Ein Kommentar
Der deutsche Fußball geht neue Wege. Er sieht sich gerne als eine feste Institution für Menschenrechte und Völkerverständigung. Der Kampf gegen Rassismus, Homophobie und Ausgrenzung wird groß geschrieben. Mit Kampagnen aller Art. Man kann darüber diskutieren wieviel in Wirklichkeit auch von Seiten des Verbandes umgesetzt wird. Wenn manche rechtspolitische Gruppierung ganze Fanblöcke in Stadien für sich beansprucht, dann hört man seitens des Verbandes eher weniger. Bei vielen Themen werden die Klubs alleine gelassen. Im Gegenzug kassiert der DFBDer Deutsche Fußball-Bund e. V. (DFB) ist de... ab, wenn es Fanvergehen gibt. So wirklich die moralische Instanz ist der deutsche Verband nicht. Deshalb schafft man sich ein neues Feindbild. Ein Feind, der ohnehin schon lange ein Dorn im Auge von denen ist, die den Fußball gerne ändern möchten. Weg vom traditionellen Volkssport, hin zum Großgeld-Fußball. Weg von der Fußballkultur, hin zur kapitalistischen Melksau. Der Feind: die Ultras in der Kurve. Und das treibt man aktuell mit Vehemenz voran.
Es ist ein Fass der Moral, das man aktuell öffnet. Dietmar Hopp, der bei vielen Fans als Mäzen der TSG Hoffnheim in der Fanszene Deutschland viele Kritiker auf den Plan gerufen hat, wird nicht nur scharf kritisiert sondern beleidigt. Als “Hurensohn” oder mit seinem Konferfei, dass ein Fadenkreuz ziert. Das ist abzulehnen. Aber es ist vor allem eines. Die Gelegenheit zum Rundumschlag gegen die Ultraszene auszuholen. Man spricht von einem Eklat und einem großen Skandal. Bei einem Teil der Bevölkerung schafft man so ein Feindbild. Dabei kommt es in den Stadien immer wieder zu solchen “Skandalen”. Rasissmus, Homophobie und Frauenfeindlichkeit. Und niemand macht ein Faß auf. Nur dann, wenn jemand mal mehr darüber schreibt oder ein Fall etwas mehr in den Focus gerückt wird. Vor allem aber: man nimmt die Ultras genau zu solchen Themen in die Pflicht. Sie sollen sich gegen Intoleranz und Menschenverachtung positionieren. Was sie häufig auch machen. Und man erfreut sich der großen Choreographien.
Warum die große Welle? Vor allem auch, weil der FC Bayern diese Welle der Entrüstung vorantreibt. Hansi Flick zeigt sich außergewöhnlich entrüstet. Karl-Heinz Rummenigge kündigt Konsequenzen an. Es geht um Menschenrechte. Das sagen ausgerechnet Funktionäre, die gerne mal einem Scheich in Katar die Hand geben, der die Menschenrechte täglich bespuckt und mit Füßen tritt. Der Homosexualität unter Strafe stellt. Homosexuellen drohen in Katar bis zu 5 Jahren Haft. Die Frauenrechte sollen mehr werden. Weil das gut aussieht, kurz vor einer WM. Bist du ein Hausmädchen in Katar, dann gelten da Frauenrechte allerdings so oder so nicht. Dann kannst du vergewaltigt und ausgenutzt werden. Und heim kannst du auch nicht. Es interessiert keinen. Trotzdem findet dort eine Fußball WM statt. Katar fordert sogar Rücksicht auf die homophobe Kultur. Pressefreiheit und Meinungsfreiheit, wie wir sie kennen, gibt es dort auch nicht. Der FC Bayern macht dort seine Trainingslager und hält gerne die Hand auf. Solche Themen spielt man runter. Die Moralkeule packt man in der eigenen Kurve aus.
Unsere Demokratie und unser Wertverständnis wird auf eine harte Probe gestellt. Mit Staaten, die Terrorismus fördern und die Menschenrechte nicht achten, darf man Geschäfte machen. Von den eigenen Fans fordert man, dass sie handzahm sind und ausschließlich so Stimmung machen, wie es dem kommerziellen Fußball gut tut. Ansonsten fliegen sie raus. Ohne Diskussionen. Weil bei so “großen” Skandalen man auch gar nicht mehr diskutieren muss. Ein seltsames Verständnis.
Feindbild Ultras. Pyrotechnik, Rassismus, Homophobie, Frauenfeindlichkeit, Schlägereien und Vandalismus. All das wirft man in einen Topf. Auch wenn es niemand wirklich laut ausspricht, sondern man nur Andeutungen macht. Ist gar nicht nötig in der heutigen Zeit. Die meisten Menschen beschäftigen sich herzlich wenig mit der Fankultur im Fußball. Und so gibt es eben den bösen Fan, den Ultra. Und den guten Fan, den Familienvater mit der Klatschpappe. Für Mäzen Dietmar Hopp erinnert der Protest gegen ihn an dunkle Zeiten. Der Protest der Ultras verglichen mit den Nationalsozialisten? Da sieht man, wie weit Sportfunktionäre von der Fußballkultur abrücken. Und vor allem von der Realität.
Der Verband wird´s schon richten. Mit Kollektivstrafen, von denen er eigentlich abgerückt ist. Aber Werte sind wandelbar. Vor allem dann, wenn Geld fliesst. Geld macht alles platt. Auch die Moral.