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500 Tage im Amt: 1860 – Robert Reisinger als Präsident des TSV München von 1860 e.V.

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Seit nunmehr 500 Tagen ist Robert Reisinger Präsident des TSV München von 1860. Unter seiner Führung bekam der TSV einen neuen Stil und eine klare Neuausrichtung, die sich in vielen Punkten drastisch von der Ausrichtung seines Vorgängers Peter Cassalette unterscheidet. Cassalette hatte „den Schulterschluss“ mit Investor Hasan Ismaik gesucht, wie er selbst nach seinem Rücktritt gegenüber der tz München klarmachte. Weil die Vorgänger sich gegen den Investor gestellt hätten und dieser deshalb nicht viel investiert habe. „In meiner Amtszeit hat er dagegen sehr viel investiert“, meinte Cassalette eine Woche nach seinem Rücktritt, fügt jedoch schnell hinzu: „Nun, wir sind trotzdem abgestiegen.“ Die Konsequenz war sogar der Zwangsabstieg in die Regionalliga Bayern.

Interims-Präsident Robert Reisinger

Nach dem Rücktritt von Cassalette kam schließlich Reisinger. Und der machte von Anfang an klar: Es soll ein neuer Weg eingeschlagen werden. Im Vordergrund stehe die Gesundung des Vereins. Das heißt auch, dass man keine neuen Schulden machen wolle. Am 3. Juni 2017 verkündete der TSV München von 1860 e.V., dass Robert Reisinger als Interims-Präsident die Vereinsgeschäfte übernimmt. Und der präsentierte wenige Tage später einen neuen Geschäftsführer. Sofort war klar, dass Reisinger der Verein ernst war. Markus Fauser, ein Spezialist für Unternehmens-Sanierungen, sollte den Gesundungs-Prozess einleiten.

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Bestätigung bei der Mitgliederversammlung

Robert Reisinger bei der MVDie Mitgliederversammlung 2017 bleibt vielen Mitgliedern wohl lange im Gedächtnis. Das Ziel des Verwaltungsrates war vor allem die Bestätigung von Robert Reisinger als Präsident. Der neue Kurs war längst eingeleitet. Doch die große Frage war, ob die Mitglieder diesen Weg mitgehen würden. Rund eineinhalb Monate nachdem Reisinger übernommen hatte. Eine Nichtbestätigung von Reisinger hätte sicherlich drastische Folgen haben können.

Vor allem die ARGE, der Dachverband für Fanclubs des TSV München von 1860, machte Stimmung. Sie mobilisierte bewusst gegen einen Sparkurs und gegen die eingeschlagene Richtung. In der Kritik vor allem auch das Grünwalder Stadion. Man sammelt sogar Unterschriften gegen Vize-Präsident Hans Sitzberger und diverse Verwaltungsräte, wie die Süddeutsche Zeitung bekannt gab.

Ebenfalls Stimmung gegen Robert Reisinger macht Peter Helfer. Der ehemalige Vize-Präsident kritisiert vehement den Auszug aus der Arena. Er wirbt aktiv dafür, dass die ARGE aufstehe, sich bündelt und Flagge zeigt. Gegen Reisinger und den eingeschlagenen Kurs. Rund 500 Tage später steht Peter Helfer übrigens im Gespräch als neuer Vorstand bei der ARGE.

Kurz vor der Wahl ist es deshalb nicht wirklich klar, dass sich Reisinger als Präsident bestätigen lassen kann. Der Vorstand der ARGE organisiert Busse für die Mitgliederversammlung und macht weiterhin Stimmung. Doch die Bedenken sind unbegründet. Die ARGE konnte nur wenige ihrer Anhänger mobilisieren. Die Mitgliederversammlung bestätigte am 23. Juli 2017 Reisinger als Präsident des Vereins. Der bereits eingeleitete Kurs konnte damit fortgesetzt werden.

Reisinger hatte das klare Ergebnis nicht erwartet, wie er gegenüber der tz München im Anschluss an die Versammlung erklärt.

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Kritik an Reisinger

Die ersten 250 Tage der Präsidentschaft von Robert Reisinger kann man durchaus als unruhig bezeichnen. Die Regionalliga machte vielen Fans sehr viel Spaß – trotz der kaum abflachenden Kritik von Seiten der ARGE. Sportpolitisch werden immer wieder Fragezeichen aufgeworfen. Schritt für Schritt löst der Verein zahlreiche Herausforderungen. Auch mit Hilfe der Stadt. Der Frust sitzt bei einigen jedoch sehr tief. Immer wieder betonen Kritiker, es wäre falsch gewesen, aus der Allianz Arena zu gehen. Sanierungs-Experte Markus Fauser kann noch so viel argumentieren und die Unwirtschaftlichkeit im Hinblick auf die Arena hervorheben. Die Attacken nehmen kaum ein Ende und sind nicht gerade förderlich für die Gesundung des Vereins. Die Kritik an Reisinger dabei oft seltsam populistisch. So wurde ihm vorgeworfen, er wolle den TSV 1860 München mit aller Kraft im Amateurbereich halten. Ein Aufstieg solle vom Präsidium und auch anderen Funktionären verhindert werden.

DreesBeerReisinger

Es bildet sich der Begriff „DreesBeerReisinger“, der schlichtweg zum Ziel hat, die drei Funktionäre Markus Drees (damaliger Vorsitzender des Verwaltungsrates), Roman Beer (Abteilungsleiter der Fußballer) und Robert Reisinger zu diffamieren. Von der einst einigermaßen sachlichen Kritik gegen das Grünwalder Stadion und gegen einen Sparkurs ist nicht mehr viel übrig. Die Äußerungen werden zunehmend polemisch und beleidigend. Allerdings im Schutz der Anonymität. Mehrmals werden dabei auch strafrechtlich relevante Äußerungen getätigt. Reisinger wird mit Hitler verglichen. Das Aussehen, die Körperhaltung und jegliche Mimik steht mehr in der Kritik als die eigentliche Sportpolitik.

Reisinger polarisiert in den ersten Monaten

Die große Masse an Fans und vor allem an Mitgliedern des e.V. stehen jedoch hinter Robert Reisinger und den Funktionären. Der Präsident polarisiert allerdings immer wieder. Bewusst oder unbewusst. Bereits vor der Wahl sagte Reisinger über die Zukunft mit Ismaik, dass es wie in einer guten Ehe sei. Mal streite man sich, mal verträgt man sich und am Besten sei ohnehin der Versöhnungssex. Das spielt seinen Gegnern in die Karten. Ein halbes Jahr später nutzt Reisinger den Vergleich mit der „schwäbischen Hausfrau“. Sie stünde als Vorbild für die Politik des Vereins. Dass diese Metapher für Kritik sorgen würde, hätte sich der Präsident denken können. Taktisch war es unklug. Schon Angela Merkel stolperte mit diesem Vergleich im Jahr 2011. Seitdem wetteifern Politiker mit der Verwendung dieser Methaper. So zum Beispiel Finanzminister Wolfgang Schäuble oder Ministerpräsident Stefan Mappus. Auch FDP-Chef Christian Lindner nutzte sie. Und immer wieder sorgte sie für Kritik.

Der Präsident lernt jedoch recht schnell, dass jede Äußerung auf die Goldwaage gelegt wird. Er wird vorsichtiger und vor allem auch diplomatischer. Ohne jedoch vom Kurs abzuweichen. Das macht es den Kritikern schwerer, ihn anzugreifen. Reisingers Auftreten wird Stück für Stück immer staatsmännischer.

Neuer Gegenwind durch das Team Profifußball

Für die Wahl zum Verwaltungsrat formiert sich eine neue Gruppe, das Team Profifußball. Es stellt sich anfänglich knallhart gegen den Kurs des Präsidenten. „In den letzten Monaten war zunehmend absehbar, dass sich für die anstehenden Verwaltungsratswahlen des TSV 1860 München e.V. eine Alternative zur gegenwärtigen Führung bilden wird“, heißt es bei der Vorstellung. „Wir werden geschlossen zur Wahl des Verwaltungsrates im Juli antreten.“ Genau das wird am Ende zum Vorteil für Reisinger. Denn die scharfen Argumente des Team Profifußball ziehen nicht. Sie müssen ihre Taktik ändern. Von anfänglicher Kritik an der Führung bleibt von Woche zu Woche nicht mehr viel übrig. Bereits beim ersten Löwenmagazin-Interview spricht der Gründer des Teams, Klaus Ruhdorfer, davon, dass man mit dem Präsidium zusammenarbeiten möchte. Das Team Profifußball beginnt immer wieder zu unterstreichen, dass der Kurs in vielen Punkten richtig sei, man aber noch weiter in die Zukunft blicken müsse. Alle Kandidaten betonen plötzlich auch, dass das Grünwalder Stadion die Heimat der Löwen sei, bevor sie von Alternativen sprechen. Keiner spricht sich öffentlich gegen 50+1 aus. Der Grund ist relativ einfach: Der Zusammenschluss der Kandidaten merkt schnell, dass es tatsächlich vorangeht und die Fans mit dem aktuellen Kurs durchaus zufrieden sind.

Spätestens beim Aufstieg des TSV 1860 München in die 3. Liga wird es schließlich ohnehin schwer, Argumente gegen den aktuellen Kurs zu finden. Der Gegenwind wird praktisch zum Vorteil für Reisinger. Denn mit dem Schwinden der Argumente gegen den Kurs stehen die verbleibenden Argumente auf dem Prüfstand. Man verbeißt sich in der Vorstellung, man wolle die Stadt bis zum Ende des Jahres zu einer endgültigen Aussage im Hinblick des Grünwalder Stadions zwingen. Das kommt nicht gut an. Als Gegenpol reagiert Reisinger nüchtern und sachlich. Er setzt weder auf Konfrontationskurs noch auf Kuschelkurs. Das gilt sowohl für den Umgang mit der Stadt als auch mit dem Investor.

Das zinslose Darlehen für die 3. Liga

Als es um frisches Geld für die 3. Liga geht, pokert Präsident Robert Reisinger hoch. Es ist eine schwierige Situation und Reisinger muss beweisen, dass er genau diesen Weg findet – der Mittelweg zwischen Konfrontationskurs und Kuschelkurs. Saki Stimoniaris, in der Zwischenzeit Vertreter von Ismaik in München, bietet ein Maßnahmen-Paket an. Die mitschwingende Forderung will das Präsidium nicht akzeptieren. Es soll ein Darlehen von Hauptsponsor Die Bayerische abgelöst werden. Viele Wochen geht es daraufhin hin und her. Am Ende gibt es ein zinsloses Darlehen in einer Höhe von 2 Millionen Euro. Ohne größere Forderungen wie zum Beispiel die Ablösung des Darlehens von Die Bayerische. Bei den Hardlinern, die auf eine Zukunft ohne jegliche weitere Schulden setzen, steht Reisinger durchaus damit in der Kritik. Doch der Verein muss die Überlebensfähigkeit in der 3. Liga sicherstellen und so geht man auf den Deal ein. Vor allem Saki Stimoniaris setzte den TSV immer wieder durch Pressemeldungen unter Druck. Allerdings kommt das bei vielen Fans sehr schlecht an. In der Zwischenzeit sind kaum mehr Meldungen aus dieser Richtung zu vernehmen.

Reisinger nach 500 Tagen Amtszeit

Präsident Robert Reisinger ist in der Zwischenzeit schwer angreifbar. Im Hintergrund wird gearbeitet und die öffentlichen Auftritte sind geschickter, diplomatischer und ruhiger. Dass das Löwenmagazin über ein Treffen mit einem Architekten berichtet, kritisiert er zwar nicht direkt, hält es jedoch für unglücklich. Er möchte über keine ungelegten Eier sprechen. Er möchte in Ruhe und mit voller Konzentration die Möglichkeiten des Vereins erörtern. Ganz einfach ist dies für das Umfeld nicht. Denn die Fans wollen durchaus immer wieder mal einen Impuls, um zu wissen, dass es vorwärts geht. Ein großer Teil der Fans und der Mitglieder sind jedoch gerade deshalb überzeugt und vertrauen der Vereinsführung.

Überraschend vor allem auch sein Umgang mit der ARGE. Am vergangenen Wochenende war er im Allgäu zu einer dortigen Mitgliederversammlung eingeladen. Er scheut die Diskussion nicht, obwohl der Dachverband in der Vergangenheit massiv gegen ihn Politik betrieben hat. Reisinger tritt selbstbewusst auf und mit der gewohnten Politik der ruhigen Hand.

Leichter wird das Amt in den kommenden Monaten sicherlich nicht. Es gibt eine Menge Bereiche, in denen der Verein und die Vereinsführung zwar intensiv arbeitet, es jedoch noch viele Fragezeichen gibt.

Lese auch das Interview des Löwenmagazins mit Robert Reisinger

 

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