„Liebe Löwenfans – wir haben euch heute vermisst. Der Derby-Sieg gehört euch“, schreit Sascha Mölders in die Kamera. Bevor er schließlich die gesamte Mannschaft „Derbysieger“ und „Grünwalder Stadion“ brüllen lässt. Was nach einem freundlichen Gruß an die Fanszene aussieht, ist weit mehr als das. Es ist ein wichtiger Schulterschluss. Mit den Fans, die während Corona-Zeiten wenig Chancen haben, sich einzubringen.
Ein Kommentar
Entfremdet Corona die Fans vom Fußball? Eine interessante und wichtige Frage. Die Emotionalisierung der Fans ist immens wichtig, um die Wirtschaft „Profifußball“ am Leben zu erhalten und Geld zu generieren. Ins Stadion dürfen die Fans nicht. Und auf dem heimischen Sofa vor dem TV ist es deutlich schwerer, Emotionen zu entfachen. Zumal auch in den TV-Bildern ein wichtiger Aspekt fehlt: der aktive Support der Fans, der einen wesentlichen Kern des gesamten Fußballs ausmacht. Fußballthemen sind aktuell deutlich weniger sportlich geprägt. Die scheinbar großen Lenker des deutschen Fußballs rücken in den Vordergrund. Mit eher unangenehmen Themen. In der Dritten Liga zum Beispiel Michail Ponomarew. Der Anfang Dezember entschied, beim KFC Uerdingen auszusteigen. Und ein immenses Chaos hinterließ. Bei Türkgücü München hängt auch alles von einem Mann ab. Kurz vor Weihnachten kündigte Hasan Kivran an, den Aufsteiger zu verlassen. Spenden wurden gesammelt, Spieler aus der Mannschaft gestrichen. Nun will er doch weiter machen. Man dürfe sich nicht von einem einzelnen Investor abhängig machen, so der Tenor von diversen Personen. Von Karsten Wettberg zum Beispiel. In Mitgliederversammlungen des TSV 1860 München klang das noch ein bisschen anders. Auch BFV-Präsident Rainer Koch warnt: „Fußballvereine dürfen nicht zum Spielzeug von Investoren werden!“
Und die Löwen? Können ganz ruhig sein. Sie haben sich schon vor einigen Jahren einem einzelnen Investor ausgeliefert. Allerdings mit aktuell positiven Tendenzen. Die KGaA des TSV ist hoch verschuldet. Dennoch geht man erhobenen Hauptes durch die Dritte Liga. Die Löwen haben sich nach dem Doppelabstieg nicht aufgegeben und tun es auch heute nicht. Mehr noch. Zahlreiche Aktionen wirken durchdacht. Herz und Verstand arbeiten dabei Hand in Hand. Die Außendarstellung ist besser denn je. Keine nach außen sichtbaren Machtkämpfe, keine verrückten Ankündigungen, Klagen, Streitereien oder gar Skandale. Auf dem Flaggschiff der Löwen liegt eine hohe finanzielle Schuld. Die Segel sind aktuell jedoch geflickt, der Kapitän hat eine klare Zielvorstellung und die Mannschaft die richtige Moral. Und die Gesellschafter? Scheinen beiderseits das Vertrauen in den Kurs zu haben.
Dass die Mannschaft den Derby-Sieg den Fans widmet, ist das i-Tüpfelchen. Es mag auf den ersten Blick wie eine nette Geste aussehen. Im Grunde beweist es jedoch enormen Charakter. Sascha Mölders lässt keinen Zweifel daran, dass es von Herzen kommt. Dass man gerne die Fans dabei gehabt hätte. Und dass es ohne die Fangemeinschaft Sechzig längst nicht mehr geben würde. Der Schulterschluss ist deshalb richtig und wichtig. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass es zumindest einem Profiklub in Deutschland sehr wohl gelingt, die Fans zu emotionalisieren. Trotz Corona. Die Reaktionen in den sozialen Netzwerken beweisen es. Der Verkauf der Dauerkarten ohnehin. Und auch Sponsoren würden keinen Cent zahlen, wenn sie sich nicht der Wirksamkeit bewusst wären. Aktuell ist es enorm wichtig, die Begeisterung und den Enthusiasmus aufrecht zu erhalten. Dann meistert man die Krise besser als viele andere.