sollte sich beeilen. Lang zu leben ham du und deine Freundal ja wohl nimma.“
„Ihr seids Ewiggestrige. Dass ihr euch ned schamts.“ Klaus war sichtlich erbost. Wie immer, wenn er Sepp sah. „Respektlos vor dem Alter. Ich war scho a Sechzger, da warst du no gar ned auf dera Welt.“
„Nein, nicht respektlos vor dem Alter. Nur vor so am grantigen Oidn wia dir.“
„Vater, was willst du?“, fragte der Wirt hinter seiner Theke. Stefan wirkte mehr als genervt.
„Ich geh auf´s Häusl im Häusl“, meinte Stefans Vater. So nannte man ironisch die Toiletten der Wirtstube. Es stand sogar so vor dem Eingang.
„Eine Information, die wir natürlich alle haben sollten“, spottete Sepp. „Solltest du ned vorher no a Bier trinken? Damit du ned so zitterst. Sonst kimmst no, bevor du überhaupt anfängst zu bieseln.“
„Arschloch!“, Klaus schaute Sepp abfällig an. „Ich hab nie verstanden, was mein Buam und di verbindt. Familie kann man sich ned aussuchen. Freunde schon. Und warum er ausgerechnet di als Freund hat, der Teufel alloa weiß des.“
„Du kannst den Teufel ja fragen, wenn du ihn boid siehst“, konterte Sepp. „Einen Platz im heißen Kessel hat er für di sicherlich scho reserviert.“
Klaus ging nicht darauf ein, sondern schaute zu seinem Sohn. „Machst uns no zwoa Hoibe?“
„Dein Freund zahlt, des is dir scho klar?“
„So sieht also Gastfreundlichkeit aus?“, schnaubte Klaus. „Wahrscheinlich kassierst du irgendwann auch noch von deinem oidn Herrn.“
„Koa Angst, Grantler. Für di bleibt´s Bier im Wirtshäusl frei“, meinte Sepp grinsend. „Dann ist die Chance höher, dass di der Teufel boid holt.“
„Mit da Scheißhausbürstn sollt man di rauskehrn“, meinte Klaus wütend und ging in Richtung Häusl im Häusl.
„Pass bloß auf“, meinte Stefan. „So wie i mein Vater kenn, macht der mit dem Teufel gemeinsame Sach. Und dann legt er uns ein paar extra Scheitl unter unsern Kessel.“
Ein junger Mann kam herein. Er stand etwas unsicher im Eingangsbereich. Ging dann zur Theke.
„Kann i dir helfen?“, fragte Stefan.
„Schenkt ihr schon Bier aus?“, kam als Gegenfrage.
Der Wirt lachte. „Ja sicher. Sechzge spuit. Das hältst ja nüchtern ned aus.“
„Ich bin kein Blauer, von dem her“, meinte der junge Kerl. „Aber eine Halbe nehme ich trotzdem.“
„Aber hoffentlich kein Roter“, sagte Sepp, der mit prüfendem Blick den Neuankömmling von oben bis unten anschaute.“
„Doch schon.“, sagte er.
„Geh weida, ned dei Ernst? Du weißt schon, dass des a Sechzger Kneipn is?“
„Echt?“
„Ja, echt.“
„Oh!“, der junge Mann war irritiert. „Ich wart hier auf meine Freundin.“
„Am Spieltag“, sagte Sepp. „In einer Sechzger Kneipe. Als Roter. Ja genau.“
„Dei Bier!“, meinte Stefan und stellte dem neuen Gast eine Halbe auf die Theke. Dann blickte er zu Sepp: „Und du sei staad. Vergraul ma ned meine Gäst.“
„I bin ja scho staad.“
„Sechzig ist der geilste Club der Welt“, sang ein Fan am Eingang. Drei Freunde, alle im Löwendress, folgten ihm.
„Servus beinand“, meinte Stefan.
„Servus!“, kam als Antwort. Die jungen Männer setzten sich.
Maria folgte ihnen, um die Bestellung aufzunehmen.
Der Stundenzeiger war längst an der 10 Uhr-Marke vorbeimarschiert. Langsam kamen mehr Gäste. Meist Fans des Giesinger Traditionsvereins.
Eine Dame kam herein. Hübsch. Im Minirock und Bluse.
„Do schau her!“, meinte Stefan. „Da kommt ja endlich de Giulia. De versüßt mir glei amoi den Morgen. Ein Sonnenschein in unserer bescheidenen Hüttn.“ Die junge Frau hätte seine Tochter sein können. Die Worte des Wirtes wirkten wie eine plumpe Anmache.
„Du alter Schmeichler“, sagte die junge Frau grinsend.
Sepp wusste, warum sich Stefan so über das Erscheinen freute. „So gschmeidig wirst du von deim Chef auch nur an Spieltagen begrüßt.“
„Ja”, grinste Giulia. Auch sie wusste, warum ihr der Wirt Honig ums Maul schmierte. Sie war Italienerin. Hübsch und stets ein wenig zu provokativ gekleidet. „Big Boss kann dann zum Spiel. Und wir Weiber schmeißen den Laden.“ Giulia war Angestellte im Wirtshäusl.
„Hod dei Goschn“, grinste Sepp.
„Sei staad“, meinte Wirt Stefan schnell. „Wenn de heid kündigt, war´s das mit dem Spiel.“
Giulia achtete gar nicht mehr darauf. Sie ging zu dem jungen Bayern-Fan. „Markus. Was machst du denn hier?“ Sie umarmten sich.
„Ihr kennts eich?“, fragte Wirt Stefan.
„Lass mi ratn. Er is dei Stecher, hab i Recht?“, grinste Sepp.
„Wie bitte?“ Giulia schaute den Stammgast böse an und ging hinter die Theke. „Nein, ist er nicht.“
„Woher kennts ihr eich?“, fragte Stefan. Nun doch mehr als neugierig geworden.
Giulia wirkte etwas verunsichert. „Ich dachte …“
„Du dachtest was?“ Stefan schaute sie irritiert an. Ging aber dann gar nicht mehr weiter drauf ein, sondern gab ihr zwei Bier. „Ist für de Burschn an Tisch 4.“
Giulia war ganz froh, der Konversation aus dem Weg zu gehen. Sie nahm das Bier und ging zum Tisch. Eine Antwort gab sie ihrem Chef nicht mehr.
„Was denkt di jetzt?“ Stefan schüttelte ungläubig den Kopf.
„Du schnackselst oiso ned mit dera?“, fragte Sepp provokativ in die Richtung des Bayern-Fans.
Der junge Mann schüttelte entrüstet den Kopf. „Ich habe eine Freundin.“
„Auf die du hier wartest, des hosd scho gsogd.“
Stefan stellte seinem Stammgast Sepp ein weiteres Helles hin.
„Hey Papa“, meinte plötzlich jemand aus dem Hintergrund. Es war Stefans Tochter Liz. Sie gab ihrem Vater einen Kuss auf die Wange, nahm sich dann eine Brezn und ging einmal um die Theke zum Gastbereich. „Ihr habt euch schon kennengelernt?“
Sepp und Stefan starrten beide zu dem Bayernfan. Der nun einen Kuss bekam.
„Markus. Mei Freund“, stellte sie den jungen Mann vor.
„Dei wos?“, fragte Stefan irritiert. Er griff nach einem Glas, füllte es schnell mit Bier und nahm einen kräftigen Schluck. „Des is ned dei Ernst?“
„Doch, ist es. I wollt ihn euch heut vorstellen. Dir und Mama.“
„Des is a…“
„Ein was?“
„Er is a Roter!“, sagte Sepp. „Des will dei Vater sagen.“ Es klang, als hätte der junge Mann die Pest.
„Ja und?“, fragte Liz. „Kann euch doch egal sein.“
„I glab des ned. Heid ist Spieltag. Und mei Tochter muss ausgerechnet heid ihren Freund vorstellen, der a no a Fan vo de Seitenstraßler is.“
„Sei froh, dass er Markus heißt. Stell dir mal vor, er dad Kevin heißen“, grinste Sepp.
„Was is los?“, fragte nun Maria, die zur Theke zurückkam.
„Dei Tochter. Frag sie, was los is.“
„Hey Mama“, meinte Liz. „Darf ich dir Markus vorstellen? Wir haben uns auf der Party letzte Woche kennenglernt.“
„Erst letzte Woch?“, sagte Sepp. „Guad, dann besteht ja no Hoffnung.“
„Was ist denn euer Problem?“, fragte Maria und ging dann zu Markus. Sie gab ihm die Hand. „Freut mich. Ich bin Liz’ Mama.“
„Dann weiß ich zumindest, wo sie ihre Schönheit her hat“, schmeichelte der junge Kerl.
„Is des dei Ernst?“, fragte Stefan. Er nahm einen kräftigen Schluck Bier. „Jetzt schmiert er a no meiner Maria Honig ums Maul. Ich fass es nicht. Des is a Alptraum.“
„Drei Bier für Tisch zwei“, sagte Giulia. „Sind die schon fertig?“
Immer mehr Gäste drängten nun in die kleine Kneipe. Vor allem Fans.
„Hast du es boniert?“, fragte Stefan.
„Ja sicher.“
„Oh, sorry!“ Stefan nahm die Bons aus dem Drucker. „I bin völlig danebn.“
„Wegen Markus?“, Giulia grinste. „Er ist ein netter Kerl. Und attraktiv dazu. Du kannst stolz auf deine Tochter sein.“
„Warst du dabei? Hättsd du des ned verhindern können?“, Stefan füllte Biergläser am Hahn.
„Willst du mich feuern?“, fragte sie grinsend. „Weil ich es nicht verhindert habe?“
„Ned am Spieltag“, murmelte Stefan. Er verdrehte die Augen und stellte drei Bier auf ihr Tablett.
„Vier Bier bekomme ich noch für Tisch drei“, ergänzte sie die Bestellung.
„Kommt sofort.“
„Kann ich noch ein Bier haben?“, meinte Markus, der neue Freund von Liz.
„Saufn ko der scho moi wie a Löwe“, grinste Sepp.
„Depp!“, meinte Wirt Stefan, zapfte ein Bier und stellte es dann vor den Freund seiner Tochter. „Hier, geht auf´s Haus!“ Es klang mürrisch.
„Wirklich? Danke!“, meinte der Bayern-Fan.
„Du trinkst noch eins?“, fragte Liz ein wenig verdutzt. „Wir haben no ned mal Mittag.“
„Lass ihn trinken“, meinte ihr Vater. „Nüchtern hält er es hier doch eh ned aus.“
„Die Toiletten sind wo?“, fragte Markus und gab dann seiner Freundin einen Kuss.
„Raus und dann rechts.“
„Bis gleich!“, meinte Markus. „Lieb dich.“
„Lieb dich!“ äffte Stefan ihm nach. „Gott, dass ist der schlimmste Tag überhaupt. Jetzt muss nur noch Sechzge verliern, dann ko i mir glei de Kugel geben.“
„Ich find ihn nett“, meinte Sepp spöttisch in Richtung Liz. „Und wenn du aus Versehen schwanger werdn solltst. Dann ist a Abtreibung ja leicht erklärt. Mehr Grund, als dass der potenzielle Papa a Roter is, braucht´s eh ned.“
„Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein Arschloch bist?“, fragte Liz.
„Des muss er sich jeden Tag mindestens einmal anhörn“, sagte ihre Mutter, die erneut vorbeigekommen war, um ihr Tablett mit vollen Gläsern zu bestücken. „Was glaubst du, warum er no ned verheiratet is?“
„Klar, mit ihm hält´s keine aus!“, sagte Liz gehässig.
„Oh, i war scho moi verheiratet“, Sepp nahm einen kräftigen Schluck Bier. „Mit einer Thailänderin.“
„Wirklich? Und sie hat es dann mit dir nimma ausghalten, oder?“
„Nein, sie ist gstorben“, meinte Sepp. Er klang nachdenklich.
Liz schaute ihn mit einem Hauch von Gewissensbissen an. „Oh … tut mir leid.“
„Ja, sie starb an Hodenkrebs“, grinste Sepp. „Mittlerweile woaß i, dass das bei Thailänderinnen öfter vorkimmt.“
„Arschloch!“, sagte Liz, als sie verstand, dass er scherzte. Dann ging sie hinter die Theke. Sie war es gewohnt ein wenig mit anzupacken. Vor allem an Spieltagen. Und sie hatte ein Gespür dafür, wenn das notwendig war.
Opa Klaus kam zurück von der Toilette. „Is mei Bier scho do?“
„Hast du auf der Toilette den Freund deiner Enkelin kennengelernt?“, fragte Sepp grinsend.
„Wie, was?“, fragte Klaus. „Was meinst du?“
„Ist dir so ein blonder Kerl auf dem Häusl begegnet?“
„Ja, wieso?“
„Des is der neue Freund deiner Enkelin“, meinte Sepp.
„Was?“
„Ihr neuer Stecher. Herrgott, bist du schwer von Begriff?“
„Ich hab di scho verstanden, Depp“, schnaubte ihn Klaus an.
„Einen aus da Seitenstraße hats angschleppt“, meinte Stefan.
„Einen Spieler von den Roten?“, Klaus’ Augen weiteten sich.
„Schmarrn, Vater. Einen Fan.“
Der alte Mann war sichtlich enttäuscht. „I dacht scho, sie bringt einen von de roten Jungmillionäre ins Haus.“
„Das dad dir so passn“, meinte Stefan.
„Herrgott. Was bist du für ein Löwe? Die Roten hassen, aber wenn sie einen Spieler der Seitenstraßler mitbringn dad, wars dir grad recht. Echt schlimm.“
„Noch zwei Bier für Tisch vier“, kam es von Maria.
Ihr Mann nickte.
„Ich schrei nicht laut -scheiß FC Bayern- bei der Aufstiegsfeier, so wie euer geliebter Präsident“, erwiderte Klaus.
„Wäre für dich eine gute Möglichkeit, in deine geliebte Allianz Arena zurückzukehren“, frotzelte Sepp. „Zusammen mit dem Freund deiner Enkelin.“
„Besser als die Ruine“, maulte Klaus. Er schaute zur Theke. „Wo sind meine zwei Bier?“
Stefan gab sie ihm und schaute dann zu, wie sein Vater davonstapfte. “Werd Zeit, dass du den Oidn endlich einschläfern lässt. Des is ja nimma zum aushalten“, sagte Sepp und trank einen großen Schluck von seinem Bier.
Liz hatte ein Paar Weißwürstl zu den Gästen gebracht. Sie kam mit mehreren leeren Gläsern und stellte sie vor ihrem Vater ab. „Mama hat bald Geburtstag. Weißt du schon, was du ihr schenkst?“
„Sie wünscht sich einen Saugroboter“, meinte der Wirt. „Damit sie ein wenig entlastet wird.“
Sepp schüttelte ungläubig den Kopf. „Is des am End zu viel verlangt, dassd dir dei oide mitm Mund macht?“
„Arschloch!“, meinte Stefan. „Einen Staubsauger. Für den Boden.“
„Du bist so …“ Liz flippte aus. „a Widerling.“
„Gefällt dir die Vorstellung nicht, dass deine Eltern Sex habn?“
Liz verdrehte die Augen. In dem Moment kam ihr Freund. „Lass uns gehen.“
„Moment!“, sagte ihr Vater. „Du willst doch hier helfen. Wir brauchen an jeden heut am Spieltag.“
„Ich bin schon wieder da, bevor du dich zum Stadion aufmachst“, schnauzte Liz ihn an. Sie packte ihren Freund am Arm und zerrte ihn mit sich.
„Dei Tochter wird jetzt om bei eich in da Wohnung von einem Roten …“
„Fick dich.“
„Nein. Er fickt sie!“, grinste Sepp: „Machst mir no a Hoibe?“
„Nein!“, sagte Stefan sauer.
„Bravo. Dann stell di glei amoi auf a beschissene Bewertung auf Google ein.“
„Mach was du willst“, antwortete Wirt Stefan. Stellte dann aber seinem Sechzger-Freund doch noch ein Bier hin, nahm sich selbst ein Glas und hob es hoch zum Anstoßen: „Wenn wir heut nicht gewinnen, dann ist der Tag echt im Arsch.“
„Werd scho“, meinte Sepp und nahm einen kräftigen Schluck. Er grinste. „Nicht leicht, eine Tochter zu haben, oder?“
„Da sagst wos …“
„Hättest lieber einen Sohn gezeugt, oder?“
„Eigentlich hab i an dem Tag nur einen Blowjob gewollt.“
Sepp lachte. „Der war gut.“
Einige Meter weiter weg.
„Diese Julia ist schon eine heiße Schnecke“, meinte Rudi.
„Tschulia!“, korrigierte Klaus. „Der Name kommt von de Spagettifresser. Und ma schreibt´s mit G.“
„De is doch deppert“, meinte Rudi und trank einen Schluck Bier. Langsam setzte er es dann auf dem Tisch ab. „Aber einen Knackarsch hat sie scho. I hob denkt, de Südländer hätten alle immer so breite Hintern.“
„Du verwechselst das mit den Negern, und de a erst, wenns unter der Haube san.
„War es nicht immer dein Traum, mal mit einer Negerin zu schnackseln“, lachte Rudi. „Ich ko mi no erinnern, an dei Liste. Zehn Dinge, die der Grantler in seinem Leben gerne machen will.“
„Koa einzige Sach auf meiner Liste konnte ich umsetzen. Ned die Reise nach Alaska, ned das Fallschirmspringen. Und auch keine Negermama zum Schnackseln. Eine Blamage is des.“
„Wir müssen alle mit unseren Enttäuschungen leben. Ich muss mit meiner sogar schlafen“, grinste Rudi. „Vui lieber wäre mir da de diese italienische Braut.“
„Sie nimmt dich doch nicht mal mehr als Mann wahr“, meinte Klaus. „Dass du keine Mumie bist, weiß sie nur deshalb, weil du ab und zu das Bier zum Mund führst.“
„Kriegt ihr beide a no Weißwürschd?“, fragte Maria im Vorbeigehen. Kurz blieb sie stehen und wartete auf eine Antwort.
„Mia dadn gerne von da Giulia bedient werden“, sagte Rudi.
„Für de Eckn bin ich zuständig“, giftete ihn Maria ein wenig patzig an. „Willst jetzt was essen oder nicht?“
„Wir nehmen jeder zwei“, maulte Klaus seine Schwiegertochter an.
Maria nickte stumm und ging. Sie wusste, dass jedes Wort verloren war.
Nur ein paar Meter weit stand Giulia gerade bei Sepp. „Nimmst mich mal mit zu einem Sechzger Spiel?“, fragte sie. Und wischte mit einem Lappen die Theke.
Er grinste. „Von mir aus gern. Aber dein Chef wird es nicht freuen. Ohne dich müsste er selbst hinter der Theke stehen. Oder jemand Neues einstelln.“
„Irgendwie kriang wir des schon hin. Vielleicht hilft ja Markus irgendwann mal mit? Wer weiß.“
„Der rote Freund von Lizzy? Geh weiter. Des glaubst doch selba ned.“
„Er hat Erfahrung. Er hat selbst schon ausgschenkt.“
„Was denn? Prosecco?“
„Nein. Ernsthaft. Er stand schon hinter einer Theke.“
„Ich meine eher damit, dass Stefan ihn nicht einstellen wird. Du kannst doch keinen Roten hinter die Theke stelln. Vor allem ned, wenn Sechzge spuid…“
„Giulia. Tisch drei wart!“, sagte Maria. „Die wollen no vier Bier.“
„In Ordnung“, meinte die Italienerin.
„Und hüte dich vor Opa Klaus und seinem Freund. Du weißt ja wie sie sind. Und heute sind sie in Höchststimmung.“
„Was? Schauens mir wieder auf den Arsch?“, grinste Giulia. „Wenn ich mir Opa Klaus anschaue, denke ich mir auch immer, was für ein Arsch. Von dem her …“ Recht selbstbewusst ging sie dann in Richtung Tisch vier.
„Schlimm mitm Klaus“, meinte Maria.
„Ich kenne ihn seit i vier bin“, sagte Sepp. „Er war ned immer ganz so schlimm. Aber mittlerweile ist er schon ein mega Arschloch worn. Wie ihr das Tag für Tag aushaltets …“
„Liz meint übrigens, dass du a so ein Depp wirst, wenns oid bist.“
„Ein Depp ja. Bin i ja jetzt scho“, grinste Sepp und wurde dann ernst. „Aber ned so ein rassistischer Menschenfeind.“
„Da hast du wohl recht. Ein großer Menschenfreund bist du aber a ned“, sagte sie und nahm sein Glas. „Nimmst noch eins?“
„Noch haben wir nicht Zwölf“, sagte er. „Bringst mir zwei Weißwürschd, bittschön.“
„Mach ich.“
Am Tisch von Klaus und Rudi hatten sich drei jüngere Fans dazugesellt.
„Was kann ich euch bringen?“, fragte Giulia.
„Drei Helle …“, meinte einer.
„Jeder drei?“, fragte sie grinsend.
Der Kerl schüttelte lachend den Kopf. „Nein. Für jeden eins. Aber der Tag ist ja noch jung.“
„I hätt gmoand, du bedienst den Tisch ned“, meinte Klaus.
„Nur euch nicht. Auf Anweisung der Chefin“, sagte Giulia geradeheraus.
Die drei jungen Sechzger grinsten. Einer von ihnen fragte nach. „Was hat der alte Mann denn getan?“
„Oba vom Gas, mir ghört der Laden!“, erwiderte Klaus beleidigt.
„Gehört er nicht“, meinte Giulia kopfschüttelnd in Richtung der jungen Männer.
„Und i kannt di rausschmeissn lassn, wenn i mog.“
„Kann er nicht“, sagte Giulia trocken. „Ich hol euch jetzt eure drei Bier.“
„Kein Respekt mehr de junga Leid“, murmelte Klaus.
„Gehört dir der Laden jetzt oder nicht?“, fragte einer der jungen Männer.
„Er hat ihm gehört“, sagte Rudi an dessen Stelle. „Mittlerweile gehört er seinem Sohn.“
„Dachte ich mir doch. Das Häusl gehört Stefan, oder?“
„Ihr kennt meinen Buam?“, fragte Klaus.
„Hey, des ist Sechzge. Da kennt jeder jeden“, meinte der junge Mann.
„I kenn eich ned“, erwiderte Klaus. „Und mir san a Sechzger.“
„Warte mal. Jetzt weiß ich. Du bist der Oide Grantler. Sepp erzählt immer von dir. Du hast grad mal 10 Minuten zum Stadion. Bleibst aber immer hier in der Kneipn. Weil die Ruine dich ankotzt.“
„Dem Sepp. Dem hau i irgendwann noch amoi links und rechts eine oba.“
„Sepp ist cool. Und er hat doch Recht, oder? Du gehst nicht ins Stadion?“
„De Bruchbude kann mir gstohln bleim. Sechzge braucht a richtigs Stadion. Für mindestens 30.000 Mann.“
„Oder Frau“, grinste der junge Kerl.
„Meinetwegen“, murmelte Klaus. „Für den Bierausschank. Oder am Würschtlstand. Aber doch ned für die Tribüne. Frauen haben koa Ahnung von Fußball.“
„Das ist doch Bullshit“, meinte der junge Fan kopfschüttelnd. „Scheiß egal, ob man Frau oder Mann ist, wenn man Fußball sehen will, dann sollte man das auch tun dürfen.“
Einer der anderen jungen Kerle, ein blonder, großer Fan mit kräftiger Figur, hatte bisher nichts gesagt. Nun wand er sich an die alten Männer: „Ihr seid schon zwei alte Deppen, das muss man sagen. Sechzge steht für Vielfalt. Und ich glaub, die eine oder andere aus unserem Fanclub hat mehr Ahnung als du, alter Grattler.“
„Ihr habt´s Weiber in eurem Fanclub?“, es klang abwertend als es Klaus aussprach.
„Die haben teilweise mehr Eier als du, alter Mann“, sagte der Blonde. „Meine Frau zum Beispiel. Eine Löwin durch und durch.“
„A ge!“, schnauzte der alte Grantler zurück. Er stand auf. Schaute zu seinem alten Freund und meinte. „I schaug amoi, wann mei Bua endlich de Fernseher oschoit“
„Mei Frau interessiert sich ned für Fußball“, meinte Rudi. „Und es is mir grad Recht. Sie hat wos anders zu tun. Und glaub mir, mit der Zeit wirst auch anders denken.“
„Das glaub ich ned. Ich bin fünf Jahre glücklich verheiratet“, sagte der jüngere Fan.
„Respekt. Ich nur vier“, antwortete Rudi.
„Du hattest gerade Goldene Hochzeit“, korrigierte Klaus irritiert.
„Ja sicher. Aber glücklich verheiratet waren wir nur vier.“
„Deine Frau beneide ich nicht“, sagte der junge blonde Fan.
„Ihr jungen Burschn immer. Kimm amoi in mei Alter.“
„Wie alt bist du denn?“
„Ich geh auf die 70 zu.“
„Fragt sich nur, aus welcher Richtung“, meinte plötzlich eine Stimme aus dem Hintergrund. Es war Sepp.
„Arschloch!“, sagte Klaus.
„Ein alter Mann stirbt mit 70. Damit seine Frau wenigstens noch ein paar schöne Dog hat“, sagte Sepp grinsend und schaute dann zu den jungen Männern. „Haltet ihr es mit dem Grantler und seinem alten Spezl überhaupt aus?“
„Geht so!“, meinte einer der Fans. „Grias di, Sepp.“
„Die nächste Runde geht auf den Wirt“, meinte Sepp. „Als Entschädigung.“
„Oh, danke!“
„Seit wann darfst du hier Lokalrunden verteilen?“, fragte Klaus.
Sepp ging nicht darauf ein. „Sehen wir uns nachher im Stadion?“, fragte er die jungen Kerle.
„Sicher!“, nickte einer. „Du bist in der West?“
„Ja!“
„Dann sehen wir uns vielleicht.“
„Wenigstens einmal beim Bieseln“, grinste Sepp. „Wo wir beim Grund sind, warum ich überhaupt aufgestanden bin. Ein paar Bier wegbringen.“
„Dann bis später …“
Während Sepp Richtung Ausgang ging, kamen erneut die Bamberger Sturmtruppen, wie sie Sepp gerne nannte. Das USK der Polizei marschierte in schwarz, Videokamera und Helm durch das Wirtshäusl. Um nach dem Rechten zu sehen. Oder um einfach zu zeigen: „Fans, reißt euch zusammen. Wir sind nicht weit.“ Gerade in München ist die Polizei nicht zimperlich. Und auch nicht gerade freundlich. Zumindest was das USK anging. Die eigentlichen Münchner Beamten sind in der Regel doch recht bürgernah.
„Da sind sie ja schon wieder, die Grattler in schwarz“, rief Frau Huber. Sie hatte ihren Kuchen gegessen, ihren Kaffee getrunken und nippte nun an einem Obstler. Das tat sie immer sonntags. Ob nun Fußball war oder nicht.
Der leitende Beamte ignorierte die alte Frau. Mit einem raschen Blick sah er ohnehin, dass es hier recht friedlich war. Präsenz hatten sie nun gezeigt. Im Gleichschritt ging es einmal durch die Reihen und dann wieder hinaus.
„Sind die Sturmtruppen weg?“, fragte Sepp, als er zurück von der Toilette war.
Stefan nickte und stellte ihm dann ein Helles hin. „Ja, sie haben ihre Runde gedreht und sind dann gegangen.“
„Was glabst? Gewinn ma?“, fragte Sepp.
Stefan zuckte mit den Achseln, während er weiter Gläser füllte. Der Bedarf war aktuell hoch. Der Laden einigermaßen voll. „Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht.“
„Was hast du getippt?“
„2:0 für uns“, meinte der Wirt. „Aber du kennst mi. I tipp nie gega die Löwen. Und ich gehe meistens von einer Sensation aus.“
„Was is jetz mit der Übertragung?“, meinte Stefans Vater murrend. Er zeigte auf einen der Bildschirme. „Mia ham heid Spuidog.“
„Wann fängt das Spiel an?“, fragte Sepp rhetorisch.
„Was woaß i, schau i aus wie de Auskunft?“
„Wie du in meinen Augen ausschaust, möchtest du gar ned wissn.“
„Was Sepp meint, Babba, is, dass des Spiel erst um 14 Uhr anfängt. Übertragen wird ab 13.45 Uhr. Du musst dich also gedulden. Deine Enkelin schoit de Fernseher o. Wir sind dann scho aufm Weg ins Stadion.“
„Das du di ned schamst. Als Wirt ned da zum sei, wenn Spieltag is und in deiner Kneipe das Spiel übertragn wird.“
„Erst amoi lässt du des mal mei Sorge sein. Und überhaupt is de Kneipn zum Anpfiff so gut wie leer. Pünktlich, wenn dann die Fans vom Stadion zurückkommen bin i ja eh wieder da.“
„Wennsd moanst, dass de Liz des hinbekommt. Von Fußball hat de ja koa Ahnung. Wenns scho an roten Freind nach Hause bringt.“
„Sie hat mehr Ahnung vo da Technik als du, Babba.“
„Aber koa Ahnung von Fußball …“
„Herrgott, des braucht sie auch ned. Sie muss nur die Fernseher oschalten und die Übertragung starten.“
„Tu doch ned so, als hättest du Ahnung von Fußball“, spottete Sepp.
„Mehr als du!“, meinte Klaus beleidigt. „I war früher a guter Torwart. Und hätte ich nicht die Kneipe meines Vaters übernehmen müssen, ich wäre sicherlich bis in die Bundesliga gekommen.“
„Sicher!“, Sepp lachte auf. Er schaute auf sein Handy, das gepiept hatte. Danach legte er es wieder weg.
„War des die Irrenanstalt, die dich aufmerksam macht, dass dein Ausgang zu Ende is?“, sagte Klaus böse.
Sepp überlegte für einen Moment. „Nein, des war da Petrus. I hob für dich a guade und a schlechte Nachricht. Er hat uns zugehört und spontan entschieden, dass du nach deim Tod in seine himmlische Fußballmannschaft kommst. Die schlechte Nachricht, er möchte di schon kommende Woche aufstellen.“
„Arschloch!“, meinte Klaus. Er schnappte sich zwei fertige Biere und ging zurück zum Tisch.
„Hey, die waren eigentlich für …“, Stefan wusste, dass es vergebene Liebesmüh war.
Die jungen Kerle, die am Tisch des alten Grantlers gesessen hatten, machten sich auf. Sie kamen noch kurz an die Theke. „Man sieht sich später im Stadion?“
Stefan nickte. „Ja. Wenn der größte Andrang hier vorbei ist, dann übergeb i an mei Frau und mei Tochter.“
Giulia kam gerade vorbei.
„… und natürlich an Giulia“, fügte er hinzu. Die drei rocken dann den Laden.
„Mit den alten Grattlern“, sagte die Italienerin. Während die knackigen Jungs in der Westkurve sind.“ Sie zwinkerte den jungen Fans zu.
Sepp zog die Augenbrauen hoch und haute einem der jungen Kerle auf die Schulter. „Sie meint natürlich mi.“
„Sicher!“, sagte der Blonde.
„Weißt du was über den Umbau vom Stadion?“, fragte einer der jungen Fans. Er hatte eine Brille auf und trug einen gegelten Scheitel. „Sepp, du weißt doch sonst immer alles.“
„Ich weiß nur, dass die Vize-Bürgermeisterin will, dass man das Stadion nun endlich nach einer Frau benennt. Wegen der Gleichberechtigung“, sagte Sepp.
Der junge Fan schaute verwirrt. „Wirklich?“
„Ja. Es wird wohl Sascha-Mölders-seiner-Frau-ihr-Stadion heißen, wenn es fertig ist.“
„Du bist so a Depp“, lachte der Fan. „Nein, mal ernsthaft. Wann ist Baubeginn?“
„Keine Ahnung“, meinte Sepp. „Und is mir heid a egal. Heid zähln nur 3 Punkte.“
„Wo wir schon bei Mölders sind“, sagte der blonde Fan. „Er macht heut 2 Tore. Da bin ich mir sicher.“
Stefan lachte. „Ja geh. Du traust dem was zu heut.“
„Mölders schießt entweder Tore oder liegt am Boden“, sagte Sepp. „Bei dem weiß man nie, ob man jetzt die Betreuer rufen soll oder einen Theaterkritiker.“
„Wenn er dirm an Freistoß rausholt, solls mir Recht sein“, lachte Stefan.
„Wir gehen dann“, meinte einer der jungen Fans. „Bis später.“
„Wahrscheinlich sind wir eh vor eich im Stadion, ihr schauts eh überall no vorbei und trinkts a Halbe“, schrie Sepp hinterher.
Er bekam ein Grinsen zurück.
Giulia stellte Klaus und Rudi ein Bier hin.
„Do schau her. Wir werden doch von ihr bedient“, meinte Rudi.
„Hallo?“ Giulia winkte. „Ich steh vor dir. Du brauchst nicht in dritter Person von mir sprechen.“
Klaus lachte. „Und sie spricht mit uns.“
„Ihr seid frauenfeindliche Deppen“, meinte sie.
„Machst uns noch zwoa Schnapserl?“, fragte Rudi.
„Sicher“, seufzte sie.
„Bekommst auch ein ordentliches Trinkgeld, Pupperl“, meinte Rudi.
„Ja, ist klar“, sagte sie. Dann ging sie zur Theke.
„Du schaust vielleicht grantig drein“, meinte Sepp.
„Die zwei nerven mich.“
„Wer? Der Grantler-Altwirt und sein Kumpel aus dem Hotelgewerbe?“
„Rudi war im Hotelgewerbe? Das sieht man ihm gar ned an.“
„Ja. Hat er das nie erzählt. Ist er stolz drauf. Dabei war er nur der Gärtner.“
„Echt?“
„Er hat ganz unten angefangen. Und da ist er auch geblieben.“
„Nichts gegen Gärtner!“, sagte Stefan.
„Zwei Kurze für deinen Daddy und seinen Freund“, meinte Giulia.
„Kommt sofort!“
Die Bildschirme in der Kneipe gingen an. Ein Raunen ging durch den Raum. Liz hatte die Übertragung gestartet.
„Lass uns endlich gehen!“, meinte Sepp. Er schaute sich in der Kneipe um. Sie hatte sich in den letzten Minuten schlagartig verändert. Die meisten Fans waren gegangen. Es war deutlich leiser. So leise, dass man Klaus Grantler und seinen Freund Rudi schimpfen hören konnte. Die heutige Aufstellung wurde im TV bekannt gegeben. Und sie wussten es natürlich wie immer besser. Ein paar weitere Fans waren noch gekommen. Fans, die nicht ins Stadion wollten oder keine Karte mehr bekommen hatten. Das Sechzger Stadion war wieder ausverkauft.
Stefan nickte. Er trank sein Glas aus und stellte es dann in den Spülkorb. „Eine Niederlage verkraft i heute ned. Das kann i dir sagen.“
„Geh, hör mir auf. Wir sind Löwen. Wir verkraften alles.“
Nun kam endlich Liz wieder hinter die Theke. Zusammen mit ihrem Freund.
„Da bist ja!“, meinte ihr Vater. „Du, deine Mutter und Giulia, ihr bekommt das hin? Können wir gehen?“ Er wusste, dass viel zu tun war. Nicht weil wirklich viele Gäste da waren, sondern weil viele Gläser noch gespült werden mussten. Denn nach dem Spiel kam es erneut zu einem Ansturm.
„Markus hilft, wenn es okay ist?“, fragte Liz.
Stefan schaute zu Liz neuem Freund, der wieder auf einem der Barhocker saß. Dann schaute er wieder zu seiner Tochter. „Ich denk, ihr schaffts des gut zu dritt.“
„Ich helfe gerne aus!“, meinte Markus.
Stefan überlegte einen Moment.
„Wenn er es gut macht, kann ich vielleicht nächstes Spiel mit ins Stadion kommen“, meinte Giulia. „Sepp hat mich eingeladen.“
„Du hast was?“, fragte Stefan seinen Freund.
„Ich hab was?“, fragte Sepp nun die junge Dame.
Sie grinste. Lehnte sich an ihn. „Komm schon. Zuerst spielst du den großen Charmeur und jetzt, wo dein Freund dabei ist, den harten Hund, der von nix weiß?“
„Zugegeben ja, wir haben drüber geredet“, meinte Sepp entschuldigend.
Wirt Stefan schüttelte den Kopf. „Ich fass es nicht.“
„Lass uns jetzt endlich gehen!“, maulte Sepp. „Stefan Schneider hat sicherlich schon Löwenmut gspielt. Und die Mannschaften sind schon auf dem Platz.“
„Ja!“, seufzte Stefan. „Geh ma.“
„Was ist mit Markus?“, fragte seine Tochter. „Kann er helfen?“
„90 Minuten lang ist es deine Verantwortung, was hier in der Kneipe passiert“, sagte Stefan zu seiner Frau warnend.
Maria ging zu ihrem Mann und gab ihm einen flüchtigen Kuss: „Heute gibt es drei Punkte.“
Glücklicherweise behielt sie Recht.
Hält die Liebe von Liz zu einem Roten? Wird Opa Grantler irgendwann das Sechzger Stadion an der Grünwalder Straße besuchen? Demnächst geht es im Löwenmagazin weiter …