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1860: Zwischen langfristiger Strategie und Tagesgeschäft

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Abendzeitung: “Punktesieg für Ismaik”

“Ein 1:0 für Ismaik” titelt die Abendzeitung. Eine Schlagzeile, die nicht im Geringsten die Wirklichkeit wiederspiegelt. Nein, von einem Punktesieg werden auch die Anwälte von Hasan Ismaik nicht sprechen. Im Gegenteil.

Hätte der e.V. sich für die sofortige Kündigung des Kooperationsvertrages entschieden, so hätte der jordanische Investor seine Geschütze auffahren können. Und das hätte den Verein vermutlich über Jahre gelähmt. Das wäre einer Kriegserklärung gleichgekommen und der Investor hätte da zweifelsohne den längeren Atem gehabt. Eine Kündigung des bestehenden Kooperationsvertrages mt HAM International Ltd. ist aktuell nicht möglich. Zumindest nicht bis Ende Januar.

“Der Antrag ist vom Tisch, nicht aber die Thematik”

Die Stellungnahme des e.V.

Man muss eines klarstellen: Die Entscheidung heißt nicht, dass man sich damit nicht mehr beschäftigt. Sonst hätte man es nicht explizit so formuliert: “Das Präsidium und der Verwaltungsrat (…) haben in einer Sitzung (…) gemeinsam beschlossen (…) die von der Mitgliederversammlung (…) beauftragte Kündigung (…) nicht innerhalb von sechs Monaten auszusprechen“. Das heißt: Der Antrag ist vom Tisch, nicht aber die Thematik. Er war zeitnah ohne Nachteile für den Verein einfach nicht umsetzbar.

Die Antragstellerin konnte sich mit ihrem Wunsch, dass der Kooperationsvertrag unmittelbar, bzw. nach Änderung auf der Mitgliederversammlung, innerhalb von 6 Monaten aufgelöst wird, nicht durchsetzen. Damit ist er tatsächlich vom Tisch. Was bleibt ist der Wunsch der Mitglieder, dass man sich vom Kooperationsvertrag löst. Und das hat Präsidium und Verwaltungsrat anerkannt. Das ist ein klarer Auftrag. Nicht heute und nicht bis zum besagten 24. Januar. Aber mit dem Gutachten zur Kooperationsvertrags-Kündigung hat sich der Verein ein klares Bild ermöglicht. Im Hinblick auf die vertraglichen Vereinbarungen.

Für Ulla Hoppen sollte die Sache damit erledigt sein. Ihr Antrag liegt im Papierkorb. Nichts desto trotz hat sie einen wesentlichen Beitrag geleistet. Nämlich dafür gesorgt, dass sich die aktuellen Funktionäre endlich mal mit dem Kooperationsvertrag auseinandergesetzt haben. Man muss bezweifeln, ob 2011 die unterzeichnenden Funktionäre auch nur annähernd sich mit der Thematik beschäftigt haben. Wenn ja, wäre es genauso unverantwortlich wie wenn nicht. Dass die heutigen führenden Köpfe des Vereins dies nun nachholen müssen, ist auf der einen Seite löblich, auf der anderen Seite traurig. Dass ein Gutachten erstellt werden musste war zwangsläufig klar. Die Schuld sollte man bei den damaligen Unterzeichnern suchen.

Strategie und Taktik des Präsidiums

Das Präsidium zeigt ein durchaus nachvollziehbares Muster, das für manchen Fan auf den ersten Blick nicht erkennbar zu sein scheint. Denn auch jetzt nach der gemeinsamen Stellungnahme von Verwaltungsrat und Präsidium kommt Kritik auf. Vor allem von den Anhängern des Antrages zur Kündigung des Kooperationsvertrages. Die ist jedoch nicht berechtigt. Die Stellungnahme lässt durchblicken, dass der Verein sowohl strategisch als auch taktisch vollkommen anders vorgeht, als man es beim TSV 1860 München in den vergangenen Jahren gewohnt ist.

Strategisch: Wer ist der TSV München von 1860 und was will er die kommenden 3 Jahre erreichen?

Es steckt ein klarer Plan dahinter. Eine Strategie, die eine langfristige Ausrichtung von 3 Jahren plant. Man möchte den Verein auf eigene und unabhängige Beine stellen. Im Hinblick auf das Nachwuchsleistungszentrum sprach Reisinger letzte Woche davon, dass er hierfür ein Modell wie bei einer Stiftung andenkt. Die Botschaft ist klar, der e.V. soll am Nachwuchsleistungszentrum festhalten und es nicht kommerzialisieren. Im Hinblick auf die Gesellschafter und den Kooperationsvertrag gibt es nun ein Gutachten. Auslöser hierfür ist der Antrag zur Kündigung. Es ist nun wichtig, was der Vorstand für Optionen herausliest und was er davon in die strategische Planung einfließen lassen kann. Die Frage, die sich dabei stellt, läuft auf die 3-Jahres-Planung heraus. Wo wollen wir am Ende stehen? Und vor allem mit was für möglichen Partnern?

Taktisch: Was müssen wir Schritt für Schritt tun, um unsere mittelfristige strategische Planung umzusetzen?

Die Schwierigkeit ist die Umsetzung einer Strategie auf taktischer Ebene. Denn die basiert im Endeffekt auf dem Geschäftsführer und sein Betätigungsfeld. Es gibt einen Punkteplan, der abzuarbeiten ist. Der Punkteplan ist im Endeffekt die Vorgabe der strategischen Ebene, also der beiden Gesellschafter. Habe ich mir einen strategischen Plan zurechtgerückt, dann muss ich mir auf taktischer Ebene überlegen, wie ich zum Beispiel auch mit dem Mitgesellschafter umgehe. Auch die Stellungnahme war eine rein taktische Reaktion im Hinblick auf das mögliche Gesamtkonzept.

Operativ: Wie setze ich die taktische Ebene im Tagesgeschäft um?

Die größten Schwächen offenbart der Verein im operativen Tagesgeschäft. Erst kürzlich kontaktierte uns ein Journalist eines Fußballmagazins aus den USA. Er schreibt einen Bericht über den TSV 1860 München. Von der Presseabteilung bekam er keine Antwort. Und auch sonst, wenn es um Ticketing geht oder allgemeine Fragen von Fans, bekommt man häufig keine oder unzureichende Antworten. Um das Vertrauen in die strategischen und taktischen Entscheidungen zu stärken, ist aber gerade das Tagesgeschäft ein wesentlicher Punkt. Hier muss der Verein nacharbeiten. Leider ist das auch dem Sparkurs der KGaA geschuldet.

Zum Tagesgeschäft gehört auch, wie man sich präsentiert. Ein wesentlicher Punkt, um Akzeptanz für Strategie und Taktik zu schaffen. Hier ist die oft angedeutete Transparenz ein wesentlicher Punkt. Die Stellungnahme zur Entscheidung des Verwaltungsrates ist gut geschrieben und zeugt von Professionalität. Man wünscht sich dies jedoch auch in anderen Themenbereichen.

Fazit

Es ist erkennbar, dass der Verein gesundet. Der TSV München von 1860 wirkt, als hätte er die Optionen für die kommenden 3 Jahre durchgeplant und formuliert. Und auch die Taktik ist vorgegeben. Wichtig ist, die taktische Ebene zu festigen. Wer wird Geschäftsführer? Wer leitet das Nachwuchsleistungszentrum? Vor allem aber muss man das Tagesgeschäft auf Vordermann bringen. So schafft man nämlich das Vertrauen in die Basis und bei den Fans.

 

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