Du betrachtest gerade Aufsteiger Waldhof Mannheim überrollt die LöwenDepositphotosc

Aufsteiger Waldhof Mannheim überrollt die Löwen

  • Beitrags-Kommentare:35 Kommentare
  • Lesedauer:11 min Lesezeit

Nach vielen Jahren stand für den TSV 1860 München wieder eine Auswärtsfahrt nach Mannheim in die Quadratestadt zwischen Rhein und Neckar an – und für uns Fans auch. Die Vorfreude ist groß, die Autobahn leer und der Rückenwind aus einem überzeugendem 3:0-Heimsieg gegen Zwickau trägt uns in einer kurzweiligen Fahrt an der Spielstätte der TSG Hoffenheim und am Hockenheimring vorbei nach Mannheim. Im Kofferraum ist noch genügend Platz für drei Punkte. Da wir schon früh aus München los sind, fühlt sich dieser Montag wie ein Sonntag an. Weitere befreundete Sechzger-Fans in P4, eines der vielen quadratischen Häuserblocks in Mannheim, zum Mittagessen getroffen und dann die Stadt erkundet.

Ausfahrt nach Mannheim-Mitte

Nach 13.000 Schritten führt uns der Weg Richtung Stadion und die ersten weiß-blauen Schlachtenbummler kreuzen unseren Weg. Viele bekannte Gesichter aus unserer Giesinger Heimat. Der Smalltalk lässt schnell erkennen, der Löwenanhang erwartet heute nicht weniger, als drei Punkte aus der Fremde mitzunehmen. Die Stimmung ist positiv. Mit uns kommt auch die Mannschaft am Stadion an. Das nennen wir mal Timing.

Hurra, hurra, die Löwen, die sind da.

Die Treppe hoch und wir tauchen ein in ein echtes Fußballstadion. Das Carl-Benz-Stadion hat trotz Wellblech durchaus Charme. Die Tribünen bis nahe an den Spielfeldrand gezogen. Und wirklich nahe können hier die Rollifahrer das Spiel erleben. Unter dem Schutz einer Bedachung können unsere Mitmenschen mit Behinderung das Spiel aus dem Blickwinkel eines Auswechselspielers direkt vom Spielfeldrand aus mitverfolgen. Eine tolle Sache, wie wir finden. Bonmann und Hiller sind jetzt da und kurz darauf die ganze Mannschaft. Heute zum ersten Mal mit den grünen Away-Trikots. „Sechzig“, „Sechzig“, schallt es sofort aus unserem Gästeblock.

Noch fünf Minuten bis Anpfiff und wir lassen noch ungeduldig die Aufstellung der Heimmannschaft aus wirklich übel klingenden Lautsprechern über uns ergehen. Warum die Spieler hier alle „A……..“ heißen? Egal. Die Mannschaften bilden den obligatorischen Kreis vor dem Spiel. Ein schriller Pfiff vom Unparteiischen Christof Gunsch. Es geht los. Dabei fällt sofort auf, dass vom gut gefüllten Ultra-Block der Mannheimer keine Regung und kein Ton zu vernehmen ist. Stimmt ja. Montagsspiel. Der Stimmungsboykott war angekündigt. Für den Löwenanhang galt dieser Protest nicht und so wurden unsere Jungs auf dem frisch gewässerten Rasen sofort lautstark angefeuert. Okay, der Block war bemüht. Die Ultras waren noch nicht im Stadion und nur eine traurige Fahne begleitete einsam schwenkend unseren Gesang in der Kurve, die eigentlich eine Gerade war.

Bemühte Löwen in der Anfangsphase

Die nur durch Felix Weber, anstatt des gegen Zwickau aufopferungsvoll kämpfenden Aaron Berzel, veränderte Löwen-Startelf gab sich in den Anfangsminuten sehr bemüht. Schnell war aber die Taktik der Heimmannschaft erkennbar. Sehr hoch stehend wurden die Unseren durch aggressiv anlaufende Mannheimer in ihrem Aufbauspiel gehindert. So ergaben sich in der Anfangsphase mit leichtem Übergewicht der Münchner einige aber wenig zwingende Chancen auf beiden Seiten. Valmir Sulejmani war dabei auffälligster Akteur auf Seiten der Waldhof-Buben. Der Mittelstürmer spulte ein auffälliges Laufpensum in der Offensive der Waldhöfer ab, und war ständiger Unruheherd rund um die Box der Löwen. Einige Male konnten sich auch die Mannen von Daniel Bierofka bis an den Strafraum der Heimmannschaft heranspielen. Ein Abschluss von Efkan Bekiroglu ist uns dabei noch am ehesten in Erinnerung geblieben. Sein Schuss aus 19 Metern verfehlte aber knapp das linke Eck. Ab der 19. Minute wurde es auch im Block der Mannheimer Ultras laut. Für die Weiß-Blauen auf dem Rasen kein Grund, einen Gang nach unten zu schalten. Die Löwen hatten weiterhin mehr Anteile vom Spiel und beschäftigten den Gegner in deren Hälfte. Leider sprang dabei nichts Zählbares heraus.

Waldhof-Buben gehen in Führung

Wie aus dem Nichts treffen die Mannheimer in der 32. Minute zur 1:0-Führung. Einer von vielen Ballverlusten im Mittelfeld ließ Marius Willsch in der 31. Minute keine andere Wahl, als den Ballführenden der Blau-Schwarzen mitten in deren Umschaltbewegung am Weiterlaufen zu hindern. Klares taktisches Foul. Gelbe Karte Willsch. Freistoß Mannheim. Aus ca. 30 Metern hob Dorian Diring den Ball in den Strafraum der Löwen. Am langen Pfosten köpfte der aufgerückte Michael Schultz die Kugel nahezu ungehindert ein. Für den Löwenanhang ein nur kurzer Schockmoment. Wenige Momente nach dem Rückstand bot sich Sascha Mölders in aussichtsreicher Position eine gute Abschlussmöglichkeit. Sein Schuss aus 14 Metern konnte von Keeper Scholz abgewehrt werden, der Abpraller landete bei Benjamin Kindsvater, dessen überhasteter Schuss aber weit über die Querlatte flog.

In der Folge bauten die mittlerweile verunsichert wirkenden Löwen ab. Der Gegner kam mit dem Rückenwind der Führung immer besser ins Spiel. Allein der agile Sulejmani bereitete der Münchner Abwehrreihe zunehmend Probleme. Dem Löwenkeeper Bonmann war es zu verdanken, dass die Mannheimer die Führung zu diesem Zeitpunkt nicht weiter ausbauen konnten. Es war insgesamt eine komische erste Hälfte mit anfänglich bemühten Löwen. Aber nur Bemühen führt eben nicht zum Erfolg. Es fehlte der Biss, der unbändige Wille den Zweikampf für sich zu entscheiden, den Abschluss zu suchen, den entscheidenden Pass zu spielen. Was scheinbar gänzlich fehlte im Spiel der Münchner war das Spiel ohne Ball: „Ich will den Ball haben“. Die Anspielstationen fehlten. Keiner wollte das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Aber gut, dafür gibt es die Halbzeitpause. Daniel Bierofka wird die richtigen Worte finden. Und wir haben ja noch einen Timo Gebhart auf der Bank.

Das Unheil nimmt seinen Lauf

Die Ultras waren mit Beginn der zweiten Hälfte endlich auch im Block und sorgten sofort für einen lautstarken Support. Auf den Rängen hofften wir auf eine Trotzreaktion der Mannschaft, die in unveränderter Aufstellung von Daniel Bierofka aufs Feld geschickt wurde. Der heimische Aufsteiger konterte sich jedoch bereits in der 49. Minute zum zweiten Treffer des Abends. Deville wurde vom eingewechselten Christiansen halbrechts auf die Reise geschickt. Der Außenbahnspieler spurtete in den Sechzehner, schlug einen Haken und legte dann auf den mitgelaufenen Sulejmani ab. Dessen Schuss aus kurzer Distanz parierte Bonmann zunächst mit einer starken Parade. Beim anschließenden Abstauber von Gianluca Korte wurde er aber von seinen Vorderleuten schmerzlich im Stich gelassen und blieb chancenlos. Bonmann schimpfte wild gestikulierend und versuchte nicht zum ersten Mal in dieser Partie, seine Mannschaftskameraden zum Aufwachen zu bewegen. Ähnliches dachten sich wohl auch die Münchner Löwen auf den Rängen und brannten neben Pyrokerzen auch Feuerwerkskörper ab. Die Sicht im Stadion war kurzzeitig vernebelt und das Spiel musste vom Unparteiischen für einen Augenblick unterbrochen werden. Wir haben auch schon einmal ein besseres Bild in einem Auswärtsspiel abgegeben. Auf dem grünen Rasen, wie auch auf den Rängen.

Spielerwechsel blieb wirkungslos

Trainer Bierofka war nun zum Handeln gezwungen und wechselte doppelt. Gebhart und Greillinger ersetzten Dressel und Willsch. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Doch kaum auf dem Platz, mussten die beiden Neuen tatenlos dabei zusehen, wie sich die Mannheimer spielstark durch die Reihen der Löwen kombinierten und durch einen simplen Doppelpass in den Strafraum vordrangen. Am Ende der Ballstafette schob erneut Korte in der 53. Minute die Kugel aus 12 Metern verdient in die Maschen des Münchner Tores. Bonmann konnte einem mittlerweile leid tun. An ihm lag dieser bittere 0:3-Rückstand sicher nicht.

In der Folge war allen voran Timo Gebhart sehr bemüht, das Spiel an sich zu reißen. Und für einen kurzen Moment keimte Hoffnung auf, als Efkan Bekiroglu nur zwei Minuten später den Ball aus zentraler Position erfolglos an den rechten Innenpfosten zimmerte. Das sollte es für diesen Abend mit dem Spiel der Löwen gewesen sein. Die Mannheimer hingegen erspielten sich mit breiter Brust Chance um Chance. Allein Keeper Bonmann war es zu verdanken, dass die Löwen an diesem Abend nicht vollends im Carl-Benz-Stadion untergingen. In der 89. Minute war er allerdings gegen den 18-Meter-Schuss des gut aufgelegten Dorian Diring wiederum machtlos. Die Löwen ergaben sich ihrem Schicksal und holten sich in der Schlussphase noch die ein oder andere gelbe Karte ab.

Wille und taktische Disziplin machen den Unterschied

Am Ende dieses bitteren Abends muss man den auch in dieser Höhe verdienten Sieg des Gegners neidlos anerkennen. Bernhard Trares, Chefcoach der Mannheimer, hat die Löwen gut analysiert und seine Mannen richtig auf dieses Spiel eingestellt. Die Münchner fanden zu keinem Zeitpunkt des Spiels die richtigen Mittel, das eigene Spiel von hinten kontrolliert aufzubauen. Die Waldhof-Buben standen hoch in der Hälfte der Gastmannschaft. Dabei haben sie es verstanden, jederzeit kompakt zu stehen und so die Räume im Mittelfeld eng und den Gegner möglichst weit weg vom eigenen Tor zu halten. Die Passwege wurden durch geschicktes Verschieben und aggressives Anlaufen des Ballführenden zugestellt. Den Löwen blieb oft nichts anderes übrig, als die Kugel ideenlos im eigenen Drittel hin und her zuschieben. Die Folge waren unzählige Abspielfehler im Mittelfeld. Für ein Spiel gegen einen Aufsteiger, noch dazu auf des Gegners Platz, eigentlich die richtigen Voraussetzungen für ein torloses Unentschieden. Aufgrund von haarsträubenden Abspielfehlern im Spielaufbau und einem in den entscheidenden Szenen vor den Toren völlig unzureichendem Abwehrverhalten, muss man sich am Ende des Tages nicht über eine derart deftige Niederlage wundern. Im Gegensatz zu den gestern zahnlosen Löwen merkte man den Waldhöfern den Willen an, dieses Spiel für sich zu entscheiden.

Trainer Daniel Bierofka hat aufgrund der anstehenden DFB-Pokal-Pause ganze zwei Wochen Zeit, dieses Spiel zu analysieren und seinen Spielern die gemachten Fehler aufzuzeigen. Es wird Zeit, dass sich diese Mannschaft, dass sich einzelne Spieler weiter entwickeln. Vielleicht war dieses Spiel ein Schuss vor den Bug zur rechten Zeit? Am Ende fällt es schwer, diesem Spiel etwas Positives abzugewinnen. Und dennoch, wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen. Mit diesem Gedanken haben wir uns auf den Heimweg gemacht, um irgendwann mitten in der Nacht nach Hause zu kommen.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
35 Kommentare
Neueste
Älteste Meist bewertet
Inline-Rückmeldungen
Alle Kommentare anzeigen