Die Löwen sind zurück aus dem hohen Norden. Im Gepäck lag ein Punkt, dessen Gewinn durchaus Interpretationsspielraum zulässt. Letztendlich macht es aber keinen Unterschied, ob das Glas halb leer oder halb voll ist. Mit zu diesem Zeitpunkt der Saison durchaus passablen 35 Punkten auf dem Konto, ist der TSV 1860 München mittlerweile auf Platz 9 der Liga-Tabelle angekommen. Wie wir von Trainer Michael Köllner wissen, schielen die Löwen ohnehin nicht nach oben. Nach unten sind es auf den ersten Abstiegsplatz mehr oder weniger beruhigende neun Punkte Abstand. Tabellenplatz hin oder her, auf dem Platz begegnen sich die Mannschaften in dieser ausgeglichenen Liga in der Regel auf Augenhöhe. Ob der nächste Gegner, der 1. FC Magdeburg derzeit das dafür erforderliche Niveau erfüllt, darf aus Löwen-Sicht mit dem Selbstbewusstsein aus mittlerweile elf hintereinander ungeschlagenen Partien durchaus in Frage gestellt werden.
Magdeburg auf Augenhöhe mit den Löwen?
Der Zweitliga-Absteiger aus Sachsen-Anhalt befindet sich seit Anfang Dezember letzten Jahres in einem Abwärtstrend. Diese Negativ-Spirale wurde Cheftrainer Stefan Krämer nach Niederlagen gegen Ingolstadt und Münster sowie einem dürftigen Unentschieden in Braunschweig am 20. Spieltag zum Verhängnis. Als vermeintlicher Heilsbringer sollte der in der Winterpause vom Drittliga-Absteiger Energie Cottbus aus der Regionalliga Nord-Ost losgeeiste Claus-Dieter Wollitz für eine Trendwende bei den Magdeburgern sorgen. Wie schnell es geht, in den Abstiegsstrudel der dritten Liga zu geraten, musste Wollitz bei den Cottbusern in der vergangenen Saison am eigenen Leib erfahren. Ob dies die richtigen Voraussetzungen für eine Trendwende in die entgegengesetzte Richtung sind? Bisher zeigt die Erfolgskurve des 1. FCM auch unter dem Trainer Wollitz weiterhin nach unten. Aus vier Spielen konnten, trotz Systemumstellung, gerade einmal zwei mickrige Punkte ergattert werden. Mit 29 Zählern stehen die Magdeburger derzeit auf Platz 17 der Tabelle, drei Punkte Abstand auf den ersten Abstiegsplatz. Von den Löwen trennen die Elbstädter ganze sechs Punkte.
Ruhe und Stabilität sieht anders aus
Die bisherige Bilanz von Claus-Dieter Wollitz war für den Trainer Grund genug, unter der Woche mal so richtig los zu poltern. Wie auf dem Portal Liga3-online zu lesen war, kündigt der ehemalige Zweitligaspieler für das Spiel gegen die Münchner Löwen am kommenden Wochenende „harte Entscheidungen“ an. „Ich dachte eigentlich, dass die fußballerische Struktur hier eine Selbstverständlichkeit ist – ist sie aber nicht. Da geht es wirklich um Grundlagenarbeit, das habe ich unterschätzt“, wird der Fußballlehrer zitiert. Rums – das hat gesessen! Für das Training unter der Woche in Magdeburg hieß es also, Ball annehmen, schauen, passen, Ball annehmen, schauen, passen! Was bezweckt ein Trainer mit einer solchen Aussage? Will er die Spieler zu besseren Leistungen kitzeln, diese an der Ehre packen? Oder geht es darum, sich selbst, ob des ausbleibenden Erfolgs, ein Alibi zu verschaffen? Der FCM-Coach hat dem Vernehmen nach aber einen Plan: „Ich habe bisher viele Abläufe nicht verändert. Doch damit ist Schluss. Jetzt werde ich meine Ideen noch mehr einbringen und umsetzen. Es werden einige Dinge verändert, ich werde harte Entscheidungen treffen. Denn ich bin mir sicher, dass viel mehr drin ist, als das, was wir bisher auf dem Rasen gesehen haben.“ Mutiert hier etwa ein „neuer Besen“ zur Kehrmaschine?
Spielerkarussell und Systemwechsel?
Erstes Opfer des angekündigten Rundumschlags könnte Kapitän und Mittelstürmer Christian Beck sein. Der 1. FCM hat gerade erst den Vertrag mit dem 31-jährigen Routinier verlängert, aufgrund der aktuell anhaltenden Formschwäche mit ausgeprägter Ladehemmung könnte sich Beck allerdings am Sonntag in München erstmalig in dieser Saison auf der Bank wiederfinden. „Das System, das ich spielen lasse, verlangt einen Spieler, der das anders interpretiert“, lässt Wollitz in Richtung des 1,96m großen Stoßstürmers durchblicken. Der treffsichere Sören Bertram (10 Tore/2 Vorlagen) könnte von der Außenbahn in die Mitte rücken. In der Mittelstürmerposition denkbar wären auch der Winterneuzugang Daniel Steininger (SpVgg Greuther Fürth) oder der zu Beginn der laufenden Saison von der Spree an die Elbe gewechselte Anthony Roczen (Hertha BSC Berlin II). Ob auch Winterneuzugang Patrick Möschl (SG Dynamo Dresden) im Mittelfeld eine Chance von Beginn an erhält, wird sich zeigen. Die Einwechslungen an den vergangenen zwei Spieltagen werden die Hoffnung des Spielers auf einen Starteflplatz sicherlich bestärkt haben. Ebenfalls Hoffnung auf einen Einsatz wird sich Thore Jacobsen machen. Der zentrale Mittelfeldspieler war unter dem Trainer Stefan Kramer gesetzt und ist nach einer abgesessenen Rotsperre erstmals unter dem neuen Trainer Wollitz wieder spielberechtigt. Inwieweit sich mögliche Spielerwechsel auch auf die bisherige Grundausrichtung in einem 4-1-4-1 auswirken, wird sich am Sonntag zeigen.
Hinspiel vergessen machen
Trainer Michael Köllner kann aus dem Vollen schöpfen, muss sich allerdings Gedanken machen, wie er den formstarken aber leider Gelb gesperrten Marius Willsch auf der linken Außenbahn adäquat ersetzen will. Möglicher Kandidat könnte Herbert Paul sein. Vor einem Startelfdebüt könnte auch der wiedergenesene Tim Rieder stehen. Sofort nach seiner Einwechslung im Spiel gegen den SV Meppen am vergangenen Spieltag konnte der Leihspieler vom FC Augsburg dem Spiel der Löwen entscheidende Impulse geben. Auf die Partie freuen und besonders motiviert sein wird sicherlich der Ex-Magdeburger Dennis Erdmann sein. Wobei besonders motiviert sollten am Sonntag eigentlich alle sein. Wir erinnern uns nur ungern an das Hinspiel. An eine desolate Vorstellung der Löwen mit einem krachenden 1:5 am Ende. Liebe Löwen, macht am Sonntag auf Giesings Höhen diese Schmach vergessen.
Die Zuschauer dürfen sich dabei nicht wundern, wenn es vor dem Anpfiff um 13:00 Uhr eine Schweigeminute im Stadion geben wird. Zudem werden alle Spieler mit Trauerflor auflaufen. Diese sicherlich angemessene Maßnahme wird es am kommenden Wochenende im gesamten Profibereich geben und ist den Geschehnissen unter der Woche in Hanau geschuldet.
Nach den 60 Sekunden andächtigen Schweigens wird es allerdings wieder laut auf den Rängen des Grünwalder Stadions. Und auf dem Platz wird es heißen, immer schön Ball annehmen, schauen, passen, Ball annehmen, schauen, passen.